Köln Arcaden: Doch auf der „richtigen“ Seite des Rheins

Als Einzelhandelsstandort gehört Köln – neben München, Frankfurt/M., Düsseldorf, Berlin, Hamburg oder Stuttgart – zu den angesagten Städten Deutschlands. Vorausgesetzt, man spricht von Hohe Straße oder Schildergasse, im großen Radius um Europas berühmte Sehenswürdigkeit, den Kölner Dom – den Einkaufsmeilen auf der „richtigen Seite“ des Rheins. Wie keine andere Stadt zerschneidet der Rhein Köln in eine „richtige“ und eine „falsche“ Seite, eine „schäle“ Seite, wie der Volksmund sagt. Doch letztlich sind die Köln Arcaden in Kalk genau richtig.

Insofern erhielt Eberhard Stegner, Geschäftsführer der GfK GeoMarketing GmbH, viele unerbetene  Ratschläge, als seine Gesellschaft im Jahr 2002 eine Marktanalyse und eine Verträglichkeitsuntersuchung für ein Shopping-Center auf dem brach liegenden Gelände der ehemaligen Chemische Fabrik Kalk (CFK) erstellte. Das Gelände befindet sich – nach dem Volksglauben – in Köln-Kalk demnach auf der „falschen“ Seite des Rheins. Allgemeiner Tenor der Ratschläge: Man riet von dem Projekt ab, da die Kaufkraft niedrig und der Ausländeranteil hoch sei. Die Kritiker konnten sich nicht vorstellen, dass der Standort Kalk aufgewertet werden könnte, erinnert sich Stegner.

Dabei war Köln-Kalk bis in die 1970er-Jahre der Industriestandort Kölns, der mit Unternehmen wie der CFK oder Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) im benachbarten             Stadtteil noch florierte und damit einer der erfolgreichsten Stadtteile, wie Kersten Peter, Leiter Marktforschung, der Essener mfi AG, berichtet. Die Kaufkraft der Arbeiter in Kalk spiegelte sich auch im Einzelhandelsangebot entlang der Top-Einkaufslage Kalker Hauptstraße wider. Doch mit Wegzug der KHD und Schließung der CFK  explodierte die Arbeitslosigkeit im Viertel und erreichte Höchstwerte von 25%, was sich auch im Niveau des Einzelhandels niederschlug. Das veranlasste die Stadt, einen Ausweg aus der misslichen Lage zu suchen.

Großflächige Einzelhandelsimmobilien wie Fachmarktzentren oder Shopping-Center – das zeigt dass CentrO auf dem ehemaligen Gelände der Gutehoffnungshütte in Oberhausen oder das Rhein-Ruhr-Zentrum auf dem Areal der ehemaligen Zeche Humboldt in Mülheim a.d.R. – sind für viele Kommunen das Mittel der Wahl, um Industriebrachen mit neuem Leben zu erfüllen. Da der südliche Teil des CFK-Geländes direkt an die Haupteinkaufslage von Kalk grenzt, war er als Standort für ein Shopping-Center in integrierter Lage geradezu prädestiniert.

Im März 2005 öffneten die von der Essener mfi AG entwickelten Köln Arcaden mit 180 Läden und 43 000 qm Mietfläche ihre Pforten – unter den kritischen Augen der Gegner des Großprojekts, die angesichts der schwergewichtigen Konkurrenz im Center um den Einzelhandel an der Kalker Hauptstraße fürchteten. An den Erfolg dieses Unterfangens auf der „falschen Seite“ konnten sie immer noch nicht glauben.

Doch um einen schwachen Einzelhandelsstandort aufzuwerten und neue Impulse zu setzen, so Stegner, müsse man auch den Mut haben, mit einem Shopping-Center in ausreichender Größe anzutreten, damit es seine Wirkung entfalten und erfolgreich sein könne. Und Christof Glatzel, Vorstand der mfi AG ergänzt: Es sei eine Illusion, zu glauben, dass man eine Stadtteillage nur durch die Einzelansiedlung von namhaften Handelskonzepten erreichen könne. Einzelne Anbieter allein wären gar nicht bereit gewesen, sich in der Kalker Hauptstraße anzusiedeln.

Ein guter Branchenmix aus Handel und Gastronomie bietet für den Einzelhandel erst die Grundlage für ein erfolgreiches Geschäft. Frei nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft. Für Stegner sind die Köln Arcaden ein gutes Beispiel für eine „gelungene Stadtentwicklung“. Dem kann sich der  Bezirksbürgermeister von Köln-Kalk, Markus Thiele, nur anschließen. Denn für die Verantwortlichen des Kölner Stadtteils ging es auch darum, die schwärende Wunde, die die Industriebrache darstellte, zu heilen. Mit den Arcaden hat aus Thieles Sicht eine neue Zeitrechnung begonnen. Für ihn ist es wichtig, das Center als Bestandteil der Hauptstraße zu begreifen.

