Einzelhandels-Konjunktur – Multichannel-Strategie erweist sich als Erfolgsthema

 

 

Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Nach einem Umsatzwachstum von nominal 3,4% im Vorjahr legte der deutsche Einzelhandel in den ersten 6 Monaten des laufenden Jahres nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) um weitere 2,6% zu. Vor diesem Hintergrund hebt der Verband seine Umsatzprognose für 2016 von 2,0 auf 2,5% an. Doch der Blick auf den gesamten Einzelhandel zeigt ein heterogenes Bild. Den Gewinnern stehen auch Verlierer gegenüber. Das berührt auch die Einzelhandelslagen.

Zu den Gewinnern gehören, wie der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth bei der Konjunktur-Pressekonferenz in Düsseldorf berichtete, der Einzelhandel mit kosmetischen Erzeugnissen und Körperpflegemitteln (real +5,99%), der Schuhhandel (real +3,0%), der Wohnmöbelhandel (real +2,4%) und der Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik (nominal und real +2,3%), dem es mit einer ausgefeilten Multichannel-Strategie offenbar gelingt, von der Online-Konkurrenz Boden zurück zu erobern. Insgesamt haben Deutschlands Händler im ersten Halbjahr einen Umsatz von 233,2 Mrd. Euro erzielt und der HDE geht davon aus, dass die Erlöse 2016 auf 485,7 Mrd. Euro steigen werden – davon 44 Mrd. Euro im reinen Online-Handel (+11%). Dabei profitiert der stationäre Einzelhandel davon, dass es 2016 drei Verkaufstage mehr gibt als 2015, was 1,4 Prozentpunkte mehr ausmacht.

Diese günstige Entwicklung spiegelt sich per Saldo auch in der Einschätzung der Einzelhändler über ihre Geschäftslage wider, die auf einer HDE-Umfrage unter 1 100 Teilnehmern aus allen Branchen und Unternehmensgrößen beruht. Demnach hat sich für 31% die Lage verbessert, für 35% ist sie gleich geblieben, aber für 34% (2015: 31%) hat sie sich verschlechtert. Hier schlägt sich nieder, dass der Bekleidungseinzelhandel laut Genth unter Druck steht und im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang von real 1,5% verzeichnete. So gaben auch 41% der Befragten aus der Branche im Sommer an, dass sich die Lage verschlechtert hat, bei 37% ist sie konstant geblieben und nur bei 22% hat sie sich verbessert.

Der Vergleich mit Branchen wie Nahrungs- und Genussmittel, in der sich für 50% der Befragten die Lage verbessert hat oder im Möbelhandel (30% Verbesserung) und selbst im Handel mit elektronischen Erzeugnissen mit einer Lageverbesserung bei 42%, zeigt, dass der Modehandel derzeit zu den Verlierern gehört.

Laut Genth ist es aber nicht allein die Konkurrenz des Online-Handels, die die Branche so unter Druck setzt, sondern auch das Wetter, das zuletzt nicht mehr zu den Sortimenten passte. Während nach einem mauen Sommer 2016 die Temperaturen im August und September auf Hochsommer-Niveau stiegen, mussten die Händler versuchen, ihre warme Winterware zu verkaufen. Hier wünscht sich der Hauptgeschäftsführer auch bei den Herstellern mehr Flexibilität, die für die frühe Anlieferung der Saisonware verantwortlich sind. Zudem wäre es hilfreich, sich nicht nur an den Hauptsaisons zu orientieren, sondern auch Zwischenkollektionen anzubieten.

Da der Bekleidungseinzelhandel das prägende Element in den Haupteinkaufsstraßen und in den innerstädtischen Shopping-Centern ist, hat die Schwäche der Branche auch Einfluss auf die entsprechenden Einzelhandelslagen. Laut Genth verläuft die Entwicklung in den Innenstädten relativ schlecht, da die Frequenz gerade in zentralen Lagen rückläufig ist. So hat sich die Geschäftslage von 41% der Befragten am Standort Innenstadt verschlechtert, für 33% ist sie gleich geblieben und für 26% hat sie sich verbessert. In Shopping-Centern berichteten sogar 44% von einer Verschlechterung. Hier dürfte sich aber auch der Revitalisierungsbedarf in einigen deutschen Einkaufszentren auswirken. 31% sagten, dass die Lage konstant geblieben sei und 25%, dass sie sich verbessert habe. Auch in den Innenstadt-Nebenlagen ist die Lage der Mieter nicht so rosig. Von einer verschlechterten Lage sprechen 40%, von einer konstanten 36% und von einer verbesserten 24%.

Anders die Beurteilungen in den klassischen Lagen der Nahversorgung, die maßgeblich vom gut laufenden Lebensmittelhandel geprägt werden. Eine Verschlechterung verzeichneten in Sonder- resp. Gewerbegebieten und in ländlichen Gemeinden nur 25% und in städtischen Vororten 26%. Von einer Verbesserung sprachen in Sonder- resp. Gewerbegebieten dagegen 50% der Befragten und in städtischen Vortorten sowie ländlichen Gemeinden jeweils 35%.

Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage des (Mode)Einzelhandels in den Cities mahnte der Hauptgeschäftsführer erneut an, dass die Politik bei der Gewerbesteuer die anteilige Hinzurechnung von Mieten und Pachten zum Gewerbeertrag überdenken sollte. In dieser schwierigen Lage etwa im Bekleidungseinzelhandel könne das zu einer Substanzbesteuerung werden. Das belaste die Innenstadtlagen zusätzlich.

Günstig entwickelt sich dagegen das Geschäft der Einzelhändler, die sich der digitalen Herausforderung stellen und auf eine Multichannel-Strategie setzen, wie der Trend in der Unterhaltungselektronik zeigt. Während im gesamten Einzelhandel 40% der Befragten mit steigenden Umsätzen rechnen, sind es unter den Multichannel-Anbietern 53%. Genth: „Treiber der Geschäftsentwicklung sind abermals die Online-Aktivitäten.“ Mit einem Rückgang rechnen in dieser Gruppe nur 8% und 40% mit einer gleichbleibenden Entwicklung. Beim Einzelhandel insgesamt gehen immerhin 35% von einem Rückgang und 25% von Stagnation aus. Etwa 30% der rund 300 000 HDE-Mitgliedsunternehmen sind laut Genth im Online-Geschäft unterwegs.

Unter den Top-Themen des Einzelhandels stehen eBusiness resp. der Online-Handel denn auch an der Spitze der Liste, vor den Belastungen des Mittelstands und dem Thema Attraktivitätsverlust der Innenstadt. Mit Blick auf die günstige Haushaltslage des Staates forderte Genth Steuererleichterungen resp. Senkungen der Sozialabgaben vor allem für die Mittelschicht, um die Kaufkraft zu stärken. Denn dass der private Konsum auch in den nächsten Jahren die Binnenwirtschaft stützt, könne nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.