Studie: Shopping-Center beeinflussen die Mieten positiv

Die Diskussion über die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe wird in Deutschland sehr emotional geführt: In den 1980er-Jahren ging es um die SB-Warenhäuser und Fachmärkte, die  Sortimente wie Lebensmittel, Heimwerker- und Elektroartikel in ihre großen Märkte auf die grüne Wiese mitnahmen. Heute entzündet sich die Kritik an den Shopping-Centern, die mit ihrem Angebot an Mode und vielem mehr in die Innenstädte zurückkehren. Die Studie „Innerstädtische Einkaufszentren – Eine absatzwirtschaftliche Wirkungsanalyse“ will zur Versachlichung des Themas beitragen. Und mit Vorurteilen aufräumen.

Die reflexartige Abwehrhaltung beim alt eingesessenen Bekleidungseinzelhändler, der sein Geschäft aufgebaut hat und nicht weiß, wie sich die geballte Konkurrenz des neuen Einkaufszentrums auswirkt, ist durchaus verständlich. Dem Gros seiner Nachbarn und den Immobilien-Eignern geht es nicht anders. So formiert sich schnell Widerstand im Gemeinderat. Am plakativsten drückte Architekt Walter Brune diese Gefühle mit seinem Buchtitel „Angriff auf die City“ aus.

Dagegen sehen die großen Filialisten solche Einzelhandels-Agglomerationen in erster Linie unter der Überschrift „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Mehr Geschäfte erzeugen mehr Frequenz auch für die Nachbarn. Besonders deutlich ist das bei Fachmarkt- und Nahversorgungs-Zentren zu beobachten, die entstehen, weil sich Lebensmittel-Anbieter und Discounter bevorzugt dort ansiedeln, wo der Wettbewerber bereits für Frequenz sorgt.

Das Spannungsfeld, in dem sich die Diskussion über Shopping-Center abspielt, ist weit. Die Gegner beschwören den Untergang der mitteleuropäischen historischen Stadtstruktur herauf,  wie Prof. Rainer Lademann, Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung Dr. Lademann & Partner, (Foto) berichtet. Sie fordern deshalb eine restriktive Genehmigungspraxis mit Blick auf Größe, Branchenmix und die Zahl der Stellplätze. Dagegen „verweisen Befürworter auf die Stärkung der Konsumentenwohlfahrt, insbesondere die hohe Kundenakzeptanz und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Investments“, so Lademann.

Hintergrund dieser Kontroverse ist aus Sicht des Beraters ein Erkenntnisdefizit über die absatzwirtschaftlichen Auswirkungen von innerstädtischen Einkaufszentren. Nicht selten würden Einzelfälle verallgemeinert und – im Rahmen eines induktiven Vorgehens –  alle Veränderungen nach Ansiedlung eines Centers mit dem vorherigen Status verglichen und dann allein dem Einkaufszentrum zugeschrieben: „Dabei kommen Methoden wie einmalige Befragungen und Frequenzmessungen oder Leerstands-Erhebungen zum Einsatz“, weiß Lademann, „die der Komplexität der raumökonomischen Entwicklung und Zusammenhänge nicht gerecht werden“.

Vorher-Nachher-Vergleiche greifen viel zu kurz

Rückschlüsse auf Grundlage einfacher Vorher-Nachher-Vergleiche würden sich  schon deshalb verbieten, weil kompetitive Märkte und ihre Teilnehmer wie Kommunen, Investoren und Händler aufeinander reagierten und so auch Shopping-Center-Ansiedlungen im Rahmen eines dynamischen Prozesses analysiert werden müssten.

Da es bislang keine Untersuchungen gibt, die über den Einzelfall hinaus gehen und die absatzwirtschaftlichen Effekte systematisch quantifizieren, hat sich der „Ökonom Lademann“ das Ziel gesetzt, die Forschungslücke mit seiner Studie „Innerstädtische Einkaufszentren – Eine absatzwirtschaftliche Wirkungsanalyse“ zu verkleinern. Und die Diskussion zu versachlichen.

Denn es darf nicht übersehen werden, dass auch ohne Center – das ergab die Synopse amtlicher Kennzahlen – etwa 10 bis 14% aller innenstadttypischen Einzelhandelsbetriebe im Zuge des Wandels aufgeben und durch neue Konzepte ersetzt werden. Diese Dynamik müsse beachtet werden, wenn man über kausale Auswirkungen eines Centers belastbare Aussagen treffen wolle, mahnt der Wissenschaftler.

