Warenhäuser – Luxus sticht mehr als das Massenangebot

Es werde auch in Zukunft noch einen Warenhaus-Betreiber in Deutschland geben. Darüber sind sich Experten wie Detlev Schauwecker und Klaus P. Rättig von der Unternehmensberatung Alix Partners in Düsseldorf einig. Dabei könnten sie sich auch die „Deutsche Warenhaus AG“ vorstellen, die Metro-Chef Eckhard Cordes im Vorfeld der Karstadt-Insolvenz so plakativ ins Feld geführt hat. Ob die einstigen Flaggschiffe tatsächlich eine Zukunft  haben und wie die aussehen könnte, versuchten die Experten während des „Forums Recht und Beratung“, das der  German Council of Shopping-Center (GCSC) in Düsseldorf ausrichtete, zu erläutern.

Dabei zeigt der Zahlenvergleich, wie groß der Aderlass bei den Warenhauskonzernen in den vergangenen 35 Jahren war: 1974, als die Flaggschiffe im Nachkriegsdeutschland ihre Blütezeit erlebten, hatten sie mit ihrem Komplett-Angebot noch einen Marktanteil von 13%, 2005 waren es noch 3,4% und 2010 werden es nach Experten-Schätzung noch 3% sein. Die Fachmärkte mit ihren großen Flächen und dem breiten und tiefen Angebot – so etwa die Heimwerkermärkte oder die Elektrofachmärkte auf der grünen Wiese – haben den Warenhäusern viele Sortimente und damit Marktanteile abgejagt.

Hinzu kommen die Shopping-Center in den Innenstädten. „In Städten mit 50 000 – 100 000 Einwohnern waren die Warenhäuser die Platzhirsche“, erläutert Rättig, der zuvor CFO bei den Karstadt Kompakt Warenhäusern (später Hertie) war. Sobald  ein Shopping-Center eröffnet wurde,  habe sich der Umsatz halbiert. Entsprechend verläuft auch die Umsatzentwicklung der Einkaufszentren – nur in umgekehrter Richtung. Ihr Marktanteil wird sich nach Einschätzung des GCSC bis 2010 auf  9% erhöhen. Mit 4 171 Euro je qm und Jahr liegt die Raumleistung in den Zentren 13% über dem Einzelhandelsdurchschnitt.

Die Entwicklung der Warenhäuser läuft dagegen auch weltweit relativ moderat. Der Umsatz stieg laut Detlev Schauwecker im Zeitraum von 2006 bis 2009 von 372,6 Mrd. Euro auf  rd. 374 Mrd. Euro. In den USA gingen die Erlöse der Branche in diesem Zeitraum um 0,3% zurück, in Europa lagen sie bei plus/minus null.

Allein in China erfreuen sich die Warenhäuser mit ihrem Angebot, das sich positiv vom Landesdurchschnitt abhebt, großer Beliebtheit und konnten ein Wachstum von 4,2% erzielen. Bis 2015 erwarten die Experten von Alix Partners im asiatisch-pazifischen Raum denn auch noch ein Wachstum von 6,6%, für Europa liegen die Schätzungen bei plus 1,2%.

Der Blick auf die Struktur der Warenhäuser zeigt laut Schauwecker, dass ausgerechnet der problematische Bereich Bekleidung und Schuhe mit einem Anteil von über 50% im Sortiment der Flaggschiffe dominierend ist. Weltweit wird die Überproduktion im Modebereich auf etwa 30% geschätzt. Das zeigt den harten Wettbewerb.

Hinzu kommt, dass die Warenhäuser sich im schnelllebigen Mode-Geschäft mit ihrer schwerfälligen Struktur schwer tun gegen die Konkurrenz der Vertikalen, die von der Produktion bis zum Verkauf alles selbst machen. Sie können schneller auf Trends reagieren. Zudem haben sie Probleme die angesagten Mode-Labels wie etwa ZARA oder Mango zu gewinnen. Die bevorzugen die Expansion über ihre Mono-Label-Stores. Auch gehobene Marken wie Hugo Boss meiden die Warenhäuser, wie Schauwecker kritisch anmerkt. Hier dürfte auch das Thema Bedienung eine Rolle spielen. Die Warenhäuser haben bekanntlich eine sehr knappe Personaldecke, was sich nicht mit dem Angebot gehobener Mode-Marken verträgt, die auf guten Service Wert legen. Insofern dürfte es für die Warenhäuser in Zukunft bedenklich werden, wenn der Bekleidungsanteil – wie erwartet – bis 2015 sogar noch auf 58,8% ausgeweitet werden soll.

Beim Vergleich mit der US-Warenhaus-Szene, die im Strukturwandel schon ein Stück weiter ist als Deutschland, kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass sich vor allem die Unternehmen relativ stabil entwickelt haben, die im Luxus-Bereich angesiedelt sind wie Sak’s Fifth Avenue oder Nieman Marcus. Als Hauptgrund für diesen Erfolg nannten die befragten Unternehmen „das Angebot starker Marken“ und den „Service“.

Ähnlich sieht es auch in Deutschland aus, wo  Premium-Häuser wie KaDeWe, Alsterhaus oder Kaufhof Hohe Straße in Köln, gut dastehen, während der Massenmarkt zu kämpfen hat. In diesem Segment hat sich in den USA im Grunde nur Macy’s behaupten können. Das Problem: Aus Sicht der Experten lassen viele Warenhäuser eine klare Produktdifferenzierung vermissen und weisen in keinem der typischen Warenhaus-Sortimente eine explizite Marktführerschaft auf.

Problematisch an dem Vergleich mit der US-Warenhaus-Szene ist laut Shopping-Center-Experte Peter Fuhrmann indessen, dass die Grundvoraussetzungen der US-Szene andere sind. Die meisten Häuser befinden sich demnach in Einkaufszentren und haben ihre Häuser relativ günstig – ohne die vielen gesetzlichen Restriktionen, die es in Deutschland gibt – selbst gebaut. Insofern ist die Situation nicht ganz vergleichbar. Gleichwohl gibt es auch in Europa mit dem britischen Warenhaus-Betreiber Selfridges ein Bespiel für den Erfolg im gehobenen Segment.

Auch wenn die Zukunft derzeit durchwachsen aussieht, so schätzen die Experten doch, dass gerade der demographische Wandel neue Chancen für die Warenhäuser bietet, denn sie stehen vor allem bei älteren Kunden hoch im Kurs.

Auch Insolvenzverwalter Biner Bähr, Partner von White & Case, konzediert den Warenhäusern noch eine Zukunft, auch wenn er Hertie nicht vor der Liquidation bewahren konnte. Doch die Grundvoraussetzungen waren bei Hertie denkbar schlecht. Nachdem die Deutsche Bank den Kredit an den britischen Investor Dawnay, Day für den Kauf der Hertie-Immobilien sogleich weiter verbrieft hatte, stand Bähr einer Gruppe von Eigentümern (gebündelt in der Mercatoria B.V.) gegenüber, die z.T. gar nicht wussten, dass sie Miteigner der Hertie-Immobilien waren.

Unter solchen Bedingungen sei ein Unternehmen nicht restrukturierbar – zumindest wenn der Partner bei der Frage der Miete nicht kooperativ sei, weiß Bähr heute. Lösen ließe sich ein solches Problem nur über eine Enteignung der Immobilieneigentümer. Doch ein solcher Ansatz steht für ihn außer Frage. Gleichwohl bleibt Bähr der schwache Trost, dass der Fall Hertie als warnendes Beispiel für ähnliche Fälle ist. Beispielsweise auch für die Eigner der Karstadt-Immobilien.