Für das richtige Produkt gibt es immer noch Käufer

Seit eineinhalb Jahren bestimmt die europäische Staatsschuldenkrise um Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien die Schlagzeilen – mit massiven Konsequenzen für den Euro und den Euro-Raum. Dass Deutschland in diesem Umfeld als sicherer Anlagehafen für Investoren gilt, ist bekannt. Aber wie schlägt sich der Markt für Handelsimmobilien in Europa? Und welche Regionen „performen“ derzeit noch recht gut? Günstige Perspektiven werden z.B. in Polen gesehen.

CentrO Oberhausen

CentrO Oberhausen

Retail Assets wurden nach Feststellung des Immobiliendienstleisters CBRE 2011 auch europaweit auf Grund ihres defensiven Charakters sehr geschätzt. Dabei bleiben Top-Objekte in 1A-Lagen als risikoaverse Anlageform im Fokus der Investoren. Der Anteil der Einzelhandelsimmobilien am gesamten europäischen Transaktionsvolumen mit Gewerbeimmobilien von 115 Mrd. Euro lag bei 32%

Im Einzelnen: Allein im 4. Quartal erreichte das Transaktionsvolumen mit Retail Assets einen Wert von 9,4 Mrd. Euro. Dabei wurde der Markt vereinzelt auch von sehr großen Deals geprägt. Dazu zählt nach Feststellung der CBRE-Experten etwa der Kauf eines der prominentesten Shopping-Center von St. Petersburg für 800 Mio. Euro durch Morgan Stanley oder die Veräußerung eines aus 3 Shopping-Centern bestehenden Portfolios in Stockholm durch die schwedische Pensionsgesellschaft AMF für 450 Mio. Euro. In Deutschland gehört die 50%ige Beteiligung des kanadischen Pensionsfonds Pension Plan für 650 Mio. Euro am CentrO in Oberhausen im Vorjahr zu den großen Transaktionen.

Im Gesamtjahr 2011 wurden 37,2 Mrd. Euro in europäische Handelsimmobilien investiert. Neben Deutschland konzentrierten sich die Investoren erwartungsgemäß auf die nordischen Länder und interessanterweise auch wieder stärker auf die Region Zentral- und Osteuropas, wie Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland berichtet. Diesen Trend ließ bereits der großvolumige Center-Deal in St. Peterburg durch Morgan Stanley erkennen.

Die CEE-Region war mit 5 Mrd. Euro laut CBRE 2011 immerhin der drittstärkste Retail Investmentmarkt in Europa. Vor allem in Polen und Russland seien die Investoren stark auf der Suche nach Core-Handelsimmobilien und Shopping-Centern, haben die Experten festgestellt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese Länder weit genug von den westeuropäischen Euro-Krisen-Region entfernt sind. Insbesondere Russland werde immer mehr zum internationalen Spielfeld für Investoren, die sich auch auf Städte jenseits der angesagten Metropolen Moskau und St. Petersburg ausrichten.

Dabei geht Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland, davon aus, dass einige dieser Märkte in der CEE-Region aus wirtschaftlicher und preislicher Perspektive noch weiter an Attraktivität gewinnen werden. Mit Blick auf den  Nachholbedarf, den Osteoa in punkto Einzelhandels-Angebot und Verkaufsflächen haben, ist das für Einzelhandel, Entwickler und Investoren eine interessante Nachricht. „Außerhalb der Eurozone bieten diese Volkswirtschaften Potenziale für Investoren“, verweist auch Klein auf die räumliche Distanz zu den Problemländern Eurolands. Das gelte vor allem für den russischen Markt.

Aber auch Polen mit seinen 38 Mio. Einwohnern steht nach Erkenntnis von Aengevelt Research gut da. Positiv ins Gewicht fällt die stabile volkswirtschaftliche Entwicklung mit steigenden verfügbaren Einkommen und entsprechend steigenden Einzelhandelsumsätzen. Laut Dariusz Kunik, bei Aengevelt Immobilien zuständig für die CEE-Region machten 2011 Marken wie GAP, Jula, Toys“R“Us, Lindex, Desigual sowie die beiden deutschen Filialisten Kik und NKD den Schritt auf den polnischen Mark. Die großen deutschen Handelskonzerne sind schon lange im Land.

Wichtig für Investoren und Entwickler ist dabei, dass Polen „die durchschnittliche europäische Sättigungsquote mit Einzelhandelsflächen bei weitem noch nicht erreicht“, so Kunik. Aktuell gebe es ca. 8 Mio. qm moderne Einzelhandelsfläche, davon über die Hälfte in Einkaufszentren. 2011kamen 500 000 qm Fläche neu auf den Markt – vor allem in Städten mit weniger als 200 000 Einwohnern. Zu den Städten mit der größten Center-Dichte gehören – neben Warschau – Gdańsk, Wrocław, Poznań sowie mittelgroße Städte wie Opole und Słupsk.

