Große Retail-Deals dominieren den Investmentmarkt

Das Statement von Marcus Lemli, Deutschlandchef Leasing & Capital Markets von Jones Lang LaSalle (JLL), fällt eindeutig aus: „Erwartungsgemäß sind Einzelhandelsimmobilien im derzeitigen Markumfeld die Gewinner“, stellt er mit Blick auf die Entwicklung des deutschen Investmentmarkts für Gewerbeimmobilien im 1. Quartal 2010 fest. Etwa 3 Mrd. Euro wurden in den ersten 3 Monaten des Bewährungsjahres 2010 in „Retail Assets“ investiert. Das sind bereits mehr als im gesamten Jahr 2009. Damals wurden 2,9 Mrd. Euro für Handelsimmobilien ausgegeben.

Und von den 5 Mrd. Euro, die deutschlandweit im 1. Quartal in Gewerbeimmobilien investiert wurden (s. Grafik Jones Lang LaSalle), entfällt auf Handelsimmobilien damit ein Anteil von 60% – gegenüber einem Anteil von 29% (1,4 Mrd. Euro) für Büroimmobilien. Darin drückt sich zweifellos auch das Sicherheitsstreben der Investoren aus.

Denn auch die Betrachtung des deutschen Vermietungsmarktes ergab bisher, dass die Mieten bei Top-Objekten – getrieben von der Nachfrage des Einzelhandels nach neuen Flächen – in den 1A-Lagen der Metropolen weitgehend stabil geblieben sind. „Durch das begrenzte Flächenangebot mussten diese stark frequentierten Einkaufsmeilen im Gegensatz zu den Büromärkten noch keine Mietverluste hinnehmen“, konstatierte denn auch Aberdeen Research in seinem „Market Outlook Deutschland“ im März.

Ganz maßgeblich hat natürlich der Verkauf des deutschen Shopping-Center-Portfolios der Multi Corp an die niederländische Corio zum starken Wachstum beigetragen (vgl. Handelsimmobilien Report Nr. 68 vom 1.4.2010). Noch kurz vor Ende des 1. Quartals – Ende März – hatte die niederländische Multi ein ganzes Paket aus fertigen Shopping-Centern wie das Forum Duisburg und die Dresdner Centrum Galerie sowie aus den  Entwicklungen Boulevard Berlin, Arneken Galerie in Hildesheim und Königsgalerie in Duisburg – neben Objekten in Spanien, Portugal und Italien – an den börsennotierte Spezialisten für Development, Redevelopment, Corio, verkauft. Allein dieses Paket summiert sich laut JLL auf 1,166 Mrd. Euro. Aber auch innerstädtische Geschäftshäuser sind Anfang 2010 gut gelaufen. Mit einem Wert von 560 Mio. Euro hat sich das Transaktionsvolumen dieser Assetklasse gegenüber dem Vorjahresquartal verdreifacht. Auch das ist ein Zeichen für die Sicherheitsorientierung der Investoren, die auf stabile Cash-flows aus sind.

Bereits im Februar hatten auch Sonae Sierra und Foncière Euris die Mehrheit an ihrem etwa 56 000 qm großen deutschen Prestige-Objekt Alexa am Berliner Alexanderplatz an die Immobilien-Fonds-Gesellschaft Union Investment verkauft. Sonae Sierra bleibt mit 9% Minderheitsgesellschafter und betreibt das Center-Management. Der Verkaufswert des gesamten Centers wurde mit 316 Mio. Euro beziffert. Gleich im Januar hatte zudem die Deutsche Euroshop AG mit der Übernahme des A 10 in Wildau bei Berlin überrascht. 265 Mio. Euro gibt der Hamburger Investor für den Kauf des Centers und dessen Erweiterung um die 11 000 qm große Triangel aus. Für die langfristige Fremdfinanzierung von 150 Mio. Euro konnte die DG HYP Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG gewonnen werden.

Die vorgelegten Zahlen bestätigen nun auch schwarz auf weiß die Einschätzungen von Jones Lang LaSalle und Aberdeen Research, wonach die Belebung in der zweiten Jahreshälfte 2009 und die eingeleiteten Deals zum Jahresende für 2010 eine weitere deutliche Steigerung des Transaktionsvolumens erwarten ließen. Bei den Spitzenrenditen von innerstädtischen Geschäftshäusern, Shopping-Centern und Fachmarktzentren erwartet Aberdeen Research im Jahresverlauf bei Top-Objekten denn auch ein sinkendes Renditeniveau im Bereich von 5 bis 10 Basispunkten.

