„BMF lässt Offene Fonds sterben“

Werner Rohmert, André Eberhard

Das zumindest könnte die Schlagzeile sein, wenn im Februar 2011 der Bundesrat über den Gesetzentwurf des Herrn Schäuble abgestimmt hat. Eines vorweg, wir wollen keine Panik schüren. Am Montag gab es einen ersten Diskussionsentwurf zum Thema „Grauer Kapitalmarkt“. Offiziell heißt es: „Diskussionsentwurf – Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts“. Schon im zweiten Absatz verweist das BMF auf den „Grauen Kapitalmarkt“ und „unseriöse Produktanbieter und Produktvertreiber“. So werden die Vorurteile offensichtlich, die zu Vätern des Entwurfs wurden. Die erwartete Regulierung Geschlossener Fonds ist keine Überraschung. Völlig verblüfft wurden die Offenen Immobilienfonds jedoch durch die Pressenotiz vom 3. März, die ankündigte, das Produkt „Offener Immobilienfonds“ in den Grundfesten zu verändern. Jetzt legt das Ministerium nach und fällt im Regulierungserfolgsdruck in den eigentlich Krisen verursachenden Fehler, die eigenen intellektuellen Grenzen immer weiter über das Potential hinauszuschieben.

Kurzer Exkurs zu Geschlossenen Fonds: Die Geschlossenen Immobilienfonds kamen im Erwartungsrahmen eher harmlos davon. Die Sprachregelung ist wieder schmerzhaft. „Auch im Zuge der Finanzkrise haben viele Anleger in diesem Marktsegment Verluste erlitten.“ Viele Aktionäre aber auch. Viele Verlage auch. Sie werden jetzt “Finanzinstrumente im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes“. Das soll dann Prospektierung und Anlageberatung verbessern. Es wird klar, dass noch keiner der Behörden- und Politmatadore je einen Prospekt in der Hand gehabt hat. Unser Kollege von „Der Fondsbrief“ spricht heute noch einmal mit VGF-GF Eric Romba. Mal schauen, ob da mehr bei heraus kommt als die üblichen Wortschwämme, dass hier noch Einfluss genommen werde, dass noch nichts entschieden sei und dass man sicher sei, noch gehört zu werden. Aber wie wir regelmäßig betonen, ist es dem Verband nicht gelungen, herüberzubringen, dass der Geschlossene (Immobilien-) Fonds das steuerehrlichste, transparenteste und am besten prospektierte Anlageprodukt überhaupt ist. Wir sagen das seit Anfang der Dekade. Zum ersten Mal beim Verband habe ich das im Januar gehört. Nach unseren Erfahrungen wird der Verband sicherlich bei der geplanten Anhörung im BMF befragt werden. Am Rande: der Autor wurde auch schon einmal parallel zum damaligen VGI (heute VGF) als Sachverständiger im Finanzausschuss gehört. Nach kurzer Zeit war klar, dass alles längst verhandelt war. Sicherlich wird der Verband eine Stellungnahme erarbeiten. Vorschläge wären auch eine logische Maßnahme. Und sicherlich wird auf dem VGF Kompetenztag am 15. Juni 2010 in Berlin Regulierung auch Thema sein.

Offenen Fonds – Wie geht es weiter?

Der Entwurf sieht tiefe Einschnitte bei Offenen Fonds vor. Das Krisenszenario vom 3. März wurde Nebenkriegsschauplatz. Der Bewertungsabschlag wird zum Prüfstein. Ansonsten soll die tägliche Verfügbarkeit eingeschränkt werden. Fonds sollen, je nach Kündigungsfrist mehr Kapital vorhalten. Die Bewertung soll auf zweimal jährlich angehoben werden und bei der Ermittlung der Verkehrswerte sollen Fonds zukünftig nur noch 90% des Immobilienvermögens im Anteilspreis ausweisen. Die Anlegerenteignung – schließlich wird hier per Gesetz bestimmt und nicht durch den Markt – soll rückwirkend erfolgen. So ist die Branche gezwungen in den nächsten 5 Jahren 10% Abschlag zu verdauen. Bei realistischer Immobilienmarktbeurteilung  könnte das die Renditen fressen. Wer beteiligt sich dann noch über Kapitalanlagen, über denen ein  solches Damoklesschwert hängt. Das kann eine Spirale in Gang setzen, bei der mangelndes Mittelaufkommen und geringe Käufe Ertragsdruck ausüben und sinkende Immobilienpreise zu Bewertungs- und Vertrauensverlusten führen. Gestern hat KanAm schon den grundinvest  Fonds schließen müssen.

