Modehandels-Kongress – Der Textileinzelhandel prägt innerstädtische Lagen

Welche Zukunft hat der Bekleidungseinzelhandel im Internet-Zeitalter? Und was bedeutet das für die deutschen Städte? Und welchen Weg schlägt der Kaufhof zusammen mit seinem neuen Eigentümer ein? Das sind Fragen, mit denen sich der Deutsche Modehandels-Kongress befasste.

Neben dem Online-Handel setzen auch die vertikalen Anbieter, die von der Herstellung bis zum Verkauf alles aus einer Hand machen, den Modeeinzelhandel unter Druck. Der Anteil des klassischen Facheinzelhandels mit einem Multi-Markensortiment wird in den nächsten Jahren auf etwa 58,6% des Bekleidungsmarktes sinken, während der Online-Handel und der Anteil der vertikalen Anbieter weiter steigt, sagen Hans Jürgen Heinick, Senior Consultant beim Institut für Handelsforschung (IfH) und Sebastian Paas, Partner beim Beratungsunternehmen KPMG in ihrer Szenario-Analyse für den Modemarkt bis 2025 voraus.

Damit werden in den nächsten Jahren nach der Studie von IfH und KPMG, die auf einer Analyse der Marktdaten zwischen 2000 und 2014 basiert sowie auf der Befragung von 100 Händlern und 11 Experten-Interviews, etwa 2 500 von 61 000 Geschäfte vom Markt verschwinden. Die von manchen Internet-Experten vorausgesagte Verödung der Innenstädte als Folge des Online-Handels sei damit nicht zu befürchten, stellen die Experten beim Deutschen Modehandels-Kongress von BTE und Textil Wirtschaft in Düsseldorf fest. Den Multi-Markenanbietern konzedieren sie dagegen recht gute Chancen mit neuen Formaten.

Und auch Klaus Schwitzke, Geschäftsführer der auf Konzepte für Marken im Handel spezialisierten Schwitzke & Partner, geht nicht davon aus, dass die Handelslandschaft in den nächsten 2 bis 5 Jahren durch eine Revolution verändert wird. Er erwartet vielmehr einen schleichenden Prozess, der mit einem Wertewandel einhergehen könnte. Ein Beispiel dafür ist aus seiner Sicht ein „Leather-Shop“ in Portland, bei dem der Inhaber wieder alles selbst vor Ort produziert. Keine Fertigung mehr in Billiglohnländern in Fernost. Als weiteres Beispiel für den Wertewandel führt er den Lebensmittelhandel an, bei dem das Geschäft mit regionalen Produkten der am schnellsten wachsende Bereich sei: „Das ist keine Nischenentwicklung.“ Deshalb mahnt Schwitzke mit Blick auf den Modehandel, dass der Kunde vom Handel „Konzepte mit Seele“ erwartet, viele Läden seien aber zu glatt und stünden für nichts.

Wie viel Engagement der Inhaber eines Multi-Marken-Geschäfts heute mitbringen muss, um die Kunden zu gewinnen, und dass Marken allein als Zugpferde nicht mehr reichen, erläuterte Lars Messerich, Inhaber der Messerich Mode in Bitburg. Das Unternehmen arbeitete lange im Rahmen von Franchise-Partnerschaften, doch ließ die Frequenz spürbar nach, da die bekannten Marken als Magnete nicht mehr reichten. Deshalb setzte Messerich darauf, sein Sortiment spitz auf Zielgruppen wie junge Frauen oder Jeans-Sortimente für Männer auszurichten und die Abteilungen sowie die Präsentation ganz neu zu gestalten. Inzwischen steht nicht mehr die Marke im Vordergrund, sondern die emotionale Gestaltung des Angebots.

Die Händler brauchen ein
intelligentes Preismanagement

Mit Blick auf die Preistransparenz, die der Internet-Handel forciert und durch die der stationäre Handel besonders unter Druck gerät, empfiehlt Carsten Lurse, Partner bei Hachmeister + Partner ein intelligentes Preis-Management. Gegenüber dem Kunden mit seinem Smartphone sei der Einzelhandel ohnehin meist im Nachteil, weil er nicht genau wisse, wo er mit seinem Preis im Wettbewerbsumfeld steht. In dieser preisorientierten Welt kommuniziert der Händler den Wert seiner Produkte aus Sicht des Experten viel zu wenig. Lurse empfiehlt, einen höheren Preis durch das Angebot von Mehrwert zu kompensieren. Beispielsweise, indem der Händler dem Kunden ein ganzes Outfit aus unterschiedlichen Marken zusammenstellt, so dass der Preisvergleich nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Da sich der größte Teil der Menschen (73%) selbstbewusster fühlt, wenn er gut angezogen ist, dürfte der Service, ganze Outfits zusammen zu stellen, bei vielen zweifellos gut ankommen.

