Expansion im Einzelhandel: Blick auf die Schwellenländer

Dass die Länder recht unterschiedlich schnell – oder eben noch nicht – aus der Weltwirtschaftskrise herausgefunden haben, ist nicht neu. Europa bietet da gutes Anschauungsmaterial. Aber auch weltweit sind die Gewichte unterschiedlich verteilt. Unabhängig von den konjunkturellen Ungleichgewichten hat sich bei der Expansionsstrategie des global aufgestellten Einzelhandels eine Verschiebung ergeben. Als Zielmärkte spielen vor allem die Schwellen-Länder mit ihrer überwiegend jungen Bevölkerung und dem hohen Nachholbedarf beim Konsum eine große Rolle. Auch wenn Westeuropa oder Nordamerika noch die Top-Ten-Liste dominieren.

Diesen Trend beobachtet der Immobilien-Dienstleister CB Richard Ellis (CBRE) in seiner Studie „How Global is the Business of Retail“ („Wie international ist das Einzelhandelsgeschäft?), die nun zum 4. Mal aufgelegt und vorgestellt wurde. Dafür wurden 323 weltweit führende Einzelhändler an mehr als 200 Standorten untersucht.

 Wie Karsten Burbach, Head of Retail bei CB Richard Ellis in Deutschland, generell konstatiert, richtet sich bei der Eröffnung neuer Filialen der Fokus auf Länder und Regionen, „in denen ein stabiles Wirtschaftswachstum verzeichnet wird und in denen das Konsumklima nicht negativ beispielsweise durch Sparmaßnahmen beeinflusst ist“. Das sind derzeit primär die Schwellenländer. Augenfälliges Beispiel dafür ist die Tatsache, dass in der Rangliste der internationalsten Städte weltweit (hier haben die meisten internationale Einzelhändler eine Niederlassung), London und Dubai mit einem Anteil von jeweils 56% gemeinsam die Spitzenposition belegen: „Alte“ und „neue“ Einzelhandelswelt nebeneinander. Es folgen auf den Rängen New York (44,3%), Paris (43,6%), Madrid (41,5%), Hong Kong (40,9%), Moskau (39,9%), Los Angeles  (38,6%) sowie Singapur und Barcelona mit jeweils 38,3%. Peking steht mit 37,9% auf Rang 11. Die „internationalste“ deutsche Stadt ist Berlin auf Rang 13. Im Vorjahr hatte sie jedoch noch auf Rang 10 gestanden. Auch München ist von Platz 15 auf 18 abgerutscht, und das, obwohl die deutschen Städte in Europa auf der Expansionsliste der Einzelhändler ganz oben stehen. Einzig Hamburg kletterte von Rang 25 auf 20 weiter nach oben.

In der weltweiten Rangliste der internationalsten Länder rangiert Deutschland (46,4% der Befragten sind hier vertreten) auf dem 6. Platz hinter Großbritannien (57,6%), den Arabischen Emiraten (54,5%), USA (49,8%), Frankreich (47,4%) und Spanien (46,7%) und gehört zu den attraktivsten Zielen in Europa, auch für us-amerikanische Einzelhändler. Doch auch bei der Nationen-Liste zeigt sich wieder das Nebeneinander von alter Welt (Großbritannien) und Schwellenmarkt (Arabische Emirate).

Die Türkei ist derzeit besonders interessant

Allerdings verlangt der deutsche Einzelhandelsmarkt den Neulingen viel ab, weiß Burbach, da die Stabilität des privaten Konsums und der wirtschaftliche Aufschwung die Einzelhändler vor größere Herausforderungen stelle als in anderen Ländern. Denn gute Standorte seien knapp und die Mieten trotz Finanzkrise kaum zurückgegangen. Nach der schnellen Erholung legen die Mieten inzwischen bereits wieder zu. Vielfach fehlen auch die geeigneten modernen Ladenflächen. Insgesamt seien die Markterschließungskosten hierzulande recht hoch, so Burbach.

In Deutschland lockt die konjunkturelle Stabilität, in anderen Ländern ist es das große Wachstumspotenzial. Zielmärkte der Globalen jenseits der westeuropäischen und nordamerikanischen Grenzen sind China auf Rang 7 (46,1%), Russland auf Rang 8 (41,2%), Saudi Arabien auf Platz 11 (40,2%), die Türkei mit 38,7% auf Platz 12, Kuwait und Singapur mit je 38,4 auf 13.

Laut CBRE ist die Türkei mit ihrer wachsenden Mittelschicht für internationale Filialisten besonders interessant. Diese positive Einschätzung teilen auch Unternehmen wie die Hamburger ECE, die hier jüngst 2 Center ins Management genommen hat sowie EPM. Das Land hat sich relativ schnell von der Krise erholt.

Erleichtert wird der Expansionsdrang der Einzelhändler durch die Fertigstellung hochwertiger Shopping-Center. Die Türkei hat derzeit etwa 325 000 qm an moderner Center Fläche und hat laut CBRE „die zweitgrößte Neubaupipeline in Europa, mit aktuell rund 140 000 qm an Shopping-Center Fläche im Bau“. Und auch mit Blick auf das erwartete Wachstum bei den Konsumausgaben, die in den nächsten 5 Jahren um jährlich 6% steigen sollen, bleibt die Türkei einer der wichtigsten Wachstumsmärkte Europas, wie Burbach berichtet.

Im asiatischen Raum wird derzeit der indische Markt mit seinem guten Konsumklima und einem Wirtschaftswachstum von 8,8% im Jahr 2010 als Expansionsziel sehr interessanter. Zumal das Land von der globalen Rezession weitgehend verschont geblieben ist. Wie schon die Städte- und auch die Länder-Rangliste zeigten, bleibt zudem der Mittlere Osten für den globalisierten Einzelhandel ein präferiertes Expansionsziel. In den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigte sich – nach der großen Zahl von Zugängen in früheren Jahren – 2010 eine leichte Beruhigung.

Wie CBRE-Manager Burbach erläutert, ist Dubai historisch betrachtet der „Einstiegsmarkt in die Region“. Nun versuchten die Händler nach dem erfolgreichen Entrée in Dubai die Erfolge in anderen Ländern der Region wie Kuwait, Saudi Arabien und Abu Dhabi, die eine ähnliche wohlhabende Kundenstruktur mit Präferenz für Shopping-Center haben, zu wiederholen. Die Eröffnung neuer Center könnte die Expansion beflügeln. Burbach erwartet trotz der Unruhen in der Region nicht, dass die Händler sich davon langfristig beeinflussen lassen.

Insgesamt betrachtet dürften die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Ländern, die die Rezession noch nicht überwunden haben, für den globalisierten

 Einzelhandel eine echte Herausforderung bleiben: „Die Konsumausgaben sind in vielen Märkten weiter schwach und die geringere Zahl von Shopping-Center-Neueröffnungen erschwert in einzelnen Ländern die Expansion“, stellt Burbach fest. Aber: Die internationale Expansion bleibt für viele der befragten Einzelhändler ein klares strategisches Ziel: 40% der neuen Filialen werden im Ausland eröffnet.