Investmentmarkt: „Handel“ holt sich Spitzenposition zurück

Zum Jahresende 2010 sah es so aus, als würden Büroimmobilien mit der konjunkturellen Erholung in der Gunst der Investoren auch wieder verlorenes Terrain gut machen und das Segment Handelsimmobilien auf Platz 2 verweisen. Mit einem Anteil von 40% am Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien von 19,3 Mrd. Euro lagen Büros knapp vor Handelsimmobilien mit 39%. Zum 1. Quartal 2011 hat sich das Blatt nun wieder dramatisch gewendet, wie der Immobilien-Dienstleister Jones Lang LaSalle (JLL) in seinem Marktbericht feststellt.

Mit einem Gesamtvolumen von 5,8 Mrd. Euro konnte der Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien im 1. Quartal an die Erholung des 4. Quartals (gleichfalls 5,8 Mrd. Euro) anknüpfen. Der Markt schafft damit den Anschluss an die Zeit vor Ausbruch der Finanzmarktkrise im 3. Quartal 2008. Das 4. Quartal 2010 und das 1. Quartal 2011 waren die besten Quartalsergebnisse seit Anfang 2008. Und dabei haben Einzelhandels-Deals das Marktgeschehen mit einem Anteil von 65%  oder einem Volumen von 3,8 Mrd. Euro eindeutig dominiert, wie Helge Scheunemann, Leiter Research Jones Lang LaSalle Deutschland, berichtet.

In Büroimmobilien wurde in den ersten 3 Monaten nur 1 Mrd. Euro investiert. Das waren 18% des Gesamtvolumens. Auf Logistik entfallen mit ca. 330 Mio. Euro knapp 6 % und auf Hotels mit etwa 300 Mio. Euro entsprechend 5 %. Das zeigt, dass Retail Assets hierzulande derzeit mit Abstand die begehrteste Immobilien-Anlage ist. Aber auch weltweit resp. europaweit gehören Handelsimmobilien zur treibenden Kraft auf dem Investmentmarkt, wie Cushman & Wakefield in seiner Studie „International Investment Atlas 2011“ festgestellt hatte.

Im 1. Quartal 2010 hatte der Retail-Anteil in Deutschland bei 60% gelegen. Damals bestimmte vor allem der Verkauf des Multi-Development-Portfolios aus diversen Shopping-Center-Projekten an die niederländische Corio das Geschehen. Im 1. Quartal 2011 verteilte sich das Volumen dagegen auf 11 Transaktionen mit einem Wert von jeweils mehr als 100 Mio. Euro. Das belegt, dass sich das Interesse an Handelsimmobilien verbreitert hat.

So entfallen laut Jones Lang LaSalle die 5 größten Deals des 1. Quartals allesamt auf  Handelsimmobilien, verteilt auf die Bereiche innerstädtische Geschäftshäuser, Fachmärkte, Fachmarktzentren und Shopping-Center. An der Spitze stand dabei der Verkauf von 45 an die Metro vermietete Cash & Carry-Großmärkte für 700 Mio. Euro an Cerberus.  Für etwa die gleiche Summe hat sich zudem ein kanadischer Pensionsfonds am Shopping-Center „CentrO“ in Oberhausen beteiligt.

Wie Marcus Lemli, Leiter Leasing & Capital Markets bei JLL Deutschland beobachtet, werden die Preise für deutsche Handelsimmobilien insbesondere von internationalen Investoren „als risikoangepasst attraktiv“ angesehen. Angesichts der günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und der erhofften positiven Auswirkungen auf die Konsumkonjunktur – der GfK-Konsumklima-Index bewegt sich 2011 auf sehr hohem Niveau – würden die Investoren bei ihrer Anlage eher die Chancen der Investments sehen und das aktuelle Preisniveau als günstig bewerten.

Da gute Shopping-Center auf Grund ihrer breiten Risiko-Streuung durch die zahlreichen Mieter aus verschiedensten Branchen und langfristigen Mietverträgen in der Gunst der Anleger unverändert hoch angesiedelt sind, haben die Renditen in diesem Segment laut Jones lang LaSalle inzwischen um 5 Basispunkte auf 5,2% nachgegeben. Die Nachfrage nehme weiter zu, vor allem nach kleineren Shopping-Centern zwischen 30 Mio. und 70 Mio. Euro, wie der Immobilien-Dienstleister beobachtet.

Bei den in der jüngeren Vergangenheit wieder stark favorisierten Fachmärkten gingen die Renditen um 25 Basispunkt auf 6,7% zurück. Und für die auf Grund ihrer hohen Wertbeständigkeit und der stabilen Mieten geschätzten innerstädtischen Geschäftshäuser liegen die Renditen im Schnitt bei unverändert etwa 4,2%.

Die Dominanz des Sektors Handelsimmobilien im 1. Quartal 2011 hat insgesamt  dazu geführt, dass sich das Markgeschehen von den Metropolen auf kleinere Städte verlagert hat. Denn der Anteil der Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart lag bei 2 Mrd. Euro oder 35% des Volumens. Zum Vergleich: 2009 und 2010 lagen die Anteile der Metropolen bei 52 bzw. 58%. Lemli geht aber mit Blick auf einige größere Büroimmobilien-Deals in großen Städten, die noch in der Pipeline sind, davon aus, dass sich diese regionale Verteilung noch verändern wird.

Beim Ausblick auf das gesamte Jahr 2011 rechnen die Experten von JLL weiter mit Dynamik, lassen bei ihrer Prognose jedoch auch Vorsicht walten. Sie erwarten auf dem Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien ein Transaktionsvolumen von etwas über 20 Mrd. Euro. Das würde nur leicht über dem Vorjahresniveau von 19,3 Mrd. Euro liegen. Ob sich der Bereich Handelsimmobilien in seiner Spitzenposition behaupten kann, wird sich zeigen.

Erwartungsgemäß sondieren viele ausländische Investoren den Markt. Im 1. Quartal bestritten sie bereits die Hälfte des Transaktionsvolumens: „Darüber hinaus zeugen zahlreiche neu aufgelegte Fonds davon, dass genügend Investitionskapital vorhanden ist“, teilt Jones Lang LaSalle weiter mit.

Gleichwohl: Das Thema der Verfügbarkeit und der Kosten von Fremdkapital bleiben auch 2011virulent und eine Entspannung ist aus Sicht der Experten nicht in Sicht. Im Gegenteil. Da ein Eigenkapitalanteil von 35% die Regel bleiben werde, seien auch die Aktivitäten in Bereiche jenseits von Core begrenzt. Zudem belegt die Schuldenkrise in einigen europäischen Ländern, dass der Bankensektor unter Druck bleiben wird. „Die stabilen Vermietungsmärkte könnten das aber zumindest langsam aufweichen“, meint Lemli. Abstriche würden dann aber nicht bei der Qualität des Objekts, der Bonität der Mieter oder der Lage gemacht. Vielmehr seien die Investoren dann eher bereit, bei der Restlaufzeit der Mietverträge Kompromisse einzugehen.