Einzelhandel – Die gute Mikrolage eröffnet alle Chancen

Über die Krise der Warenhäuser in Deutschland ist seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts viel berichtet worden. Mit der Liquidation von Hertie 2009 und der seit Jahren schwelenden Krise bei Karstadt sind viele Warenhausstandorte vom Markt verschwunden. Aber auch der in der Gewinnzone operierende Kaufhof hat unwirtschaftliche Standorte zugemacht. Da die weit über 100 Jahre alten Flaggschiffe große Flächen in den besten Innenstadt-Lagen belegen, ist die Zukunftsfähigkeit dieses Vertriebsweges für die Städte von elementarer Bedeutung. Zudem macht das die Immobilien auch für Investoren so interessant.

Mit den Zukunftsoptionen der Karstadt- und Kaufhof-Standorte hat sich deshalb auch die Studie „Quo vadis Warenhaus“ befasst, die der Immobiliendienstleister Savills mit dem Beratungsunternehmen Stadt + Handel aus Dortmund vorgelegt hat. Konkret wurden die 161 Standorte beider Unternehmen analysiert und in einem Scoring-Verfahren bewertet. Dabei wählten die Partner die „Vogelperspektive“ auf die deutsche Warenhauslandschaft, aus der die Standort- und Objektequalität betrachtet werden kann, nicht aber die betriebswirtschaftlichen Prozesse in den Häusern, die für deren Zukunft allerdings auch bedeutsam sind.

Im Scoring-Modell wurden die „Makrolage“ anhand der durchschnittlichen Angebotsmiete (2013 – 2015), der Spitzenmiete in der 1A-Lage (2015) und die Bevölkerungsprognose von 2015 bis 2030 beurteilt. Beim Indikator „Mikrolage“ wurden die Bodenrichtwertkennziffer 2014/15, die Mietkennziffer 2014/15 und die Mietentwicklung 2013 – 2015 berücksichtigt. In den Indikator „Objektqualität“ flossen die Grundfläche, die Verkaufsfläche und die bauliche Güte mit ein. Grundsätzlich kommt die Studie dabei zu dem Ergebnis, dass die „äußeren Rahmenbedingungen für die meisten Warenhäuser äußerst positiv sind“.

Wie der Weg des Warenhauses in den nächsten Jahren aussehen wird, haben die Forscher in ihrem Ausblick in 5 Thesen zusammengefasst: Unter der Headline „Der Anker rostet“ konstatieren sie, dass die ursprüngliche Funktion als Magnet und Hauptanlaufpunkt für neue Sortimente und innovative Warenpräsentation heute nur noch Platzhirschhäuser erfüllen können und nur Premiumhäuser den „letzten Schrei“ anbieten. Denn hier siedeln sich auch Marken an, die ansonsten eher einen Bogen um die normalen Warenhäuser machen. Das gilt vor allem für hochpreisige Marken.

Laut Studie übernehmen heute in vielen Top-Einkaufslagen andere Konzepte die Magnetfunktion und die Warenhausnutzung wird eingeschränkt. Es geht sogar so weit, dass die früheren Magneten heute selbst auf Frequenzbringer angewiesen sind. Ein Ausdruck für diese Entwicklung ist, dass sich ehemalige Solitär-Warenhäuser inzwischen Shopping-Centern angeschlossen haben. Beispiele dafür sind der Anschluss von Karstadt an das Center Limbecker Platz in Essen und das Forum Duisburg.

Mit Blick auf diesen Bedeutungsverlust hatte Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung und IPH Handelsimmobilien den Warenhäusern bereits bei früherer Gelegenheit empfohlen, etwa im Modebereich viel stärker auf die angesagten Marken zu setzen und damit auch gezielt um Kunden zu werben.

In ihrer 2. These sagen die Forscher von Savills sowie Stadt + Handel voraus, dass „das Warenhaussterben zunächst weiter geht“. Zwar habe das Scoring gezeigt, dass die meisten Warenhäuser noch gute Rahmenbedingungen haben, doch gebe es auch zahlreiche Objekte, „deren Verkaufsfläche für die Umsetzung eines klassischen Warenhauskonzepts zu klein oder deren Mikrostandort im Zusammenspiel mit der verloren gegangenen Magnetfunktion des Warenhauses nicht mehr geeignet ist“.

Mit den Standorten jenseits der Großstädte setzt sich These 3 „Warenhäuser in Mittelstädten – (K)Ein Wiederspruch?!“ auseinander, da die Vertriebsform in den Städten mit weniger als 100 000 Einwohnern mit vergleichsweise ungünstigen Rahmenbedingungen zurecht kommen müssten. So zeigte das Scoring, dass keines der 15 Warenhäuser in Städten mit weniger als 50 000 Einwohnern einen besseren Gesamt-Score als 5 von 10 erreichbaren Punkten erzielte.

