Revitalisierung von Centern: Neupositionierung als Marke

Viele Jahre hat sich der deutsche Einzelhandel mit der Übernahme von Wettbewerbern mehr beschäftigt als mit der Gestaltung seiner Filialen. Seit dieser Fusionsprozess in weiten Teilen abgeschlossen ist, die Krise der Warenhäuser die Städte vor neue Herausforderungen stellen und auch viele Shopping-Center in die Jahre kommen, stellt sich das Thema Revitalisierung mit Nachdruck. Damit beschäftigte sich auch eine Fachtagung von Heuer Dialog in Düsseldorf.

Revitalisierung ist bei Deutschlands Einzelhandelsimmobilien das Thema schlechthin. Jahrzehntelang stand beim hiesigen Einzelhandel das Thema Akquisition und Diversifizierung im Fokus der Strategie: Die Übernahme regionaler Wettbewerber, um vor allem durch Nachfragebündelung und Einkaufsmacht Geld zu verdienen. Oder durch Diversifikation in neue Geschäftsfelder, um  damit Wachstumspotenziale zu erschließen.

Zwischendurch musste die Branche in den 1990er-Jahren ihre Claims auf dem Markt der Neuen Bundesländer abstecken, denn wer im Einzelhandel zu spät kommt, dem bleiben die zweitklassigen Standorte und hier hat man kaum eine Chance. Dass diese Strategie – trotz aller Warnungen zu Beginn der 1990er-Jahre – in Ostdeutschland zum Überangebot an Verkaufsfläche vor allem am Stadtrand führte, ist bekannt.

In dieser Gemengelage blieb eins auf der Strecke: Die Handelsimmobilie an sich, die ansprechende Gestaltung der Geschäfte bzw. des Point of Sale. Und da beim deutschen Konsumenten der günstige Preis eine Rolle spielt, blieb das Thema „Ambiente der Verkaufsräume“ lange unberücksichtigt. Die Lebensmittel-Discounter zeigen, worauf es vielen ankommt, oder eben nicht ankommt: Verkauf aus dem Karton statt auf eine angenehme Einkaufskultur.

Bis der Immobilien-Hype 2006/2007 unter dem Einfluss ausländischer Investoren und dem Druck internationaler Filialisten den Fokus auf die Handelsimmobilie an sich richtete. So setzt der Einzelhandel in der Erkenntnis, dass man den Umsatz auch steigern kann, indem man mit modernen Geschäften und Ladenkonzepten Kaufanreize schafft, auf die Investition in den Point of Sale. Das wachsende Interesse der Investoren unterstützt den Trend.

Dass dabei gerade die Revitalisierung von Großimmobilien wie Shopping-Center oder Warenhäuser (z.B. der leer stehenden Hertie-Filialen) von besonderer Relevanz sind, liegt in ihrer Größe begründet. Leer stehende Großimmobilien bewirken einen Kahlschlag in der Umgebung. Martin Balkausky, Geschäftsführer des Bereichs Wirtschaft in der Stadt Delmenhorst, erlebt das gerade beim geschlossenen Hertie-Haus in seiner Stadt und er hofft, dass der Eigentümer doch noch mit dem Kaufpreis runter geht, damit eine wirtschaftliche Neuverwendung zur Schließung von Versorgungslücken möglich wird.

Die Folgen, die ein herunter gewirtschaftetes Shopping-Center für eine Stadt hat, kann Horst Müller, berufsmäßiger Stadtrat und Wirtschaftsreferent von Fürth, beim City Center Fürth an der Fußgängerzone Schwabacher Straße beobachten. Hier ist in 26 Jahren nichts passiert. 60% der 26 000 qm Verkaufsfläche des Centers, das 351 Eigentümern gehört, stehen leer. Das ist fatal, denn die kleinteilig strukturierte Innenstadt von Fürth hat nur 54 000 qm Verkaufsfläche und braucht dringend größere Einzelhandelsflächen für wichtige Magnet-Konzepte des Modebereichs. Bislang tragen die Fürther aus Mangel an Alternativen laut Müller jährlich 120 Mio. Euro in Nachbarstädte wie Nürnberg. Hoffnung auf eine Wende schürt die Nachricht, dass der Shopping-Center-Investor TKN AG das Objekt für 20 Mio. Euro kaufen und 70 Mio. Euro in die Revitalisierung investieren will.

Zudem wird Fürth das Konzept eines innerstädtischen „Einkaufsschwerpunkts“ unter anderen Vorzeichen fortführen. Der war ursprünglich als „Neue Mitte Fürth“ unter Federführung von Sonae Sierra geplant, scheiterte aber, weil ein Eigentümer sein Grundstück nicht verkaufen wollte. Drei wichtige Grundstücke im fraglichen Areal an der Rudolf Breitscheid Straße, das Gelände des ehemaligen Parkhotels, des Modekaufhauses Fiedler und das Wölfel-Areal, konnte die Stadt kaufen. Nun laufen die Diskussionen über die Konzeption eines offenen Einkaufsschwerpunkts. Der endgültige Plan soll laut Müller noch 2011 verabschiedet werden.

