Dagegen! – Schweizer wollen weniger Einwanderer – sinken jetzt die Wohnimmobilienpreise

Die Schweiz sagt Nein! zu mehr Einwanderern. Das ist auch für Europa ein Tiefschlag. Gerade erst öffnen sich die Grenzen nach Osten, da wird die Schweiz zum gallischen Dorf. Wird jetzt aus der Wohnungsknappheit ein Überangebot?

Das Argument der Wohnungsknappheit war ein zentraler Faktor der Befürworter der Initiative in der Schweiz, die am Wochenende gegen mehr Einwanderung votierte. Seit 2006 strömen jährlich 80.000 Menschen ins Alpenland. Gleichzeitig sind die Angebotsmieten seit 2006 real um 19% gestiegen. Allerdings haben sich die Mieten auch vorher bereits um 15% erhöht. Gleichzeitig steigende Realeinkommen erhöhten die Zahlungsbereitschaft für verbesserte Wohnqualität, so Jones Lang LaSalle. Eigentlich eine gesunde Entwicklung, denn das robuste Wirtschaftswachstum wurde auch durch die Zuwanderer mitgetragen. Welchen Einfluss haben die reinen Zuwanderer auf die Immobilienmärkte?

75% der jährlichen Netto-Einwanderer sind für den Einwohneranstieg von 50.000 Personen pro Jahr verantwortlich. Eine starke Reduzierung würde also zunächst auch die Zusatznachfrage nach Wohnungen substanziell beeinflussen. Die Anzahl der Haushalte in der Schweiz erhöht sich aber auch ohne Immigration aufgrund des natürlichen Bevölkerungswachstums und des anhaltenden Trends zu kleineren Haushaltsgrössen. Der kumulative Geburtenüberschuss von sesshaften Schweizern und Ausländern betrug über die Zeitperiode 2003-2012 etwa 145‘000 Menschen gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik. Zudem sank die durchschnittliche Wohnungsbelegung von 2.38 Personen im 1990 über 2.29 Personen im 2000 auf 2.20 Personen im 2011. Ein Rückgang der durchschnittlichen Wohnungsbelegung von 2.29 Personen auf 2.2 Personen bedeutet bei einer Bevölkerung von 8 Millionen Einwohnern einen Anstieg von mehr als 142‘000 Haushalten. Die entspricht, falls auch der durchschnittliche Einwandererhaushalt aus 2.2 Personen besteht, einer Netto-Einwanderung von 315‘000 Personen.

Die Wohnungsproduktion hielt zu Beginn der Personenfreizügigkeit nicht mit der zusätzlichen Nachfrage von 50‘000 Haushalten pro Jahr mit. Wie die Politik hat auch die Bauindustrie anfänglich die Dynamik der Einwanderung unterschätzt. Dazu verzögerten Kapazitätsengpässe die Fertigstellung einiger Objekte. Gemäss Bundesamt für Statistik wurden seit 2007 im Schnitt jährlich etwas mehr als 45‘000 Wohnungseinheiten fertiggestellt. Im Vergleich zur Haushaltsentwicklung entspricht dies einer kumulativen Lücke von ca. 25‘000 Einheiten. Seit 2010 entspricht die Wohnungsproduktion dann wieder ungefähr dem Haushaltswachstum, auch wenn das Neuangebot wahrscheinlich oft nicht an den richtigen Orten (zu viel in der Peripherie) und/oder im richtigen Segment (zu viel im höheren Segment) entsteht.

Die sich angehäufte Lücke von 25‘000 Einheiten entspricht ungefähr der halben heutigen Jahresproduktion an neuen Wohnungen und Einfamilienhäusern von fast 50‘000 Einheiten. Angesichts den momentanen Zahlen zu Baubewilligungen und zu den sich im Bau befindlichen Liegenschaften ist auch in den nächsten beiden Jahren mit einem ähnlichen Neuangebotsvolumen zu rechnen. Das natürliche Bevölkerungswachstum und die Verringerung der Haushaltsgrössen absorbieren davon etwa 10‘000-15‘000 Einheiten. Somit bleiben noch 30‘000-35‘000 Einheiten übrig für die Nachfrage durch neue Netto-Immigration oder für die Schliessung der entstandenen Lücke.

Einzuschätzen, wie sich die Einwanderung in den nächsten Jahren entwickelt, ist keine leichte Aufgabe. Die Annahme der Initiative hat die Unsicherheit zusätzlich erhöht. Neben dem Worst Case-Szenario der Kündigung aller Bilateralen Verträge durch die EU ist auch Vieles hinsichtlich der Umsetzung der Initiative unklar. Z.B., wie und von wem wird genau die Höhe der Kontingente bestimmt? Nehmen wir mal einfachheitshalber an, dass sich die Netto-Einwanderung über die nächsten drei Jahren wieder linear auf das vor-Freizügigkeitsniveau von 50‘000 Personen bzw. 23‘000 Haushalten reduzieren wird. Dies würde die Netto-Einwanderung im 2014 auf ca. 70’000 Personen ( ca. 32‘000 Haushalte) und im 2015 auf 60‘000 Personen (ca. 27‘000 Haushalte) vermindern. Insgesamt würden dadurch die Anzahl Haushalte im 2014 „nur“ noch zwischen 41‘000-46‘000 Einheiten und im 2015 zwischen 37’000-42‘000 Einheiten ansteigen, was deutlich unterhalb der erwarteten Wohnungsproduktion in diesen Jahren liegt. Das heisst, die angehäufte Produktionslücke könnte sich bald wieder schliessen, und der Mietdruck wird dadurch nachlassen, wie es sich die Initiativbefürworter erhofften.

Wir denken allerdings, dass der Mietdruck aufgrund der Angebotsausweitung auch ohne Annahme der Initiative allmählich verschwunden wäre. Die laufende Angebotslücke hat sich wie oben diskutiert bereits in den letzten drei Jahren geschlossen. Es besteht nun vielmehr die Gefahr, dass wir am Wohnimmobilienmarkt durch eine zu restriktive Immigrationspolitik in eine Situation des schädlichen Überangebots schlittern. Wie die 70er Jahre und die 90er Jahre uns schmerzlich gezeigt haben, kann der Immobilienmarkt bei einem deutlichen Rückgang der Nachfrageseite auch rasch in einen Zustand fallen, in dem die Mieten mehr als erhofft unter Druck kommen und die Bewertungen der Immobilien dementsprechend sinken. Dies trifft alle Arten von Investoren, von Privatpersonen bis zu unseren Pensionskassen, welche einen grösseren Anteil ihrer Vermögenswerte in Schweizer Immobilien halten. In einer ersten Phase werden wohl insbesondere Objekte an peripheren Lagen mit Vermietungsschwierigkeiten zu kämpfen haben, doch eine solche Krise wird kaum isoliert bleiben. Wir erachten es daher nicht nur aus gesamtwirtschaftlicher Sicht als notwendig, dass die Umsetzung der Initiative mit Vor- und Weitsicht angegangen wird. Ein zu starker, abrupter Rückgang des Zustroms qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte sollte verhindert werden.