Bremst Brexit-Gefahr internationale Investitionen in Großbritannien?

 

Widersprüchliche Aussagen aus London

 

Widersprüchliche Aussagen erreichen uns aus London. Die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), die 118.000 Immobilienexperten rund um den Globus repräsentiert, spricht von Stagnation und Brexit-Zurückhaltung. BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) meldet gleichzeitig um 24% gestiegene Investmentumsätze und fast 6% Steigerung in der Vermietung in London. Aus Befürchtung vor einem möglichen Brexit würden viele internationale Unternehmen ihre Investitionen in Großbritannien zurückstellen, sieht die RICS in einer aktuellen Studie.

 

Die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien in Großbritannien stagniere angesichts des näher rückenden Referendums. Auf Grund der Unsicherheit über einen EU-Austritt verschöben internationale Unternehmen ihre Investitionen. Die internationale Nachfrage nach Büro-, Industrie- und Einzelhandelsimmobilien habe stetig nachgelassen, seit das Referendum im zweiten Quartal 2015 bestätigt worden sei. Nur jeder Zwanzigste der befragten Mitglieder berichte von gestiegenem Interesse ausländischer Unternehmen während der letzten drei Monate. Im Q2 2015 sahen noch 36% der Befragten eine positive Entwicklung. Sollte das Land die EU verlassen, hätte dies für 43% der Befragten negative Auswirkungen auf den Gewerbeimmobilienmarkt. Nur 6% sahen positive Perspektiven für den Immobilienmarkt durch einen Brexit. Simon Rubinsohn, Chef-Ökonom der RICS, hat kein Zweifel daran, dass das Interesse ausländischer Investoren an Gewerbeimmobilien in Großbritannien gesunken sei, seit die Volksabstimmung nach der Parlamentswahl im vergangenen Jahr zu einem Unsicherheitsfaktor geworden sei. Insbesondere internationale Handelsketten und Dienstleister sähen einen Attraktivitätsverlust. Rubinsohn gewinnt dem aber auch Positives ab. Denn in  Folge dieser Abkühlung stiegen die Mieten deutlich langsamer. Außerdem herrsche trotz der unsicheren Lage langfristig Zuversicht bei der Wertsteigerung von Immobilien.

 

Der RICS Recherche widerspricht aber das Zahlenwerk einer brandaktuellen Analyse von BNPPRE. Das Investitionsvolumen sei in London im Q1 um 24% auf 3,8 Mrd. Euro gestiegen. Dabei seien 62% auf Investoren aus dem Ausland entfallen. Durch das stetige Wachstum bleibe London äußerst attraktiv. Mit einem Anstieg der Spitzenmieten habe sich der Büromarkt in Zentral-London im ersten Quartal 2016 erfreulich positiv entwickelt. Der Flächenumsatz sei um 5,7% gegenüber Vorjahresvergleich auf insgesamt rund 284 000 qm gestiegen. Während der Banken- und Finanzsektor den Vermietungsmarkt in der City dominiere, zeige sich insbesondere die Medientechnologiebranche für den Flächenumsatz in den Docklands verantwortlich. BNPPRE berichtet außerdem, dass sich die Suche nach hochwertigen Flächen in der Hauptstadt aufgrund eines akuten Angebotsengpasses zunehmend schwierig gestalte.