Reibungsloser verläuft die Entwicklung in Bochum. Hier wird der Ruhr-Park, der vor allem Kaufkraft aus dem Umland anzieht, von der Essener mfi AG revitalisiert und aufgewertet. Experten sehen hier noch großes Wertsteigerungspotenzial. Zudem wird nach den Worten von Heinz Martin Dirks, Leiter Wirtschaftsförderung von Bochum, auf dem Justizgelände in der Innenstadt ein Einzelhandels-Zentrum mit 15 000 bis 25 000 qm entstehen, sobald das Gebäude leer steht. Die Hamburger ECE hat in der Umgebung bereits Grundstücke erworben. Dirks erwartet außerdem, dass die beiden kleineren Center in der Innenstadt modernisiert werden: „Für uns ist es ganz wichtig, dass sich in der Innenstadt etwas tut.“ Die Lage der Stadt zwischen den Einkaufsstädten Essen und Dortmund ist alles andere als komfortabel.

Die Beispiele zeigen, wie elementar das Thema Revitalisierung für die Städte ist. Doch gibt es auch Standorte – vor allem im Osten -, wo die Kannibalisierung der Objekte so stark ist, dass es für einzelne Center keine Lösung mehr gebe, wie Raimund Ellrott, Mitglied des Management Boards der GMA in Hamburg nüchtern feststellt. Thomas Binder CEO der Sierra Developments Germany GmbH kann sich durchaus vorstellen, dass es Städte gibt, die über den Abriss von Shopping-Centern nachdenken müssen: „Es wird der Tag kommen, an dem das 1. Shopping-Center abgerissen werden muss.“

Umso wichtiger ist beim Neubau wie auch bei der Revitalisierung, dass sich Shopping-Center als Marke positionieren. Mit diesem Thema befasste sich auch der Heuer Fach-Dialog Revitalisierung von Shopping-Centern in Düsseldorf. „Die größte Chance der Revitalisierung ist der Aufbau einer neuen Marke“, stellen Reinhard Winiwarter, Managing Director der Standort Marketing Agentur GmbH und Thomas Kratky, Creativdirector der Kratkys.net, beide aus Wien, fest. Dabei sei die Architektur bereits die „gebaute Marke“. Wichtig sei es, bei der Revitalisierung auf weiche Faktoren wie die Architektur, die Gestaltung, das Ambiente des Centers und damit auf die „Markenentwicklung“ zu achten.

Dass bei aller Begeisterung das Thema „Wirtschaftlichkeit“ nicht aus den Augen verloren werden darf, darauf verwies Thomas Heinle, Partner von Heinle, Wischer und Partner Architekten. Da man in das Skelett des Bauwerks eingreifen müsse, könnten sich große bauliche Überraschungen ergeben, die eine Revitalisierung teurer als geplant machten. Sonae Sierra beginnt laut Binder bereits nach 4 Jahren mit der Bildung von Rückstellungen für die Revitalisierung.

Um ein Center auf der ganzen Linie „a jour“ zu halten, ist es laut Marcel Jörke, Mitglied der Geschäftsleitung von Prime Real Estate Consulting notwendig, ständig die Trends bei Konsument und Einzelhandel zu beobachten und aktiv zu handeln statt nur zu reagieren.

Dass sich vor diesem Hintergrund auch der German Council of Shopping-Centers (GCSC) Gedanken macht, wie „die Center der neuen Generation“ aussehen müssen, liegt auf der Hand. Es geht vor allem um das Thema Aufenthaltsqualität, die eng mit dem Thema Gastronomie verbunden ist. Eine der Maßnahmen ist laut Stephan Jung, Vorstandschef des GCSC, den Anteil der Gastronomie von früher etwa 5% des Angebots auf etwa 10% anzuheben: „Das Center darf kein Ort sein, von dem man nach 90 Minuten schon wieder weg will.“

Um auch jüngere Kunden stärker anzusprechen, beschäftigt sich die Center-Industrie zudem mit dem Thema: „Wie kommuniziert die Community?“ Es stellt sich deshalb die Frage, wie etwa Kommunikationswege wie Facebook, Twitter oder Xing stärker in die Shopping-Center integriert werden können? „Lernend und offen verfolgen wir aktiv diese Entwicklung und stehen hierzu in enger Verbindung mit unseren rund 700 Mitgliedsunternehmen, die das gesamte Spektrum der deutschen Handelslandschaft abdecken“, so Jung.