Bislang ist der Markt für gute Anlageimmobilien in den USA noch trocken. Überraschend ist vor allem, wie in der Analyse von Falcon Real Estate auch festgestellt wird (siehe Artikel Seite XX), dass bislang wenig Objekte unter Zwang verkauft werden. Ein Grund dafür ist das US-Verfahren nach „Chapter 11“, das Unternehmen Zeit zu einer Restrukturierung verschafft. Allerdings wird das auch von berufenen deutschen Geistern, die noch im Sinne der früheren deutschen Konkursordnung aufgewachsen sind, immer noch mit „Pleite“ in einen Topf geworfen. Da wir davon ausgehen, dass in USA noch eine Welle von Chapter 11 Verfahren im laufenden Jahr bei Immobilienunternehmen kommt, haben wir die wesentlichen Unterschiede zum deutschen Insolvenzverfahren einmal herausgearbeitet.
Bedenken Sie bitte, dass US-Immobiliengesellschaften auch dann zu Chapter 11 gezwungen sein können, wenn alle Vermietungsplanungen eingetroffen sind und der Cash Flow stimmt. Bei Bestandshaltern und Projektentwicklern führen auch bei plangemäßer Miete und Bedienung des Kapitaldienstes allein schon Bewertungsabschläge zu Eigenkapital-Forderungen der Banken, da LTV-Klauseln (loan to value) verletzt werden. Damit werden aus guten Krediten schon schwierige Kredite mit Neuregelungsbedarf, der dann auch noch den Kreditnehmern weitere Liquidität entzieht (Beispiel IVG-Gurke). Bei Projektentwicklern schlägt gleichfalls die Bewertungsfalle zu, die dadurch verstärkt wird, dass Projektentwicklungen nach Vermietung krisenbedingt zunächst nicht plangemäß verkauft werden können und Projektentwickler zu Bestandshaltern werden. Bei auskömmlichen Mieteinnahmen ist das theoretisch kein Problem, jedoch wird eine Anschlussfinanzierung der auslaufenden Projektfinanzierung benötigt. Und diese gibt es im Moment nicht. Hilfe bietet in dieser Finanzfalle Chapter 11, das eben nicht mit deutscher Insolvenz gleichzusetzen ist.
Die American Chamber of Commerce in Germany e.V. hat die Unterschiede zwischen Chapter 11 und deutscher Insolvenzordnung (InsO) zusammengestellt. Sowohl Chapter 11 als auch die deutsche Insolvenzordnung mit dem Insolvenzplanverfahren ermöglichen grundsätzlich die Sanierung und Reorganisation von Unternehmen. Die wichtigsten Unterschiede liegen aber in Timing/ früherem Verfahrensbeginn, in der Beschränkungen der Gläubigerrechte, in der Möglichkeit zum Debt-Equity-Swap, in Beschränkungen der Eigentümerrechte, in der Sanierung durch das Management, nicht durch Insolvenzverwalter und in verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten im Verfahren. In den USA haben viele Fluggesellschaften, darunter United Airlines und Delta Airlines, erfolgreich ein „Chapter 11″-Verfahren durch¬laufen. Auch der Ölkonzern Texaco und der Nähmaschinenhersteller Singer wurden so erfolgreich saniert. Auch Chrysler hat nach einer Verfahrensdauer von nur wenigen Wochen wieder Perspektiven.
Rechtzeitiger Verfahrensbeginn: Das Chapter 11-Verfahren kann schon frühzeitig in Anspruch genommen werden. Es genügt, wenn das Unternehmen von großen Forderungen, z. B. LTV-Forderungen, bedroht ist, d.h. es muss nicht zahlungsunfähig sein. Bereits dann besteht Schutz vor dem Zugriff der Gläubiger, der dem Management, nicht einem Insolvenzverwalter, eine Restrukturierung ermöglicht, wenn noch echte Sanierungschancen bestehen. Auf Grund der unterschiedlichen Konsequenzen einer „Pleite“ wird in Deutschland regelmäßig erst Insolvenzantrag gestellt, wenn die gesetzliche Pflicht greift. Das ist oft zu spät; denn dann sind alle unternehmerischen Sanierungsmaßnahmen ja schon gescheitert, die in USA unter Gläubigerschutz natürlich mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit durchzuführen sind.
