Im Wettstreit der Oberzentren setzt Erlangen klare Akzente

 
Erlangen
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Für City-Manager Christian Frank ist die Lage der Stadt Erlangen sehr komfortabel. Mit einer Leerstandsquote von 3,5% reihe sich die mittelfränkische Stadt in die Riege der 10 besten Städte Deutschlands ein. Selbstverständlich ist das nicht, denn die Siemens-Stadt ist Teil der Metropolregion Nürnberg und der Oberzentren Nürnberg, Fürth, Erlangen, wodurch eine Konkurrenzsituation zwischen 3 Oberzentren entsteht, wie die Markt und Standort Beratungsgesellschaft aus Erlangen in ihrem Gutachten „Aufstieg einer Innenstadt“ feststellte. Dadurch werde die Ausdehnung und Ausschöpfung der Einzugsbereiche eingeschränkt – und Nürnberg überstrahle alles.

Gleichwohl: In diesem Umfeld hat die kreisfreie Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Mittelfranken mit knapp 105 000 Einwohnern einiges zu bieten, was auch für den Einzelhandelsstandort von Vorteil ist. Drei wichtige Töchter des Münchener Siemens-Konzerns haben hier ihre Hauptquartiere, darunter die Kraftwerkssparte und die Medizintechnik, die Areva mit Sitz in Paris will in ihrer Niederlassung in Erlangen laut Frank 3 000 neue Arbeitsplätze schaffen, das Max-Planck-Institut und die Friedrich-Alexander-Universität sind wichtige Arbeitgeber. Die Stadtväter sind zudem bestrebt, Erlangen zur Bundeshauptstadt der Medizintechnik auszubauen und konnten für diesen Bereich bis 2011 etwa 60 Mio. Euro an Bundesfördermitteln gewinnen.

Vor dem Hintergrund dieser Wirtschaftskraft haben Erlangens Einwohner eine überdurchschnittliche Kaufkraft. Die Kaufkraftkennziffer liegt laut Kemper’s Jones Lang LaSalle bei 115,4. Hinzu kommen laut GfK Geomarketing eine positive Bevölkerungsentwicklung, eine junge Bevölkerungsstruktur und eine niedrige Arbeitslosenquote. Das sind günstige Voraussetzungen für die lange Top-Einkaufslage Nürnberger Straße zwischen Rathausplatz und Südliche Stadtmauerstraße, die danach in die etwas schwächere Hauptstraße mit gleichfalls großem Einzelhandelsbesatz übergeht.

Hinzu kommt der Charme der Innenstadt, der ehemaligen Neustadt Erlangen, die als barocke Plan- und Idealstadt errichtet wurden und „mit ihren schnurgeraden Straßen- und Platzfronten sowie den einheitlichen Fassaden der fast durchwegs zwei- und dreigeschossigen traufständigen Häuser zu den bedeutendsten und am besten erhaltenen Anlagen dieser Art in Deutschland“ gehört, wie bei Wikipedia zu lesen ist.

Doch die umliegenden Städte und Mittelzentren haben in den vergangenen Jahren interessante Einzelhandelsmagneten wie Ikea in Fürth, das Mercado-Shopping-Center und Möbel Lutz in Nürnberg und Globus in Forchheim angesiedelt. Und auch die Produktionsstandorte von Puma und Adidas in Herzogen-Aurach entfalten Sogwirkung auf die Erlanger Kaufkraft. Die Innenstadt von Erlangen bewege sich in einem starken Feld von Wettbewerbswirkungen zwischen grüner Wiese und konkurrierender Innenstädte, urteilt die „Beratungsgesellschaft Markt und Standort“.

Gleichzeitig bereitet die innerstädtische Grand Galerie der Nürnberger Straße massive Probleme. Ursache sei nicht zuletzt ein falsches Center-Management ohne Gespür für den regionalen Standort, beklagt Frank. Folge ist ein massiver Leerstand in der Galerie. Insgesamt gingen dadurch über 1 200 qm Verkaufsfläche verloren. Bis heute ist laut City-Manager Frank unklar, wem die Galerie gehört. Die immer wieder – im Wochenrhythmus – aufkeimenden Hoffnungen, dass die Galerie endlich einen neuen, tatkräftigen Investor hat, wurden bislang aber immer wieder enttäuscht.

Um den Einzelhandelsstandort gegen die Konkurrenz von außen aufzuwerten, setzte die Stadt mit der Eröffnung der Erlangen Arcaden im Jahr 2007 im südlichen Teil der Innenstadt einen deutlichen Akzent. Dass der inhabergeführte Einzelhandel – vor allem im Nordteil der Fußgängerzone – wenig erfreut war über die massive Konkurrenz, war in Erlangen nicht anders als anderswo. Erst nach zwei Bürgerbegehren und einem Kompromiss hinsichtlich der Größe des Centers, konnte die Essener mfi – Management für Immobilien AG das Shopping-Center realisieren.