In den kommenden 2 bis 3 Jahren wird das Angebot an moderner Einzelhandelsfläche laut Aengevelt Research nicht signifikant steigen, sodass insbesondere in Warschau mit steigenden Mieten zu rechnen sei. Immerhin liegt die Leerstandsquote in der Stadt bei weniger als 1% und in den größeren Städten bei 3%. Anfang dieses Jahres seien etwa 600 000 qm Einzelhandelsfläche im Bau, mehr als 1 Mio. qm sei in der Planungsphase. „Erst in den Jahren 2013/2014, wenn die aktuellen Einzelhandelsprojekte u.a. von GTC in Wilanów und Białołęka fertiggestellt werden, ist mit einer Entspannung der Marktlage in der Hauptstadt zu rechnen“, so Kunik. Dann wird das Angebot um 5 bis 10% wachsen – und alte Center werden unter Druck geraten.

Derzeit aber führt das fehlende Flächenangebot in Shopping-Centern dazu, dass die innerstädtischen Einkaufsstraßen in den Fokus rücken. Mit Blick auf die Stadtentwicklung ist das ein durchaus positiver Nebeneffekt.

Spitzenreiter in der Rangliste der wichtigsten Länder im europäischen Markt für Handelsimmobilien ist derzeit  jedoch Deutschland mit 10,55 Mrd. Euro und einem überragenden Anteil von 48% am hiesigen Gewerbeimmobilienmarkt. Jones Lang LaSalle beziffert das Volumen mit 10,4 Mrd. Euro und einem Anteil von 45% am Gewerbeimmobilienmarkt. Gemessen an 2009 hat sich das Transaktionsvolumen mit Handelsimmobilien hierzulande laut CBRE damit fast verdreifacht.

Mit einem ganz leichten Vorsprung beim Transaktionsvolumen stand Großbritannien 2011 noch an der Spitze der europäischen Rangliste. Der Blick auf die Grafik zeigt jedoch, dass Deutschland gegenüber 2010 und 2009 sehr stark aufgeholt hat und in seiner Bedeutung als Markt für Handelsimmobilien inzwischen gleichwertig neben Großbritannien rangiert. Und beim Blick in die Zukunft sind sich die Experten darin einig, dass Retail Assets auch 2012 die vorherrschende Immobilienklasse in Deutschland bleiben wird.

In Großbritannien war der Markt laut CBRE stark beeinflusst von einem harten Wettbewerb um Top-Handelsimmobilien und Spitzen-Objekten in der 1A-Lage von London. Das habe zum Jahresende auf dem Markt zu einer  Kompression bei den Netto-Anfangsrenditen geführt.

Die Risikobereitschaft bleibt 2012 gering

Mit Blick auf die Engpässe bei der Immobilienfinanzierung weisen die Experten von CBRE darauf hin, dass die Zahl großer Transaktionen im Vorjahr zeige, „dass es für das richtige Produkt, trotz der Anspannung auf den Finanzierungsmärkten, potenzielle Käufer gibt“, wie Poppinga betont: „Dies können sowohl eigenkapitalstarke, institutionelle als auch Value Add-Fonds mit entsprechend gesicherter Finanzierung sein“. Dabei gilt vor allem für internationales Kapital, das nach neuen Anlagemöglichkeiten sucht und sich in den wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten risikoavers verhält, dass Core-Objekte im Mittelpunkt bleiben. Das bedeutet: Länder wie Deutschland, Skandinavien und einige Länder der CEE-Region bleiben mit Blick auf ihre stärkere wirtschaftliche Entwicklung und der damit einhergehenden größeren Flächennachfrage im Fokus. Für Deutschland registriert etwa BNP Paribas Real Estate einen weiterhin großen Zustrom von internationalen Handelsfilialisten.

Auch die Immobilienexperten von Invesco Real Estate gehen in ihrem Zwischenausblick für das 1. Quartal 2012 davon aus, dass die Risikobereitschaft unter Europas institutionellen Investoren insgesamt gering bleiben wird und sich das Interesse auf das sehr eng definierte Segment der Spitzenimmobilien konzentriert. Schwächere Märkte der Eurozone würden dagegen gemieden. Ab Anfang 2013 werde die Risikobereitschaft aber langsam wieder zunehmen.