Eigenverwaltung: Obwohl auch das neue deutsche Insolvenzrecht eine Sanierung in Eigenverwaltung kennt, bleibt sie in der Praxis eher die Ausnahme. Im Chapter 11-Verfahren ist die Eigenverwaltung (Debtor in Possession) der Regelfall, von dem nur in spezifischen Ausnahmefällen abgewichen wird. Naturgemäß hat ein Management wenig Interesse, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn es danach nichts mehr zu sagen hat. Außerdem erfolgt eine Fortführung des Betriebes aus der Insolvenz in der Regel im Wege der so genannten übertragenden Sanierung, bei der der alte Rechtsträger als leere Hülle zurück bleibt und schließlich aufhört zu existieren. Alteigentümer und Management sind dann draußen.
Beschränkungen der Gläubigerrechte: Grundsätzlich bedarf in beiden Rechtsordnungen ein Insolvenzplan der Annahme insbesondere durch die Gläubiger. Hier bieten sich aber mit dem sogenannten „Cramdown“, der im Prinzip ähnlich deutschem Recht ist, zusätzlich die Möglichkeit, sich über die Ablehnung einzelner Gläubiger hinwegzusetzen, sofern deren Ablehnung gegen Treu und Glauben verstößt. Wesentliche Transaktionen müssen aber von einem zuständigen Gericht genehmigt werden und die Gläubiger des Unternehmens haben ein Mitspracherecht. Die ordnungsgemäße Umsetzung des Verfahrens unterliegt ferner der Aufsicht eines vom zuständigen Gericht bestellten „U.S. Trustee“, einem Be¬amten des Justizministeriums. Die Dauer eines „Chapter 11″-Verfahrens beträgt in der Regel wenige Monate, kann aber auch nur Tage zum Beispiel bei schneller Einigung mit Banken oder in einzelnen Fällen auch Jahre dauern.
Debt-Equity-Swap: Das deutsche Insolvenzrecht enthält Regelungen, die es den Gläubigern ermöglichen, Anteile an der Gesellschaft für ihre Forderungen zu erhalten. Im Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 hingegen wird die Möglichkeit, Altforderungen gegen Gesellschaftsanteile zu tauschen, in ausdrücklich erwähnt und für diesen Fall außerdem noch Kapitalmarktvorschriften gelockert, um einen unnötigen zeitlichen und finanziellen Verlust zu vermeiden. Darüber hinaus hält das US-Recht auch hinsichtlich eines möglichen Entzugs der Anteile Möglichkeiten bereit. Im deutschen Insolvenzrecht können die Anteile der Eigentümer nicht ohne deren Zustimmung an Gläubiger übertragen werden. Im Chapter 11-Verfahren ist ein Entzug der Anteile der Alteigentümer möglich.
Verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten in der Insolvenz: Im US-Recht bestehen erleichterte Möglichkeiten der Kreditaufnahme während des Verfahren. Kredite können vorrangig gegenüber Altsicherheiten besichert werden.
Wie läuft ein Chapter 11 Verfahren ab? Das Unternehmen beantragt beim zuständigen Gericht die Insolvenz nach „Chapter 11″ und reicht zusammen mit dem Antrag die verfahrenstechnisch vorgeschriebenen Unterlagen wie Bilanzen und ein so genanntes „Disclosure State¬ment“ mit aufklärenden Angaben zur Unternehmenslage und —perspektive ein. Das „Disclosure Statement“ muss vom Gericht genehmigt werden, nachdem es zuvor für das Gläubigerkomitee einen Anhörungstermin abgehalten hat. Nach Antragstellung auf „Chapter 11″ hat das Unternehmen eine Frist von in der Re¬gel 120 Tagen für die Ausarbeitung und Einreichung seines Reorganisationsplans, der u.a. eine Auflistung und Klassifizierung sämtlicher Gläubigerforderungen und Pläne für den Forderungsausgleich enthält. Über den Plan stimmen die Gläubiger ab. Erforderlich ist die Zustimmung von Gläubigern die mindestens 66,6% bzw. 50,1% der Forderun¬gen dem Wert bzw. der zahl nach halten. Bei einem „Prepackaged Deal“ kann das Unternehmen seinen Reorganisationsplan be¬reits bei Antragstellung auf „Chapter 11″ einreichen, sofern es bereits im Vorweg mit seinen Gläubigern Vereinbarungen treffen und den Plan mit der o.g. erforderlichen Mehrheit der Gläubiger abstimmen konnte. Nach Abstimmung des Reorganisationsplans mit den Gläubigern und dessen Bestäti¬gung durch das Gericht wird die Reorganisation gemäß den Bestimmungen des Plans umgesetzt. Gläubiger, die sich zuvor mit dem Unterneh¬men nicht auf einen Forderungsverzicht einigen konnten, können vom Gericht zu einer Eini¬gung gezwungen werden. Die Beendigung des Verfahrens liegt im Ermessen des Gerichts und erfolgt durch Gerichtsentscheidung.