BVVG rudert zurück

Nun geht Verpachtung vor Verkauf

  Die BVVG rudert zurück und verlängert so ihr Leben bis zum Jahr 2030. War sie doch einst im Jahr 1992 angetreten mit dem den gesetzlichen Auftrag, in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen zu privatisieren. Seit 1996 wirkt die BVVG als Privatisierungsstelle des Bundes, die den Flächenverkauf nach dem modifizierten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) und den zwischen Bund und Ländern abgestimmten Privatisierungsgrundsätzen 2010 durchführt.

      Nun also soll ihre Arbeit „strategisch neu ausgerichtet“ werden, und zwar aufgrund der zwischen Bund und ostdeutschen Bundesländern zum 1. Juli 2015 geänderten Protokollnotizen zu den Privatisierungsgrundsätzen 2010 (PG 2010). Die BVVG führt die Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen bis zum Jahr 2030 fort und damit 5 Jahre länger als bis dahin in den Privatisierungsgrundsätzen festgelegt. Gleichzeitig wurde die bisher festgeschriebene maximale Losgröße bei Ausschreibungen landwirtschaftlicher Flächen von 25 auf 15 ha reduziert. Dazu heißt es aus dem Bundesfinanzministerium (BMF): „Die Verlängerung der Privatisierungstätigkeit der BVVG um 5 Jahre bis Ende 2030 bewirkt, dass insbesondere in Regionen mit einem höheren Anteil an BVVG-Flächen der Verkauf zeitlich gestreckt wird und betroffene Betriebe die Flächen tendenziell länger pachten können. Zudem wird der Erwerbsdruck gemindert.“

 

     Bereits ab 2016 wird die jährliche Verkaufsfläche auf rund 10.000 ha landwirtschaftliche Fläche reduziert. „Mit der Neuausrichtung berücksichtigt die BVVG die agrarstrukturellen Ziele der Länder. Die Änderungen sollen dazu beitragen, den vor Ort wirtschaftenden Landwirtschaftsunternehmen bei tendenziell steigenden Preisen die Möglichkeit zu geben, kleinere Lose über einen längeren Zeitraum zu erwerben“, so die Begründung von Geschäftsführer Stefan Schulz. Dabei gibt es eigentlich noch viel zu tun – Das Unternehmen hat in den fünf ostdeutschen Ländern noch 156 000 ha landwirtschaftliche sowie rund 11.800 ha forstwirtschaftliche Flächen zu privatisieren, davon in

  • Mecklenburg-Vorpommern: 54.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 2.550 ha Wald,
  • Brandenburg: 47.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 3.550 ha Wald,
  • Sachsen-Anhalt: 37.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 1.500 ha Wald,
  • Sachsen: 12.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 1.300 ha Wald und
  • Thüringen 6.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 2.900 ha Wald.

     

    Ergebnisse 2015

     

    Insgesamt hat die BVVG 2015 rund 26 300 ha landwirtschaftliche Flächen, 7.200 ha Wald und rund 1.200 ha Umwidmungsflächen veräußert und rund 492 Mio. Euro an die Gesellschafterin/BMF abgeführt. Im vergangenen Jahr ist der Verkaufspreis um 12 % gestiegen, der Pachtpreis um elf%. Der Verkaufspreis hat auch im zurückliegenden Jahr spürbar zugelegt, er notierte zum Marktwert im Schnitt der neuen Bundesländer bei 19 368 Euro/ha und damit um rund 12% über dem des Vorjahres. Nach Angaben der Geschäftsführer Stefan Schulz und Wolfgang Suhr lagen die durch die BVVG erzielten Preise 2015 um rund 40% unter denen, die im Schnitt in den alten Bundesländer erzielt wurden.

     

    BVVG-Flächen angeblich für Investoren uninteressant

     

    Im Ergebnis von bedingungsfreien Ausschreibungen hat die BVVG im Jahr 2015 rund 8.700 ha landwirtschaftliche Flächen verkauft; rund 8.600 ha wurden verpachtet. Der überwiegende Teil der verkauften Lose ging an ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe. Im Durchschnitt gaben drei Interessenten je Ausschreibungslos ein Gebot ab. Die alternativ zum Verkauf oder zur Verpachtung ausgeschriebenen Lose waren im Schnitt des gesamten Jahres 17 ha groß. Für Kapitalanleger seien die Ausschreibungen der BVVG durch die geringen Losgrößen und die Streulagen der Flurstücke in der Regel uninteressant, erläuterte Schulz. Allerdings nahm die BVVG auch ein gestiegenes Interesse am Kauf von Geschäftsanteilen ostdeutscher Agrarbetriebe durch (mögliche) Finanzinvestoren zur Kenntnis.