Inzwischen haben sich im nördlichen Teil des CFA-Areals noch eine Filiale von Bauhaus und das Wissenschaftszentrum „Science Adventure Odysseum“ angesiedelt sowie ein 1 000 qm großes McDonald’s Schnellrestaurant, das der ehemalige Weltklasse-Boxer Henry Maske als Franchise-Nehmer betreibt. Zudem gibt es einen Bürgerpark und Wohnungen. Für 2 freie Baufelder auf dem Gelände sucht der Bezirksbürgermeister noch eine Verwendung. Dabei steht die Frage im Raum, ob ein großes Kino das Ensemble sinnvoll ergänzen könnte.

Insgesamt 3 Mal hat GfK Geomarketing die Kalker Hauptstraße untersucht und das Projekt begutachtet: 2002 vor der Entstehung, 2006, 1,5 Jahre nach Eröffnung des Centers und mittels Passanten-Befragung im August 2010. Die Ergebnisse wurden Anfang Mai vorgestellt. Danach gehen 29% der Arcaden-Besucher auch in die Kalker Hauptstraße und 37,8% der Hauptstraßen-Besucher suchen auch das Center auf.

Rege Wechselbeziehung zwischen Arcaden und Hauptstraße

Die Koppelung der beiden Standorte sei sehr hoch, stellt Stegner fest. Auch die Handelsstruktur in der Hauptstraße sei relativ stabil geblieben, heißt es in der Studie. Die Zahl der Einzelhandelsbetriebe ist zwischen 2006 und 2010 nur von 110 auf 105 gesunken, dabei ist die Fläche leicht gestiegen, weil einige Läden vergrößert wurden.

Dass der Umsatz des Einzelhandels ohne Arcaden von 2002 bis 2006 um gut 20% gesunken war, ist laut Stegner auch auf strukturelle Probleme im Handel zurückzufuhren. Dazu gehört der Bedeutungsverlust der Warenhäuser, der in der Kalker Hauptstraße eine Rolle spielt, da auf Galeria Kaufhof etwa ein Drittel der Verkaufsfläche (ohne Arcaden) entfällt. Von 2006 bis 2010 ist der Umsatz des Stamm-Einzelhandels nur noch um 4,4% gesunken, liegt damit also im bundesdeutschen Markttrend.

Das Einzugsgebiet wurde stark ausgeweitet

Insgesamt, so das Fazit der GfK-Geomarketing-Studie, hat es Umsatzeinbußen beim örtlichen Handel gegeben, doch sei festzustellen, dass sich die Wirkung der Arcaden im verträglichen Rahmen bewege. Zumal sich die positiven Effekte des Centers durchaus sehen lassen können. Denn die Anziehungskraft des Einzelhandelsstandorts Kalker Hauptstraße ins östliche Umland von Köln hat deutlich zugelegt. Laut Studie ist der Einzelhandelsumsatz im Bezirkszentrum von 60,3 Mio. Euro (2002) nicht zuletzt durch die Köln Arcaden auf 217 Mio. Euro (2010) gestiegen. Das Einzugsgebiet ist auf 669 700 Einwohner mit einem einzelhandelsrelevanten Nachfragevolumen von gut 4 Mrd. Euro gewachsen und reicht bis nach Gummersbach im Osten und Troisdorf/Siegburg im Süden. Die Ausweitung des Einzugsgebiets über die Stadtgrenzen von Köln hinaus sind laut Stegner allein auf die Arcaden zurück zu führen.

Gleichwohl steht der Einzelhandelsstandort Kalker Hauptsraßen noch vor großen Aufgaben, denn das Angebot an der Straße hat ein eher niedriges Niveau und Immobilien wie auch die Geschäfte sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die meisten Läden seien zu klein und auch an manchen Fassaden sind die Spuren der Zeit ablesbar, wie Christian Assenmacher, Bereichsleiter Center-Management der mfi AG berichtet. Deshalb hat sich laut Andreas Schröder, Vorstand Standortgemeinschaft Kalk e.V., 2006 eine ISG (Immobilien-Standort-Gemeinschaft) gegründet.

Ziel ist es, die Straße u.a. durch Veranstaltungen oder die Verbesserung des Stadtmobiliars aufzuwerten und letztlich eine gesetzliche ISG zu gründen, die die Anrainer der Quartiere zur finanziellen Beteiligung verpflichtet. Betroffen sind etwa 1 000 Personen, darunter die Eigentümer der Immobilien. Die Abstimmung über die gesetzliche ISG 2012 geplant.

Auch die Köln Arcaden sind an der ISG und ihrem Erfolg interessiert. „Jeder Eigentümer eines Shopping-Centers hat ein Interesse daran, dass das Umfeld attraktiv ist“, bekräftigt Glatzel, „dass die umliegenden Straßen nicht tot sind“. Denn das würde abschreckend wirken und die Bewohner in der Umgebung davon abhalten, durch die öden Straßen ins Center zu gehen.