Mit positiven Folgen für die Erlanger Innenstadt, was laut Markt- und Standort-Studie selbst Makler zugeben mussten. Auf knapp 19 000 qm bieten die Arcaden ein umfangreiches Mode-Angebot mit Namen wie Esprit, Comma, K + L Ruppert, Tom Tailor, Tommy Hilfiger, Ulla Popken, Gerry Weber, s.Oliver, New Yorker, Jack &Jones/Vero Moda sowie aus dem Schuhbereich Gabor, Deichmann und Fink Schuhe, Saturn als Elektrofachmarkt und die Parfümeriekette Douglas – um nur einige Namen zu nennen. Schließlich runden der Gastronomiebereich das Angebot ab. Durch die Arcaden wurde die innerstädtische Verkaufsfläche von Erlangen, ursprünglich bestehend aus 446 Einzelhandelsbetrieben auf gut 87 000 qm, um etwa 20% erhöht.

Gegen das häufig formulierte Vorurteil, dass Shopping-Center in sich geschlossene introvertierte Einkaufswelten sind, die keine Beziehungsströme zur Umwelt herstellen, spricht die T

Arcaden Erlangen

Arcaden Erlangen

atsache, dass Kunden, die die Arcaden (Foto) aufsuchen, anschließend noch 400 bis 600 m weit in die Fußgängerzone hineingehen, wie City-Manager Frank aus einer Frequenzanalyse weiß. Zudem konnte der Zustrom aus dem Umland um 16 Prozentpunkte von 43 (1997) auf 59% (2008) erhöht werden und die Passantenfrequenz in der Innenstadt insgesamt um 40%, darunter vor allem durch junge Leute. Viele Kunden nehmen auch längere Anfahrtswege in Kauf.

Auch Leerstand ist kein Thema. Im Gegenteil: Leer stehende Läden konnten laut GfK Geomarketing adäquat vermietet werden. Zudem stieg der Umsatz in Erlangen zwischen 2007 und 2009 um 69,9 Mio. Euro, nachdem er von 2001 bis 2007 um 38,7 Mio. Euro geschrumpft war. Dass auch die Mieten, die im Durchschnitt bei 60 Euro liegen, in der Spitze heute Werte von 90 Euro erreichen, zeigt, dass die Erlanger Innenstadt die zusätzliche Verkaufsfläche der Arcaden gebraucht hat.

So löste die Eröffnung der Arcaden 2007 vor allem den Investitionsstau in der Stadt auf. Anschauliches Beispiel dafür ist laut Markt- und Standort-Studie die Tatsache, dass nach dem Umzug der Bekleidungs-Kette K + L Ruppert in die Arcaden, die Drogeriekette Müller in die frei gewordene Immobilie eingezogen ist, was die Experten als Aufwertung des Standorts werten und als Beleg dafür, dass noch namhafte Anbieter Flächen in Erlangen suchen.

Dass die Arcaden aber zweifellos einen Wettbewerbsdruck auf  den umliegenden Einzelhandel ausüben, findet Frank gar nicht schlecht für die Innenstadt. Laut Markt- und Standort-Studie hat das Angebotsniveau in der Stadt dadurch eine deutliche Diversifizierung erfahren. Auch der mittelständische Einzelhandel, der sich auf die B- und C-Lagen konzentriert, verliere dadurch nicht an Bedeutung. Sorgen bereitete den Beratern kurz nach Eröffnung der Arcaden aber die Galeria-Kaufhof-Filiale, vis à vis auf der anderen Seite der Nürnberger Straße.

Doch durch die Konkurrenz hat sich auch der Kölner Warenhausbetreiber zur Flucht nach vorne entschlossen und realisiert in Erlangen sein neuestes Pilotprojekt. Was Kaufhof plant, ist bislang noch ein gut gehütetes Geheimnis, das im September/Oktober gelüftet werden dürfte, wie City-Manager Frank weiß. Dass Kaufhof den Standort Erlangen so wichtig nimmt, ist für ihn Beleg für die Bedeutung der Stadt.

Genauso wie die vielen Marketing-Aktionen, die die Arcaden anschieben: Aktionen und Veranstaltungen im Shopping-Center sowie Print-, online und Radio-Werbung. Frank, der mit dem Center-Management der Arcaden zusammen arbeitet, sieht darin eine gute Ergänzung zu den Aktionen des City-Managements, das mit einem bescheideneren Budget auskommen muss. Wichtige Highlights der Stadt sind der Erlanger Frühling im März, das große Stadtfest im Sommer, 3 verkaufsoffene Sonntage und die Sternennacht, die immer in der Freitagnacht nach Christi Himmelfahrt stattfindet.