„Die besonders zum Jahresende 2009 sich abzeichnende Investitionsfreude hat sich im 1. Quartal 2010 mehr als bestätigt“, fasst Jones Lang LaSalle zusammen.  Gegenüber dem 1. Quartal 2009 bedeutet das Transaktionsvolumen von 5 Mrd. Euro bei Gewerbeimmobilien immerhin ein Wachstum von 176%, nachdem die  Volumina nach Ausbruch der Krise in den beiden ersten Quartalen des Vorjahres allerdings auch mit ähnlich drastischen Raten eingebrochen waren.

Doch zeigen die nun vorgelegten Zahlen, wie sehr sich die Stimmung bereits wieder gedreht hat, nachdem sich die Mehrheit (83,3%) der von der Hahn-Gruppe befragten Investoren im März 2009 noch nicht vorstellen konnten, dass sich der Markt bereits im Jahresverlauf wieder belebt. Ein Jahr später hat sich das Blatt doch deutlich gewendet.

Was hat sich seither verändert? „Der Anteil der ausländischen Investoren nimmt zu“, konstatiert JLL-Manager Lemli. Ausländische Investoren haben im 1. Quartal rund 2 Mrd. Euro in hiesige Immobilien investiert und damit ihren Anteil wieder von 10% (2009) auf nunmehr 40% erhöht. Dabei spielt die Investitionsfreude des niederländischen Spezialisten für Handelsimmobilien, Corio, eine ganz wesentliche Rolle. Möglich sind inzwischen offenbar auch wieder Portfolio-Transaktionen, auf die im 1. Quartal immerhin 1,62 Mrd. Euro (2009: 193 Mio. Euro) entfielen. Den weitaus größten Teil (90%) dieser Deals bestritten ausländische Investoren.

Damit zeichnet sich laut Jones Lang LaSalle auch wieder ein steigendes Interesse an größeren Investitionsvolumina ab, die zuletzt besonders stark von der Kreditklemme betroffen waren. „So konnten in den ersten drei Monaten bereits 7 Transaktionen jenseits der 100 Mio. Euro-Grenze registriert werden“, berichtet Lemli. Das zeigt aber auch, dass solche Deals wieder finanziert werden.

Leichte Veränderungen gibt es laut Jones Lang LaSalle auch beim Thema Sicherheitsdenken. Zwar stehen Core-Produkte unverändert im Fokus, doch registrieren die Experten, dass dieser, vor einigen Monaten noch nicht verhandelbare Investitionsgrundsatz langsam aufweicht. Sofern die Qualität von Objekt und Lage stimmt, ziehen die Investoren auch wieder Objekte mit kürzeren Mietvertragslaufzeiten oder Leerstandsanteil in Betracht.

Darin sieht Lemli aber auch einen Beleg für einen gewissen Anlagedruck, dem aber kein adäquates Angebot von Core-Produkten gegenüber stehe. Dieser Nachfragedruck habe dazu beigetragen, dass die Spitzenrenditen in fast allen Assetklassen nachgegeben hätten. Demnach ermittelte Jones Lang LaSalle bei den verschiedenen Segmenten folgendes Bild: Bei Shopping-Centern gingen die Netto-Anfangsrenditen (in 1A-Lagen der 7 deutschen Metropolen) von 5,75% im 1. Quartal 2009 auf 5,5% zurück, bei Fachmarktzentren sank der Wert von 6,75% auf 6,25%, bei einzelnen Fachmärkten blieben sie mit 7% konstant und auch bei den sehr begehrten Geschäftshäusern sanken sie nur ganz leicht von 4,25% auf 4,22%. Bei Büroimmobilien sanken sie von 5,41% auf 5,24%, bei Logistik-Immobilien von 7,24 auf 7,20%.

Etwa 45% des Transaktionsvolumens (2,28 Mrd. Euro; inkl. Büro) wurde laut Helge Scheunemann, Chef Researcher bei JLL Deutschland, in den Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/M, Hamburg, Köln, München und Stuttgart investiert. Dabei stand Berlin mit 590 Mio. Euro (2009: 145 Mio. Euro) an der Spitze.