Mieten gingen schon lange vor dem Bau des Centers zurück

Grundlage der Untersuchung war der Aufbau eines Datensatzes, der eine Einschätzung über den Einzelfall hinaus zuließ, es ermöglichte, die Auswirkungen des Centers von sonstigen Einflussgrößen zu trennen und über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Dadurch entstand eine Centerdatenbank, „die fast alle Neueröffnungen von Innenstadt-Centern zwischen 1990 und 2008 mit Einwohner-, Kaufkraft und Mietdaten sowie regionalwirtschaftlichen Angaben erfasst“, heißt es in der Studie. Die Mietentwicklung wurde auch als Indikator für die  Einschätzung der Umsatzentwicklung herangezogen, da unterstellt werden kann, dass der Händler eine Mietsteigerung nur akzeptiert, wenn seine Umsatzentwicklung das zulässt.

Am Verlauf der Durchschnittsmieten ließ sich laut Lademann ablesen, dass die Mieten in der Innenstadt schon 15 Jahre vor dem Bau eines Shopping-Centers kontinuierlich gesunken waren, nach Eröffnung des Einkaufszentrums in den nächsten 15 Jahren aber wieder zulegen konnten. Daraus ist zu schließen, dass die Center vornehmlich in Städten mit nachlassender Sogwirkung etabliert – und offenbar als Mittel der Wahl zur Steigerung der innerstädtischen Attraktivität gesehen wurden. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass die Erosion des Handelsbestands nicht durch die innenstädtischen Center verursacht wurde, sondern die Eröffnung der Einkaufszentren die Wende von der Abwärtsbewegung zum Aufwärtstrend markierte.

Insgesamt kommt die Studie, die im Rahmen der GHS (Göttinger Handelswissenschaftlichen Schriften e.V. 2011) erschienen ist, zu folgenden Ergebnissen:

  • Eine Center-Ansiedlung in der 1A-Lage bewirkt eine signifikante – und nicht eine zufällige – Umkehr eines negativen Miettrends zu steigenden Mieten. Das gelte vor allem für Westdeutschland; der Negativtrend in Ostdeutschland konnte nicht ganz kompensiert werden;
  • In der 1B-Lage konnte der Negativ-Trend deutlich abgeschwächt werden, wenn auch keine Umkehr erreicht wurde. Das gilt laut Studie für durchweg alle größeren und kleineren Städte in Ost- und Westdeutschland.
  • Einzelauswertungen bei 1A-Lagen nach Centergröße ergaben, dass der Positiveffekt bei größeren Centern in größeren Städten ausgeprägter war als bei kleineren Centern oder in kleineren Städten.
  • Ohne Center-Ansiedlung würden die Mieten in 1A-Lagen in 10 Jahren um 7% und in 1B-Lagen um 9% sinken.

Insgesamt schneiden dabei große Shopping-Center (zwischen 15 000 und 25 000 qm sowie Center mit mehr als 25 000 qm) mit ihrer positiven Wirkung auf Umsatz- und Mietentwicklung im Bestandseinzelhandel einer Stadt besser ab, als kleinere Center, die von vielen Gegnern aber präferiert werden. Der Grund: Große Center ziehen mit ihrem vielfältigen Angebot (Agglomeration) zusätzliche Kaufkraft aus dem Umland an, während kleinere Center unter 15 000 qm „mangels Sogkraft die in der Innenstadt gebundene Nachfrage stärker umverteilen“.

Weiter kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass kleinere Städte stärker von einem  Shopping-Center profitieren als größere Städte, weil dadurch – relativ gesehen – mehr Fläche für innerstädtischen Einzelhandel geschaffen wird und die Zugkraft der City steigt. Auch die Industrie- und Handelskammern seien in einer parallel durchgeführten Befragung zu dem Ergebnis gelangt, dass der bestehende Einzelhandel von einem neuen Center profitieren konnte, berichtet Lademann.

Zusammenfassend  stellt Lademann fest: „Die Steuerung von innerstädtischen Shopping-Center-Ansiedlungen bleibt indes eine komplexe Aufgabe, die Sorgfalt erfordert, damit die Integration in den Bestandseinzelhandel bestmöglich gelingt.“ Die Städte würden mehr für den Bestandseinzelhandel bewirken, wenn sie über ein gut integriertes Center nachdenken würden, statt es zu verhindern oder die Potenziale des Centers durch restriktive Größen- und Stellplatzbeschränkungen zu verschenken. „Neben einer guten fußläufigen Vernetzung mit seinem Umfeld sollten Stellplatzkapazitäten geschaffen werden, die auch Kopplungskäufe mit den umliegenden Einzelhändlern ermöglichen“, rät der Wissenschaftler.