Aurelis Real Estate in Gelsenkirchen und Duisburg

Ein neues Wohnbauprojekt in verwildertem Gelände in Gelsenkirchen wirft Fragen auf. Welche Unternehmenspolitik steht dahinter?

Zehn Jahre alt ist der Bebauungsplan und längst rechtskräftig, aber nichts war passiert. Damals, noch mit dem Wind der IBA Emscherpark im Rücken, plante die Stadt Gelsenkirchen eine „Klimaschutzsiedlung“ auf brachliegenden – und inzwischen vollständig überwachsenen – Sportplätzen, ein weiterer Innovationsschub für die selbsternannte „Solarstadt“. Eigentümerin des Geländes war aber nicht die Stadt, sondern E.ON aus dem Erbe der Zeche Alma im Stadtteil Bulmke. Bei der Gründung der Zeche 1855 hielt die französischen Société des mines et fonderies du Rhin Détillieux et. Cie. die Mehrheit der Abbaurechte. Später ging sie in der Gelsenkirchener Bergwerks AG auf. Bis in die 1970er Jahre wurde hier Kohle gefördert. Nach Schließung wurden die obertägigen Anlagen abgebrochen, was blieb sind Teile der Wohnsiedlungen zwischen Almastraße und Bergmannstraße. Einen östlichen und einen westlichen Bereich teilt ein Freigelände mit den Sportplätzen und Grabeland für die Bergarbeiterfamilien. Hier soll die Nachverdichtung mit Wohnungsbau erfolgen.

Der Anstoß zum Neubeginn kam von einem der Flächeneigner, denn neben Grundstücken von E.ON hat Aurelis auch Flächen aus dem Besitz der Deutschen Annington und der Stadt Gelsenkirchen – hier betroffen nur 1.700 qm – übernommen, zusammen rund 77.000 qm. Davon konnten rund 15.000 qm gleich weiter gereicht werden an die Dornieden-Gruppe aus Mönchengladbach und ihre Vista Reihenhaus GmbH & Co KG. Mit dem Bauträger Vista hat Aurelis bereits mehrfach gute Erfahrungen gemacht, so für das Projektgebiet „Bergisches Plateau“ in Wuppertal-Wichlinghausen und in Gelsenkirchen selbst „Am Stadtgarten“. In beiden Fällen profitierte die Standortentwicklung mit Strahlkraft über das betreffende Quartier hinaus spürbar. Für Reihenhäuser wäre ein Verzicht auf den Geschosswohnungsbau auf Mietbasis, den der B-Plan an der Almastraße u.a. vorsah, erforderlich, denn für den Neubau von Mietwohnungen klaffen die realisierbaren Mieten und die Aufwendungen für Erschließungs- und Baukosten hier zu weit auseinander. Der aktuelle LEG-Wohnungsmarktbericht (vgl. DIB Ruhr Nr. 64) weist für das betreffende Postleitzahlgebiet 45886 Miethöhen zwischen 3,50 und 6,20  Euro/qm aus, zu wenig, um neu zu bauen. Andererseits beträgt die Eigentumsquote in Gelsenkirchen – bedingt durch die Historie der Arbeitersiedlungen – nur ca. 22 % gegenüber 40 % im Landesdurchschnitt NRW. Wohneigentum in guter energetischer und barrierearmer Qualität, d.h. nutzbar für Jung und Alt, findet daher einen Markt, das hat das Gebiet „Am Stadtgarten“ gezeigt, das in einem Bruchteil der prognostizierten Zeit abverkauft war. Interessenten auf der Warteliste könnten sich jetzt für „Alma“ erwärmen, ruhig und grün gelegen und nur wenige Minuten vom Bahnhof und der City entfernt.

 

Während „Am Stadtgarten“ eigene Restflächen aus vergangener Bahnnutzung zur Verfügung standen, wurden Aurelis die Flächen an der Almastraße zum Kauf angeboten, weil man wohl auf die Kompetenz des Projektentwicklers vertraute in Abwägung der Faktoren Zeit und Kosten. Überall da, wo Kapital gebunden sei, spiele der Faktor Zeit eine wichtige Rolle, erläutert Olaf Geist, Regionalleiter West der Aurelis Real Estate. „Wir berechnen Wirtschaftlichkeit folgendermaßen: Wir gehen von den am Standort realisierbaren Mietpreisen und den davon abgeleiteten Verkaufspreisen aus und rechnen die Kosten für Bodenaufbereitung, Artenschutz- und Abbrucharbeiten, für Aktivitäten rund um das Bebauungsplanverfahren (Gutachten, Wettbewerbe etc.), für die Erschließung, für öffentliches Grün und für soziale Infrastruktur ein. Dabei werden die jährlichen Cashflows über die Projektlaufzeit risikoadäquat abgezinst. Je weiter wir das Grundstück bzw. das Quartier entwickeln, umso höher ist die absolute Wertschöpfung, umso länger ist aber auch die Kapitalbindung. Auch dies muss ins Verhältnis zueinander gestellt werden. Wir versuchen, im Entwicklungsprozess möglichst über die gesamte Projektlaufzeit positive Cashflows zu erzielen. Dies ist bspw. möglich, indem wir mit Teilverkäufen von noch nicht endentwickelten Flächen frühzeitig erste Erlöse generieren, und damit weitere Investitionen finanzieren.“

 

Ungleich umfangreicher als für das neue Projekt in Gelsenkirchen waren die Vorleistungen für die „Duisburger Freiheit“ südlich des Hauptbahnhofes entlang der Autobahn A 59. Das von Aurelis geplante öffentliche Parkhaus wurde jetzt zurückgestellt, so lange noch im Umfeld kostenfreies Parken möglich ist.  Dagegen könnte der Hochbau von anderer Seite Dynamik erhalten, denn gemeinsam mit der Stadt Duisburg schickte Aurelis das Quartier 1 ins Rennen um den neuen Standort einer Sparkassenakademie NRW mit den unbestreitbaren Vorteilen der Anbindung an Schiene und Autobahn und vorhandenes Baurecht, sodass der Baubeginn zeitnah erfolgen könnte. Auch wenn es hier um Hochbau gehen würde, bleibe, so betont Olaf Geist, die Kernkompetenz von Aurelis „die Aufwertung von Value Add-Immobilien – unabhängig davon, ob es sich um eine zu entwickelnde Fläche handelt oder um ein unzureichend vermietetes Gewerbeobjekt. Auf dem Weg dorthin haben wir die Möglichkeit der Wertschöpfung durch Landentwicklung, durch Sanierung und Vermietung – also aktives Asset Management – oder durch Neubau. Hier sind wir flexibel. Wir tun das, was dem Standort, der Marktsituation und der Nachfrage angemessen ist.“ An der Almastraße würde eine Nachverdichtung in Neubaustandard dem Bemühen der Stadt Gelsenkirchen entgegen kommen, die Achse entlang der Bahntrasse vom Wissenschaftspark und dem im Bau befindlichen neuen Justizzentrum bis zum „Industriepark Schalker Verein“ attraktiver zu machen und zu stärken.