Wir haben uns die Frage, wer hat überhaupt ein Interesse an den Neuregelungen? Wie die Branchen-Statements weiter unten zeigen, niemand – weder institutionelle Investoren noch Anleger oder Initiatoren. Von wem kommt also der skandalöse Vorstoß? Wir haben im Editorial darüber nachgedacht. Als einzige Profiteure sehen wir die Reit-Lobby in Wirtschaft und Behörde.

Der BVI bewahrt aber Ruhe. Die Branche reagiert ganz nach BVI Richtlinie. Erstmal abwarten und schauen was passiert. Der BVI sei mit dem Gesetzgeber im Dialog heißt es. Auch bestehe kein Grund für übereilte Meinungsäußerungen, denn der Gesetzgeber räume der Diskussion genügend Zeit ein.

Allerdings beunruhigt schon, dass von Diskussionsentwurf zu Diskussionsentwurf die Branche immer mehr gegeißelt wird. Solange nicht klar ist, welche Interessen der Gesetzgeber eigentlich vertritt und ihm nicht klar ist, welchen Schaden er damit anrichtet, gibt es keinen Grund dafür die „Füße still zu halten“.

Die weiteren Termine sehen übrigens so aus (nicht offiziell): 31. Mai 2010: Anhörung im BMF; 23. Juni 2010: Kabinettbeschluss; 30. September 2010: 1. Lesung Bundestag; 3. Dezember 2010: 2./3.Lesung Bundestag; Februar 2011: Abschluss Bundesrat.

Mit Blick auf den BVI wird eine Frage evident: Ist es dem seiner Meinung nach mächtigen Verband durch kontinuierliche Ignoranz andersartiger Wahrnehmung mancher ökonomischer Realitäten durch Politik, Presse, Öffentlichkeit, vieler Immobilieninsider und natürlich auch oft durch uns, und mit selbstbewussten Presseauftritten tatsächlich gelungen, das erfolgreiche Instrument des Offenen Immobilienfonds zur Disposition zu stellen. Dafür spricht, dass sich, wie man hört, das Ministerium eher von Fachleuten, also prominenten Anwälten beraten lässt als vom BVI. Übrigens, vor über 5 Jahren, im Januar 2005 (Nr. 77) schrieb ich ausführlich zum Thema: „Offene Fonds auf dem Weg aus der Krise, aber zu welchem Preis? Fragen zum Thema Recht, Moral und Ehrlichkeit“.

Bevor es sich lohnt, über weitere Details überhaupt zu spekulieren, muss der Abschlag von 10% auf das Immobilienvermögen vom Tisch. Über die Fremdfinanzierung des Fonds ist der Anleger meist zwischen 13 und bis zu 20% seines Anlage-Vermögens betroffen. Sofern er auf 5 Jahre verteilt wird, bremst er bei realistischer Marktbetrachtung die Rendite komplett aus.

Überlegen Sie sich einmal den Irrsinn, eine per Gesetz genau geregelte Form der Bewertung per Gesetz ad absurdum zu erklären und festzuschreiben, das auch zukünftig die gesetzliche Vorgehensweise, die seit 50 Jahren den Anleger schützt, pauschal um 10% daneben liegt. Ist jetzt in Boomphasen, in denen die Fonds eher zurückhaltend agierten, ein Aufschlag geplant? Fonds, die möglicherweise tatsächlich ein wenig sportlich waren, können sich zurücklehnen. Wer seriös und durch professionelle Anleger kontrolliert agiert hat, wird pauschal bestraft. Der muss jetzt verkaufen, um seine Performance zu zeigen. Das gilt auch für zukünftige Einkäufe. Bei Erfolg müssen sie verkauft werden. Aus dem Offenen Fonds wird so ein hoch volatiler Handelsfonds nach dem „best out, worst in“ Prinzip. Auch die übrigen Regelungen gehen in die gleiche Richtung. Der wertbildende, stabile Fonds mit jederzeitiger Liquiditätssicherheit für kleine und mittlere Anleger, die übrigens auch das Konzept in der schlimmsten Phase nie beeinträchtigt haben, wird gegen ein aktienähnliches Modell eingetauscht, in die Anleger getrieben werden, die eben nicht in Aktien investieren wollen.

Sicherlich waren wir auch oft in Bewertungsdiskussionen involviert oder haben sie mit unserem damaligen Partner Stefan Loipfinger auch sogar initiiert. Aber immer und auch nach wie vor haben wir nie an Professionalität und Seriosität der Branche und auch ihrer Bewerter oder am Sinn des Offenen Immobilienfonds gezweifelt. Über jetzt mehr als 50 Jahre haben Offene Immobilienfonds ihren Anlegern eine kontinuierliche und im Durchschnitt durchaus wettbewerbsfähige und vor allem sichere und annähernd gleichmäßige Rendite beschert.

