Karstadt-Verkauf: Immobilien und Geschäftsbetrieb müssen wieder zusammen geführt werden

Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Als Karstadt-Quelle-Chef Thomas Middelhoff im Sommer 2006 den Verkauf von 51% des Karstadt-Immobilien-Portfolios für 3,7 Mrd. Euro an den Goldman Sachs Whitehall Fund verkündete, hat er für den Warenhaus-Konzern im Grunde nur Zeit gekauft. Die Karstadt-Immobilien waren mit etwa 60% ihres Wertes beliehen, das Geld war verbrannt und die Schulden des Handels- und Tourismus-Konzerns beachtlich. Der Immobilien-Boom in Deutschland bot die unerwartete Chance, die Karstadt-Warenhäuser zu beachtlichen Preisen an Dritte zu verkaufen und damit das umfangreiche Immobilien-Vermögen des Konzerns erneut zu mobilisieren. Doch da die Sanierung trotz Geldzufluss nicht gelang, erweist sich die Sale-and-Lease-Back-Konstruktion heute als Problem – vor allem auch für die Vermieter.

Sale-and lease-Back ist im Einzelhandel weit verbreitet – vor allem im Lebensmittel-Segment. So bekennt die Kölner Rewe Group, dass sie in Waren und nicht in Steine investiert. Nur in seltenen Fällen – wie bei einigen großen Verbrauchermärkten – ist Rewe Eigentümer. Auch eine Reihe von C & A-Kaufhäusern wurden über die Immobilien-Gesellschaft der Unternehmensgruppe, Redevco, an Investoren verkauft und die Modekette ist an vielen Standorten Mieter. Der Discounter Aldi dagegen wirtschaftet bevorzugt in eigenen Immobilien.

Ob der Einzelhändler als Mieter oder Eigentümer der Immobilien fungiert, ist eine Frage von Strategie und Philosophie. Beides hat aus Sicht der Branche Vor- und Nachteile. Die Investition in eigene Standorte bindet viel Kapital, das für die schnelle Expansion im Stammgeschäft fehlt. Andererseits können fest vereinbare Mieten gerade in Krisenzeiten zum Problem werden. Dass viele Einzelhändler nach Beobachtung des Immobilien-Dienstleisters CB Richard Ellis die nachlassende Flächennachfrage in der aktuellen Krise nutzen, um die Mietkonditionen neu zu verhandeln, bestätigt die Problematik, die insbesondere in den innerstädtischen Top-Lagen auftreten, wo der filialisierte Einzelhandel in der Regel nur Mieter ist.

Licht und Schatten von Sale-and Lease-Back-Konstruktionen

Als Eigentümer hat der Einzelhändler zudem die Möglichkeit, die Verkaufsflächen nach eigenen zeitlichen und baulichen Vorstellungen umzubauen. Da die Immobilie für den Händler die Verkaufsmaschine ist, wie André Langmann, Vorstandschef der GRR AG in Erlangen betont, wird es für den Betreiber auf Dauer gesehen zum Problem, wenn der Eigentümer nicht bereit ist, in die zeitgemäße Gestaltung der Immobilie zu investieren.

Auch der Essener Karstadt-Konzern setzte bis zur Jahrtausendwende unter seinem alten Vorstand primär darauf, als Immobilien-Eigentümer die Gestaltung selbst zu bestimmen. Bis das Unternehmen unter Ägide des früheren Konzern-Chefs Wolfgang Urban in Schieflage geriet und der das umfangreiche Immobilienvermögen mobilisierte, um Löcher zu stopfen und die Ergebnisse aufzupolieren.

Das Ergebnis ist bekannt. Insbesondere mit dem Verkauf der zweiten Tranche (49%) des Karstadt-Portfolios für 800 Mio. Euro an die Investoren Deutsche Bank Rreef, Pirelli RE, Borletti Group und Generali nahm Middelhoff für Karstadt Mieterhöhungen in Kauf. Damit entsteht die groteske Situation, dass Karstadt durch den Immobilienverkauf zunächst zwar gerettet wurde und von den hohen Preisen am boomenden Immobilien-Markt profitierte, die damit verbundenen Mieten heute aber den Verkauf der Karstadt Warenhaus GmbH erheblich erschweren.

Dabei werden die Mieten je nach Sichtweise und Interessenlage als marktgerecht oder als deutlich überhöht eingestuft. Das verdeutlicht Licht und Schatten von Sale-and-Lease-Back-Konstruktionen – vor allem wenn es um ganze Portfolien geht.

