Hans Christoph Ries, Finanzjournalist, Investmentanalyst (DVFA

Investitionen in deutsche Wohnimmobilien erfreuen sich bei privaten und institutionellen Anlegern wieder großer Beliebtheit. Hierfür gibt es gute Gründe. Die Zinsen sind (noch) niedrig, die deutsche Wirtschaft hat sich rasch von der Rezession erholt, die Fertigstellungszahlen liegen unterhalb des mittelfristigen Baubedarfs und zahlreiche Anleger suchen aus Sorge vor höheren Inflationsraten Schutz in Sachwerten. Insbesondere Innenstadtlagen in wenigen Ballungsräumen sind bei Investoren en vogue, die Risiken vermeiden wollen. Dies sorgt dort für Preissteigerungen. Tatsächlich sind jedoch nach Analysen von DB Research in vielen Städten auch die Mieten in den peripheren Lagen zum Teil deutlich gestiegen. Hieraus leitet sich als Quintessenz ab, dass es Investitionschancen nicht nur in den wenigen Toplagen gibt. Denn: Unter Renditeaspekten sind Toplagen nicht per se die nicht vermehrbaren Objekte in der Innenstadt. Die geringen Risiken werden dort häufig mit sehr hohen Vervielfältigern erkauft. Natürlich ist auch der Umkehrschluss, man solle immer in die peripheren Lagen investieren, falsch; vielmehr komme es auf die jeweiligen spezifischen Angebots- und Nachfragekonstellationen in einer Stadt an.

Nach Aussage der Analysten Tobias Just und Ulrich Clemens suchen sehr viele Wohnungsmarktinvestoren nur „Topobjekte“ in den innerstädtischen „Toplagen“ in ausgewählten „Topstädten“. Dies sorge auf den eng abgegrenzten Märkten für spürbar steigende Preise und werfe umgehend die Frage auf, ob diese Fokussierung gerechtfertigt sei. Letztlich sollten die aktuellen Preise die diskontierten Mietpotenziale der Zukunft abbilden. Unterstelle man, dass Leerstandsrisiken und v.a. Solvenzrisiken auf Seiten der Mieter besonders gering in den teuren Lagen seien, sei es gerechtfertigt, dass die Mietrendite für teure Objekte geringer ausfalle als für einfachere. Tatsächlich falle die Mietrendite für teure Bestandswohnungen in A-Städten aktuell um fast 150 Basispunkte geringer aus als die Mietrendite für Objekte in einfachen Lagen – und diese Renditedifferenz hat sich in den letzten zehn Jahren um rd. 50 Basispunkte erhöht; in einigen Städten sogar recht sprunghaft in den letzten zwei Jahren. Für Bestandswohnungen in B-Städten ist die Entwicklung laut DB Research sogar noch bemerkenswerter: In den letzten zehn Jahren wuchs die Renditedifferenz zwischen teuren und einfachen Lagen um 150 Basispunkte auf aktuell rd. 200 Basispunkte – in Einzelfällen sogar auf fast 500 Basispunkte. Allein in den letzten zwei Jahren nahm die Renditedifferenz in den B-Städten um fast einen halben Prozentpunkt zu. Hier gab es offensichtlich eine sehr deutliche Fokussierung auf das hochwertige Wohnsegment. Für einfache Nebenlagen werden also heute deutlich höhere Risikoprämien verlangt als vor zehn Jahren.

Die Autoren warnen vor vorschnellen Schlussfolgerungen aus der Entwicklung von Mietrenditen, denn steigende Mietrenditen können dann entstehen, wenn die Mieten schneller steigen als die Preise oder wenn die Preise stärker sinken als die Mieten. Beim Blick auf Renditedifferenzen, sind ihrer Meinung nach grundsätzlich vier Fälle für steigende Renditedifferenzen in einer Stadt möglich, denn natürlich müssen sich Mieten und Preise in den Teilmärkten nicht gleichgerichtet entwickeln. Für Anleger könnten insbesondere jene Märkte attraktiv sein, in denen die Mieten für einfache Lagen zuletzt stärker gestiegen sind als die Mieten für Objekte in teuren Lagen, denn dann würde der Anstieg der Renditendifferenzen implizieren, dass die stärkeren Preissteigerungen in erster Linie ein spekulatives Element hätten. Solche Märkte sind z. B. München, Dresden oder Leipzig, wo die Differenz der Mietsteigerungen in den letzten fünf Jahren bei 14, 11, und 6 Prozentpunkten lag. Hier rechnen die Käufer offenbar mit einer Trendwende. Und auch in jenen Märkten mit einer besonders hohen Renditedifferenz und gleichzeitig Mietzuwächsen in einfachen Lagen, die nicht unbedingt höher sein müssen als für 1a-Lagen, dürfte es Investitionschancen jenseits der wenigen innerstädtischen Hochpreislagen geben, da auch hier zumindest in der Vergangenheit eine übermäßige Fokussierung auf hochwertige Lagen stattgefunden hat. Dies gilt z. B. für Essen, Köln und Hamburg.

Abschließend erinnern Just und Clemens, dass diese selektive Erweiterung des Anlagespektrums auf keinen Fall so missverstanden werden sollte, dass nun für alle Städte die Nebenlagen auch immer die besseren Perspektiven bieten würden. Es gibt eben auch Städte wie Bonn, Duisburg oder Münster, wo die Mieten in den gehobenen Wohnlagen zuletzt stiegen, in den einfachen jedoch weitgehend konstant blieben. Dies führte zwischen 2005 und 2010 zu Wachstumsdifferenzen von rund 17% in Bonn, 10% in Duisburg und 5% in Münster. Dort ist der Anstieg der Renditedifferenz tatsächlich der Spiegel der relativen Nachfragedynamik.