Anlegerschutz durch Regulierung geschlossener Fonds? – Auch für den Bundesfinanzminister gilt: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Der BMF plant ausweislich einer Presseerklärung einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes und zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Die Finanzkrise sollte hierfür freilich nicht der Anlass sein; denn sie wurde nicht durch deutsche geschlossene Fonds ausgelöst, sondern durch Produkte des streng geregelten us-amerikanischen Kapitalmarktes. Die weltweite Emission verbriefter, weithin wertloser Hypothekenkreditforderungen gegen bonitätsschwache Einfamilienhauseigentümer, die mittels fehlerhafter Ratings der drei großen Ratingagenturen erst marktgängig gemacht wurden, hat die Krise u.a. auch nach Deutschland gebracht. Die dabei zu Tage getretene Naivität der Manager der die Papiere erwerbenden Banken wie z.B. der IKB und mehrerer deutscher Landesbanken, unterstützt durch fehlerhaftes Verhalten der Verwaltungsräte – zusammengesetzt aus Sparkassen und hohen Funktionären aus Landes- und Kommunalpolitik – ändert nichts an der Tatsache, dass sich wieder einmal gezeigt hat: Die strengste Regulierung kann unseriöse Machenschaften leider nicht verhindern.

Ich wende mich nicht dagegen, dass man in Deutschland Kapitalmarktprodukte wie geschlossene Fonds reguliert. Nur geht die Regulierung mit dem Ziel, den Anlegerschutz zu stärken, bei geschlossenen Fonds in eine völlig falsche Richtung. Geschlossene Fonds wurden bisher zwar nicht durch den Gesetzgeber, dafür aber durch die Rechtsprechung völlig überreguliert. Die Emission der Anteile eines geschlossenen Fonds erfordert die Herausgabe eines Prospekts, der wesentlich ausführlicher ist als jeder Börsenprospekt. Bei welchem Kapitalmarktprodukt außer bei einem geschlossenen Fonds, weiß der Anleger präzise, wohin sein Geld investiert wird, wie hoch die erwartete Rendite ist und in welcher Form der Exit stattfinden soll?

Was wir also brauchen, ist nicht eine Verschärfung der Anforderungen an Prospekte geschlossener Fonds, sondern deren Gleichstellung mit Prospekten für Finanzprodukte des geregelten Kapitalmarktes. Heute können z.B. Aktien, Optionen, Futures und Derivate mit einem kleinen Protokoll am Schalter verkauft werden. Beim Vertrieb eines geschlossenen Fondsanteils hingegen genügt nach der Rechtsprechung sogar ein über hundertseitiger Prospekt oftmals zur „wahren und vollständigen, anlage- und anlegergerechten Aufklärung“ nicht. Der BMF täte gut daran, die hunderte von Urteilen zur Haftung von Initiatoren, Beratern und Vermittlern im Bereich geschlossener Fonds zu analysieren, um festzustellen, dass eine Verschärfung der Anforderungen kontraproduktiv wäre. Schon heute sind die Prospekte in diesem Segment nämlich viel zu umfänglich. Statt ihren primären Zweck zu erfüllen, die Anleger über die Chancen und Risiken aufzuklären, wurden sie – von Rechtsprechung erzwungen – zu Enthaftungsinstrumenten der Anbieterseite. Kein Anleger und kaum ein Berater oder Vermittler kann heute noch einen Prospekt eines geschlossenen Fonds zur Gänze lesen und die meisten verstünden ihn auch gar nicht. Dem Anleger nützt er wegen des „Overkills“ an Informationen nicht mehr viel. Für den Anleger sind im Wesentlichen nur fünf Punkte wichtig: (1.) Wohin wird investiert (Asset-Allokation)? (2.) Wem wird das Geld anvertraut (Management-Qualität)? (3.) Womit werden die Erträge erzielt? (4.) Wo liegen die Risiken? (5.) Wie stellt sich der Exit dar?

Anstatt sich auf diese Punkte zu konzentrieren, müssen sich Prospekte gegenwärtig in seitenlangen pauschalen Risikohinweisen ergehen. Sie müssen sogar bei sicheren Anlageprodukten, die ausschließlich mit Eigenkapital in werthaltige Assets investieren (sog. Real Equity Investments, hierzu Loritz, Zeitschrift für immobilienwirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 14 vom 29.1.2010, S. 2 ff.) den Hinweis auf den möglichen Totalverlust enthalten, der realistischerweise nicht eintreten kann. Das ist gerade so, als müsste jeder Arzt bei noch so harmlosen Behandlungen seinen Patienten den Hinweis geben: Schlimmstenfalls können Sie sterben!

Wir brauchen also eine Regelung, die für alle Prospekte einheitliche Maßstäbe aufstellt und sie auf eine klare, knappe und verständliche Aufklärung zu den wesentlichen Punkten beschränkt. Eine Illusion wäre es zu glauben, die BaFin könnte die Prospekte, wie es in der Presseerklärung des BMF heißt, nicht nur auf Vollständigkeit, sondern auch auf „Kohärenz“ prüfen. Wie soll eine Prüfung auch nur auf die gröbste Plausibilität personell zu bewältigen sein? Und was nützt sie dem Anleger in der Realität? Je mehr Prüfungen stattfinden, umso sicherer fühlen sich unerfahrene Anleger, zu Unrecht. Wenn eine Kohärenzprüfung stattfindet, dann muss die BaFin und damit die BRD für Fehler unbegrenzt haften. Der Staat handelt unehrlich, wenn er den Privaten immer höhere Haftungsrisiken und Kosten aufbürdet und sich selbst von der Haftung freizeichnet.

Dürften künftig nur noch Finanzdienstleistungsinstitute geschlossene Fondsanteile vermitteln – was nach der Presseerklärung keinesfalls zwingend ist – so würde dies für einen erheblichen Teil der selbständigen kleinen und mittelgroßen Berater das wirtschaftliche „Aus“ bedeuten. In der Versicherungswirtschaft haben wir infolge der Überregulierung im Jahr 2008 Vergleichbares erlebt. Von den vormals ca. 550.000 Vermittlern existiert heute noch ca. 1/3. Nach meinen Erkenntnissen sind es gerade kleine und mittlere, von Banken, Initiatoren und großen Vertriebsorganisationen unabhängige Vertriebe, die ausschließlich im Interesse des Kunden für diesen die solidesten und besten Fondsprodukte auswählen. Sie müssen sich – anders als viele Berater am Bankschalter – keinem Druck aus höheren Etagen mit ihren Vorgaben beugen, die da lauten, dass bestimmte Produkte an die Kunden zu verkaufen sind. Wir brauchen einen Qualitätswettbewerb unter den Vertrieben und Beratern. Der Status als Finanzinstitut dient diesem Ziel nicht. Solche können bekanntlich Angestellte ohne Rücksicht auf die Qualifikation auf die Kunden loslassen.

Insgesamt ist nichts einzuwenden, wenn geschlossene Fonds zu gesetzlich geregelten Produkten werden. Doch die Presseerklärung hat viel Irritation und Unklarheit gebracht. Dass ausgerechnet in einer CDU geführten Regierung so wenig Verständnis für die Sensibilitäten des Kapitalmarkts herrscht, ist für enttäuschend. Aber noch ist nichts verloren.