Die Anpassung an geänderte Marktbedingungen gehört zur Marktwirtschaft. Aber es dürfte kaum ein Anlageprodukt für das breite Publikum von der Großmutter bis zum Mehrleistenden geben, das so wenig Anpassungen aufweist. Liquiditätsknappheit bei Dachfonds, Plattformen und Liquidität parkenden Institutionellen hatte in Folge der Finanzkrise, mit der die Offenen Fonds aber nicht das Geringste zu tun haben, zu Schließungen geführt. Die Beimischung nicht für langfristige Immobilienanlage gedachter Gelder in Immobilienpublikumsfonds beruhte aber auf der Sammelwut der Fonds und entpuppte sich als Denkfehler, der zu beseitigen ist.

Für den Immobilienmarkt wäre der (vorübergehende) Ausfall der größten Nachfragergruppe eine Herausforderung mit Preiskonsequenzen, die natürlich wieder Einfluss auf Fonds- und Aktienbewertungen hätten. Wieso hört man in dem Gesetzesvorschlag eigentlich nichts über Immobilien-Aktien, die sowohl Kurse als auch Immobilienbewertungen als auch Strategien auf eine Achterbahn geschickt haben?

„Der Immobilienbrief“-Fazit: Während bisher bei uns schmunzelnde Berichtspflicht nach dem Motto, die BVI-Pressepolitik folge mittelalterlichem Vorbild der Kirche im Umgang mit Ketzern und nach unserem Motto „es trifft weder Arme noch Wehrlose“ nachkamen, steht im Moment der Zusammenhalt vorne. Obwohl oft der Eindruck aufkommt, die Matadore merken noch nicht einmal mehr, was sie reden, und Weltpolitik werde wichtigere Geschäftsführungsaufgabe als Immobilienbesuche, überlegen wir heute tatsächlich, Partei zu ergreifen und nicht mehr distanziert abzuwägen. Denn, um das noch mal deutlich zu sagen, wir haben den offenen Immobilienfonds immer für eine seriöse und prrofessionell gemanagte Anlageform, die nachhaltig für die breite Zielgruppe kleinerer Anleger/Sparer geeignet ist und in anderer Ausprägung ein ideales Instrument für institutionelle Anleger in anderem Vertragsrahmen sein kann.

 

Wir haben für Sie aber noch Statements der Branche eingeholt.

 

Statements:

Barbara Knoflach, Vorstandsvorsitzende von SEB Asset Management:

„Das Bundesfinanzministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der zunächst einmal zur Diskussion steht. Nach unserer Einschätzung wird es zu Anpassungen kommen. Genau darin sehen wir jetzt die Chance für einen neuen gesetzlichen Rahmen, der die Wahrscheinlichkeit von Rücknahmeaussetzungen bei Offenen Immobilienfonds deutlich reduzieren wird. Das wäre nicht nur im Interesse der vielen privaten Anleger, die seit Jahren auf die Nachhaltigkeit dieser Assetklasse setzen. Eine Lösung für die Fristentransformation würde auch einen wertvollen Beitrag zur Produktwahrheit und -klarheit von Offenen Immobilienfonds leisten. Was die Diskussion in den nächsten Wochen angeht, sind wir zuversichtlich, unsere Produkte mit angemessenen Maßnahmen sicher und attraktiv zu gestalten.“

 

Dr. Matthias Danne, Mitglied des Vorstands der DekaBank:

„Das jetzt vorliegende Papier des Bundesfinanzministeriums ist ein erster Diskussions- und noch kein Gesetzesentwurf. Dieser dient als Grundlage für Gespräche, die wir in den kommenden Wochen über die Verbände mit dem Bundesfinanzministerium führen werden. Erfahrungsgemäß ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch zu Änderungen des Entwurfs kommen wird.