     

    Pachtpreis steigt um 11%

     

    Die verpachteten Landwirtschaftsflächen umfassten den BVVG-Angaben zufolge zum 31. Dezember 2015 insgesamt 154.500 ha. Im Durchschnitt aller neuen Bundesländer lag der Pachtpreis im letzten Jahr bei 385 Euro/ha und somit um knapp elf % über dem Vorjahreswert. Die Spanne reichte dabei von durchschnittlich 279 Euro/ha in Brandenburg bis 505 Euro/ha in Sachsen-Anhalt.

     

    Preisdynamik geht weiter – Knappheit der Ressource Boden

     

    Die BVVG-Geschäftsführer gehen nicht davon aus, dass die Preisdynamik am Bodenmarkt in Zukunft abreißen wird. Für das Jahr 2016 erwarten sie bei den BVVG-Verkaufspreisen nach konservativer Rechnung einen Anstieg von 6% und bei den BVVG-Pachtpreisen ein Plus von 5%. Schulz wies darauf hin, dass die Direktzahlungen der EU, das unverändert niedrige Zinsniveau und fehlende Geldanlagealternativen sowie die Knappheit des Produktionsmittels Boden auf absehbare Zeit für fortgesetzt steigende Preise sorgen dürften.

     

    Suhr ergänzte, die Energiewende habe auch dafür gesorgt, dass sich der Ertrag einer Fläche inzwischen nicht nur über deren Ackerfrüchte definiere. Inzwischen könnten beispielsweise mit der Errichtung von Windkraftanlagen zusätzlich hohe Renditen erwirtschaftet werden, was auch bei den Kaufpreisentscheidungen für die Fläche eine wichtige Rolle spiele.

     

    Bodenpreise wecken Besorgnis in den Ländern

     

    Problematisch z.B. sieht der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern Till Backhaus jedoch die Entwicklung der Bodenpreise. Diese sind von rund 2.000 Euro/ha Mitte der 1990er Jahre drastisch auf 17.536 Euro/ha Mitte 2015  angestiegen (in MV). Backhaus zeigt sich besorgt und wirft dem Bund vor „lieber zu privatisieren als Agrarstrukturpolitik zu betreiben“. Dies „war und ist das falsche Signal an den Markt und damit an den Berufsstand vor allem im Lichte des Generationswechsels. Welcher junge Landwirt soll denn das Geld aufbringen, sich als Gesellschafter oder Genosse in ein solches Unternehmen einzukaufen?“ fragt Backhaus.

     

    EuGH mischt sich ein kontra BVVG

     

    Der deutsche Staat muss seine Agrarflächen nicht zu spekulativ überhöhten Preisen verkaufen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte im Juli 2015, dass Behörden in solchen Fällen Verkäufe untersagen können. Ob das Urteil die Preisrallye speziell auf dem ostdeutschen Bodenmarkt bremst, ist jedoch offen. Denn ob der Kaufpreis den Grundstückswert übersteigt, müssen nach dem Urteil die Gerichte im Einzelfall entscheiden.

    Anlass war ein Fall aus Sachsen-Anhalt: Der Landkreis Jerichower Land hatte einen Verkauf durch die BVVG gestoppt. Für 2,5 ha hatte ein Ehepaar 29 000 Euro geboten und den Zuschlag erhalten; bei Ausschreibungen der BVVG gewinnt der Meistbietende. Gutachter bei Gericht bezifferten den Verkehrswert jedoch nur auf knapp die Hälfte.

     

    Der Verkauf an den Meistbietenden führe nicht unbedingt zum Marktwert, entschieden die Luxemburger Richter und widersprachen damit auch der Auffassung der BVVG. Es seien auch andere Methoden denkbar, etwa Gutachten. Das Gericht bestätigte das Vetorecht aus dem deutschen Grundstücksverkehrsgesetz, das Behörden zum Schutz der Bauern nutzen können. Angerufen hatte das europäische Gericht der Bundesgerichtshof (BGH). Er wollte klären lassen, ob der Verkaufsstopp durch den Landkreis eine illegale staatliche Beihilfe sei.

     

    Luxemburg entschied nun, dies sei nicht der Fall, wenn die Regelung zu einem Preis führe, der möglichst nah am Marktwert liege. Einen Rahmen für „möglichst nah“ gab das Gericht aber nicht vor. Ob die Vorgabe im Fall Jerichower Land erreicht werden kann, müsse nun der BGH entscheiden. Bauernvertreter kritisieren immer wieder, die Preispolitik der bundeseigenen BVVG gehe zulasten kleiner Bauern. Vorwiegend Großbetriebe, westliche Agrarindustrielle und Finanzinvestoren kämen zum Zug.