Ewiger Streitpunkt: Marktgerechte Mieten

Ungeachtet der Tatsache, dass – wie auch Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg bei der Gläubigerversammlung im November in Essen verdeutliche – weitreichende Managementfehler die Misere bei Karstadt verursacht haben, stellt der potenzielle Käufer des Karstadt-Geschäftsbetriebs, Nicolas Berggruen, im Interview mit dem Manager Magazin fest, dass „…der Grund, wieso Karstadt am Abgrund steht, nicht das Kaufhausgeschäft des Unternehmens an sich ist. Sondern die sehr ungünstigen Mieten, die Karstadt für seine Filialen bezahlen musste. Wenn wir da ansetzen, besteht für Karstadt eine gute Chance.“

Dass Berggruen marktgerechte Mieten fordert, aber auf die Offerten des Vermieter-Konsortiums „Highstreet“, das im Rahmen des Insolvenzplans bereits Mietsenkungen von 160 Mio. Euro in den nächsten 3 Jahren und zuletzt nochmals 230 Mio. Euro in den kommenden 5 Jahren angeboten hat, bislang nicht mit konkreten Gegenvorschlägen reagiert hat, mag als gezielter Spielzug im Pokerspiel um die gewünschten Mietsenkungen angesehen werden. Die Gewerkschaft Verdi, die der Offerte von Berggruen vor allem deshalb zugestimmt hat, weil er von den Mitarbeitern keine weiteren Opfer fordert, setzt optimistisch auf eine Einigung. Auch Investor Berggruen zeigt sich zuversichtlich, wenn er in einem Manager-Magazin-Interview feststellt: „Eigentlich sind die Vermieter und Karstadt ja gegenseitig aufeinander angewiesen. Nur wenn das Verkaufsgeschäft läuft, wenn Karstadt stark ist, erhalten auch die Vermieter ihr Geld.“ Ein gutes Verhältnis ist deshalb auch für ihn wichtig Aber: „Die Mieten müssen realistisch sein.“

Dabei übersieht Berggruen jedoch, dass Highstreet, die gleichfalls für die Karstadt Warenhaus GmbH geboten haben, aber u.a. bei der Gewerkschaft schlecht ankamen, weil sie von den Mitarbeitern eine Arbeitszeitverlängerung von 2 Wochenstunden ohne Lohnausgleich forderten, betriebswirtschaftlich ganz anders kalkulieren können, als der potenzielle neue Mieter. Für das Highsgtreet-Konsortium spielt die Frage, ob die Mieten marktgerecht sind oder nicht keine Rolle. Als Investoren und Immobilieneigentümer verdienen sie bereits an den Mieteinnahmen. Konkret: Während die Mieten für Berggruen Ausgaben sind, sind sie für Highstreet Einnahmen.

Als Eigentümer des Gesamtkomplexes Karstadt könnte Highstreet das Geschäft also viel besser steuern. Und auch bei unrentablen Filialen leichter nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten – wie Umwandlung zum Shopping-Center oder Suche nach einem neuen zugkräftigen Großmieter – suchen.

Immobilienwirtschaftliche Besonderheit

Das spricht dafür, dass Sale-and-Lease-Back-Konstruktionen gerade im Warenhausgeschäft für den Immobilieneigentümer erhebliche Risiken bergen, da er meist nur einen einzigen Mieter hat und er deshalb von dessen Erfolg abhängig ist – und damit leicht erpressbar wird. Auch wenn sich Vermieter und Mieter in der aktuellen Situation auf einen Kompromiss einigen können, damit der zwischen Berggruen und dem Insolvenzverwalter geschlossene Kaufvertrag wirksam wird und der Insolvenzplan am 16. Juli vom Amtsgericht Essen angenommen werden kann, so dürften doch weitere Konflikte programmiert sein. Bei jeder Flaute wird der Mieter die zu hohen Mieten anprangern. Und wer garantiert dem Vermieter dass Berggruen Warenhäuser sanieren kann?

Diese immobilienwirtschaftlichen Besonderheiten hätten sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Gläubigerausschuss bei ihrer Entscheidung für einen Käufer berücksichtigen müssen. Insofern ist die Zukunft von Karstadt erst dann dauerhaft gesichert, wenn der Geschäftsbetrieb mit den Immobilien wieder zusammengeführt wird. Dann stellt sich die Diskussion über marktgerechte Mieten, die immer wieder aufkommt, wenn Warenhausgeschäft und Immobilien nicht in einer Hand sind, nicht mehr.

Doch bislang macht Berggruen keine Anstalten, auch über eine Beteiligung an den Immobilien nachzudenken. Aber nur damit würde er die Ernsthaftigkeit seines Engagements wirklich dokumentieren.