Dass sich der stationäre Bekleidungshandel aber auch über den Preis gegen die Online-Konkurrenz behaupten kann, zeigt die irische Modekette Primark, die ihr gesamtes Konzept konsequent auf das preisgünstige Angebot abstellt und auch in Deutschland auf eine große Fan-Gemeinde setzen kann. Hierzulande gibt es 19 Filialen. Insgesamt betreibt das irische Unternehmen 295 Filialen in 10 Ländern. Nach den Worten von Wolfgang Krogmann, Director General Deutschland und Österreich, kauft das Unternehmen große Mengen ein und hat die Kosten konsequent an das niedrige Preisniveau angepasst. Als Werbemedium dienen die Fassaden, die typischen Primark-Tüten werden aus wiederverwerteten Kartons hergestellt und die Store-Manager haben viel unternehmerischen Spielraum bei ihren Entscheidungen vor Ort, um das Geschäfte anzukurbeln. Eine teure Multichannel-Strategie mit Online-Shop leistet sich das Unternehmen nicht, sondern setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda und auf die Präsenz in den sozialen Netzwerken.

Gute Chancen für die klassischen Innenstadtlagen

Dass der Textileinzelhandel – im besten Sinne – innerstädtische Lagen prägt und je nach Genre „Lagen-Stories“ schreibt, betonte Michael Karutz, Projektleiter bei der Cima Beratung + Management in seinem Vortrag „Erfolgreiche Citylagen und Quartiere durch den Auftritt des Textileinzelhandels“. Auch er ist überzeugt, dass es die klassische Innenstadt auch künftig noch geben wird, doch wird es aus seiner Sicht starke Lage-Disparitäten geben. Es wird gute Oberzentren geben und bedeutende Platzhirsche in den Mittelstädten, für die kleineren Städte wird es nach Einschätzung des Experten dagegen insgesamt schwieriger werden.

Doch wie viel Einfluss gute Multimarken-Händler (Generalisten) als Hüter der Marken auf den Erfolg ihrer Städte nehmen, erläuterte es an Hand von zahlreichen erfolgreichen Platzhirschen. Selbst im kleinen Haselüne betreiben die beiden Generalisten Wübben Mode und Schröder ihr Geschäft mit großer Strahlkraft auf die Umgebung. In Minden entwickelte der erfolgreiche Bekleidungsanbieter Hagemeyer mit seiner gleichnamigen Galerie sogar ein ganzes Quartier.

Hudson‘s Bay glaubt an die Zukunft der Warenhäuser

Wichtig ist laut Karutz dabei, dass diese Unternehmen gut mit den jeweiligen Städten und dem Stadtmarketing zusammenarbeiten. Eine Stadt muss aus seiner Sicht als Gesamtprojekt gesehen werden und die öffentliche Hand muss von privaten Akteuren unterstützt werden.

In diesem Umfeld wollen auch die neuen Eigentümer von Galeria Kaufhof daran gehen, die Umsetzung ihrer Pläne zügig voranzutreiben. Nach den Worten von Donald Watros, Präsident der Hudson’s Bay Company International (HBC), glaubt sein Unternehmen an die Zukunft der Warenhäuser, die zuletzt aber etwas verschlafen waren. Nach den grob umrissenen Plänen soll unter Führung des Kaufhof-Chefs Olivier Van den Bossche Anfang 2016 damit begonnen werden, das Markenangebot von Kaufhof um internationale Weltklassenamen auszuweiten. Zusätzlicher Raum soll durch die Umwidmung von Nebenflächen wie den zu großen Lägern und Büroräumen in Verkaufsflächen gewonnen werden.

Im Fokus der Strategie stehen aber nicht nur die Mode-Angebote, sondern auch andere klassische Warenhaus-Sortimente wie Kosmetik, Heimtextilien, Schreibwaren, Bücher und vieles mehr. „Mode ist wichtig, aber wir sind ein Warenhaus“, stellte Watros klar. Des Weiteren soll der Omnichannel-Handel in den Filialen ausgebaut werden – „Online“ und „Offline“ sollen besser verknüpft werden. Zudem soll es mehr Beratung geben und auch mehr Unterhaltung für die Kunden.

Touristen bieten für Warenhäuser noch viel Potenzial

Aus Sicht des HBC-Präsidenten nutzen die Warenhäuser in den großen Städten auch das Potenzial zu wenig, das die Touristen als Kunden noch bieten. Zügig will HBC auch mit dem preisorientierten Outlet-Konzept „Sak‘s Off 5th“ der US-Tochter Sak’s Fifth Avenue hierzulande sowohl als Shop-in-Shop in Kaufhof-Filialen als auch an Einzelstandorten expandieren.

Zudem will der neue Eigentümer verstärkt in die Immobilien investieren. Der Startschuss könnte in der Kaufhof-Filiale an der Zeil in Frankfurt/Main fallen. Watros will den Umsatz in den nächsten 5 Jahren um 30% steigern. Allerdings versichert Van den Bossche auch, dass bei der künftigen Strategie die Eigenheiten des hiesigen Marktes berücksichtigt werden und Kaufhof ein deutsches Warenhaus bleibe.