Ein anschauliches Beispiel für dieses Problem lieferte die Hertie GmbH, die sich aus den ehemaligen Karstadt-Häusern in Mittelstädten zusammensetzte. Abgesehen davon, dass der Käufer Dawnay,Day 2005 mehr an den Immobilien interessiert war und wenig Warenhausexpertise mitbrachte, waren auch die Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb nicht günstig. Nicht ohne Grund waren diese kleinen Häuser im Zuge der Sanierung von Karstadt ausgegliedert und verkauft worden.

Denn seit den 1980er-Jahren, als sich die Konkurrenz der Fachmärkte und der Shopping-Center immer stärker bemerkbar machte, stellte sich für die Warenhaus-Betreiber die Frage, wie das richtige Sortiment für die Mittelstädte aussieht? Laut Studie ist es durchaus vorstellbar, dass es in den Städten dieser Größenordnung eines Tages kein einziges Warenhaus mehr gibt, wenn es den Betreibern nicht gelingt, das Sortiment stärker als bisher an der lokalen Nachfrage auszurichten – z. B. als Nahversorger. Dabei sehen die Forscher gerade in diesen Städten gute Chancen, eine Platzhirschfunktion zu übernehmen, da die Konkurrenz geringer ist als in den Großstädten: Warenhaus und Mittelstadt müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.

In These 4 kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die „Mikrolage kein Problem“ ist. So zeigen die Scoring-Ergebnisse, dass sich das Gros der Warenhäuser in sehr guten Einkaufslagen befinden. Das gilt selbst für viele der Schlusslichter. Laut Matthias Pink, Director und Head of Research bei Savills, lässt sich das nur von wenigen anderen Betriebstypen des Einzelhandels sagen. Tatsächlich sind die meisten schlechten Standorte in den vergangenen 20 Jahren geschlossen worden. Die Mikrolage ist demnach ein Pfund, mit dem die Warenhäuser wuchern können und sie könnte auch die Ausgangslage ihrer Renaissance sein. Denn auch dort, wo dem erfolgreichen Betrieb eines Warnhauses Hemmnisse entgegenstehen, erweitert die gute Mikrolage das Spektrum bei der Repositionierung oder der Umnutzung der Immobilie.

Last not least kommt die Studie in These 5 zu dem Schluss, dass „kein Warenhaus auch keine Lösung ist“ – ungeachtet der Online-Konkurrenz und hausgemachter Probleme. Dabei rücken die Forscher das ursprüngliche „Alles unter einem Dach“-Konzept in den Vordergrund, aber nicht mit dem Ziel, wieder das gesamte Sortiment zu bieten, dafür sind die Häuser zu klein. Vielmehr geht es darum, in einer Welt, in der sich die Märkte immer weiter ausdifferenzieren, die Lücke zu füllen, die genau für ein solches Konzept wieder entsteht: so eine Art „Amazon“ der realen Welt.

Konkret geht es aus Sicht der Forscher darum, das Alles-unter-einem-Dach-Prinzip in die Moderne zu übertragen z. B. durch Integration eines Click & Collect-Angebots und die Zusammenführung von Online- und Offline. Stichworte sind: guter Service, große Auswahl, kurze Wege. Laut Silke Wittig, Projektleiterin bei Stadt + Handel, stellen die guten Lagen in Verbindung mit der großen Verkaufsfläche eine ideale Kombination dar, um modernes Erlebnis-Shopping zu inszenieren.

In der Gruppe der Spitzenreiter mit den besten Scoring-Werten finden sich 46 Warenhäusern, der größte Teil in den Großstädten. Darunter sind Oberpollinger in München, das KaDeWe in Berlin und Kaufhof in der Hohe Straße. Aus dieser Gruppe entfallen 24 Filialen auf Kaufhof und 22 auf Karstadt. Von den 62 Warenhäusern im Mittelfeld entfallen 33 auf Kaufhof und 29 auf Karstadt. Die Gruppe der Warenhäuser, die das Schlusslicht bilden, umfasst insgesamt 53, überwiegend in kleineren Städten. Die Häuser Euskirchen und Wismar stehen am Ende. In dieser Gruppe gehören 29 zum Kaufhof und 24 zu Karstadt.

„Ob Warenhausstandorte in ihrer Existenz tatsächlich gefährdet sind und welche Nutzungsalternativen für die Häuser in Frage kommen, lässt sich nur unter Berücksichtigung der spezifischen Wettbewerbsbedingungen beurteilen“, kommentiert Ralf Beckmann, Geschäftsführer bei Stadt + Handel, das Ergebnis.