Der Diskussionsentwurf zielt unter anderem auf eine verbesserte Liquiditätssteuerung in Offenen Immobilienfonds. Dieses Ziel ist bei den Offenen Immobilienfonds des DekaBank-Konzerns bereits seit Jahren erfolgreich umgesetzt. Mehr als 90 Prozent unserer Kunden in den Offenen Immobilienpublikumsfonds sind Privatanleger. Privatanleger haben zu keinem Zeitpunkt einen Liquiditätsengpass oder gar eine Fondsschließung provoziert. Wir vertreten daher nach wie vor den Standpunkt, dass private und institutionelle Gelder auf der Basis einer gesetzlichen Regelung komplett getrennt gemanagt werden müssen. Dies wird im aktuellen Diskussionsentwurf noch nicht ausreichend aufgegriffen. Vielmehr halten wir einige der im Entwurf angedachten Maßnahmen – dazu gehört auch die Einführung eines pauschalen Bewertungsabschlages von 10% auf alle Fondsobjekte –  für nicht sachgerecht und nachteilig für die eigentlich zu schützenden Privatanleger.“

 

Dr. Heinhard Kutscher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH:

„Der am Freitag bekanntgegebene Text zur Neufassung des Investmentgesetzes ist als Diskussionsentwurf zu verstehen, bei dem es nach unserer Einschätzung noch zu Anpassungen kommen wird. Bezüglich der hierin enthaltenen Eckpunkte wird es in den nächsten Wochen intensive Gespräche zwischen BMF und der Branche der Offenen Immobilienfonds geben, an dem auch wir uns aktiv beteiligen werden. 

Anpassungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich der zur Diskussion gestellten Abschläge auf die von Sachverständigen ermittelten Werte der Fondsobjekte und der vorgeschlagenen Einführung von Kündigungsfristen für Privatanleger. Hierin sehen wir kein sachgerechtes Instrumentarium zur Lösung der Problematik.

Ziel einer Gesetzesänderung muss aus unserer Sicht vorrangig sein, im Sinne der Bestandsanleger die Wahrscheinlichkeit einer Rücknahmeaussetzung künftig deutlich zu reduzieren. Hierfür schlagen wir – in Übereinstimmung mit dem BMF – die Einführung von Anfangshaltefristen vor. In der Einführung von Anfangshaltefristen für Neukunden sehen wir ein geeignetes Instrument, um Anleger, die den Offenen Immobilienfonds als Parkstation missbrauchen, aus dem Produkt herauszuhalten und damit stärkere Mittelbewegungen zu vermeiden.  Die im Diskussionsentwurf des BMF darüber hinaus enthaltenen Regelungen zur Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, wie halbjährliche statt börsentäglicher Termine, Kündigungsfristen von bis zu 24 Monaten, schränken hingegen die Flexibilität des Privatanlegers deutlich ein, ohne die Liquiditätssteuerung spürbar zu verbessern. Sie wirkt für den Anleger wie eine gesetzlich verordnete Rücknahmeaussetzung, die der Gesetzgeber eigentlich gerade vermeiden will. Als Alternative zu den diskutierten Kündigungsfristen werden wir erneut unseren Vorschlag zur konsequenten Trennung von institutionellen und Privatanleger in die Diskussion einbringen. Diese geht dem eigentlichen Problem an die Wurzel, ohne das Produkt selbst für den Anleger unattraktiv zu machen.“

 

Bernhard Berg, Vorsitzender der Geschäftsführung der General Deutschland Immobilien:

„Ich kann dieses geplante Vorgehen nicht nachvollziehen. Die Gesetzesvorlage trifft in erster Linie diejenigen, die die Politiker zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge neben der gesetzlichen Alterssicherung ermuntert haben. Viele sogenannte „Kleinanleger“ sparen über die Anlage in offene Immobilienfonds oder den Aufbau einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung, deren Kapital u.a. auch in offenen Immobilienfonds investiert ist. Das Vorhaben wird diese Anleger erneut verunsichern und aus meiner Sicht genau das Gegenteil dessen erzeugen, was gesetzgeberisch erstrebenswert ist.

Für mich ist ein willkürlich festgesetzter Abschlag in Höhe von 10 % nicht erklärlich und hat mit den unterliegenden Assets nichts zu tun. Falls der Gesetzgeber den gutachterlich festgesetzten Verkehrswerten mißtraut, dann mag er sich ggf. mit den Bewertungsrichtlinien befassen, aber pauschale Abschläge zum Nachteil der Anleger halte ich für ungeeignet.“

 

Dr. Tilman Hickl, CEO, UBS Real Estate KAG mbH:

„Der Referentenentwurf enthält einige Elemente, die für uns recht überraschend kommen. Insbesondere die Passagen zu Börsenhandel und den Bewertungsabschlägen. Im Grunde begrüßen wir Mindesthaltedauern, Ankündigungsfristen und einen Börsenhandel; daher haben wir ja auch bereits auf Basis des derzeit gültigen Rechtes Ankündigungsfristen für unsere beiden Fonds eingeführt. Es ist aber genau zu prüfen, ob die gewünschten Ziele auch erreicht werden. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu richten, nicht durch bloße Verunsicherung ausgelöste Rückgaben zu provozieren.“