Das Investitionsgut Immobilie – zurück in die Zukunft?

 

Oliver Porr, Geschäftsführer LHI Leasing GmbH, München

Erinnern Sie sich noch? Bis vor wenigen Jahren war die Immobilienwelt in Deutschland zwar vermeintlich langweilig, aber gut strukturiert und in Ordnung. Eine Büroimmobilie schien eines der kalkulierbarsten Assets zu sein, über Nutzungsdauern von geschätzten 60 Jahren mit zwei bis drei Revitalisierungszyklen ließen sich an vernünftigen Standorten Bau- und Renovierungskosten über realistische Marktmieten auskömmlich wieder einspielen. Doch die Welt ändert sich, und Stillstand bedeutet in einer dynamischen Umgebung Rückschritt. Und seit auch internationale Investoren den deutschen Immobilienmarkt entdeckt haben, ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Auch mit der Gemütlichkeit in deutschen Büros: Während deutsche Mitarbeiter durchschnittlich 37,2 qm inklusive Verkehrsflächen zur Verfügung haben, müssen ihre Kollegen in London mit 18,3 qm auskommen – Marktbeobachter rechnen auch hierzulande mit einer langfristigen Anpassung nach unten.

Die demographische Entwicklung tut ein Übriges, um das Paradigma ständigen Wachstums ins Wanken zu bringen. Eine Studie der DG HYP hat ermittelt, dass sich gerade an den deutschen Top-Standorten Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München die Leerstandsquote von Büro- und Handelsimmobilien zwischen 1999 und 2009 von 4,7% auf 9,8% mehr als verdoppelt hat, während sie in regionalen Immobilienzentren aus der zweiten Reihe im selben Zeitraum nur von 6,1% auf 7,6% angestiegen ist.

Speziell an Objekten aus den 60er und 70er Jahren wird schmerzhaft deutlich, dass nicht 60, sondern eher 40 Jahre die adäquate Grenze der problemlosen Nutzungsfähigkeit einer Büroimmobilie markieren. Was damals moderne städtebauliche Akzente setzte, wird heute oftmals als „Bausünde“ abqualifiziert und stellt hohe Anforderungen an Umfang und Intensität der Revitalisierungsmaßnahmen, um aktuellen Bedürfnissen zu genügen. Nach 30 Jahren muss in der Regel die Gebäudetechnik von Grund auf erneuert werden, um heutigen energetischen Richtgrößen zu entsprechen. „Green Building“ wird zusehends zum Standard, dessen Einhaltung notwendige Bedingung für eine gute Verwertbarkeit von Immobilien ist. Daran hat sich die Architektur auszurichten, zentrale Kenngröße für die Energieeffizienz ist hierbei der Energieverbrauch pro Arbeitsplatz.

Ebenso anpassungsbedürftig sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grundrisse und Geschoßaufteilungen. Objekte mit einer Tiefe von unter zwölf Metern erlauben nahezu ausschließlich die Nutzung als Einzelbüros entlang eines schmalen Flurs, Gebäudetiefen über 22 Metern erschweren mit ihrer großen, fensterlosen Innenzone eine multifunktionale Gestaltung. Mit etwas Glück können Top-Innenstadtlagen auch ohne Grundsanierung zu Arztpraxen oder Anwaltskanzleien umgewidmet werden. Viele Objekte gerade aus den 70er Jahren wurden aber in sogenannten Büroparks an der Peripherie errichtet, die der gestiegenen Attraktivität der Innenstädte wenig entgegenzusetzen haben.

Angesichts des tendenziell stagnierenden Flächenbedarfs und der steigenden Anforderungen an die Energie- und Flächeneffizienz in den nächsten Jahrzehnten ist über bisherige Verhaltensmuster vertieft nachzudenken. Konkret geht es darum, sich unvoreingenommen und ohne Scheuklappen mit der Wirtschaftlichkeit einer Revitalisierung eines älteren Objekte auseinanderzusetzen. Wenn sinkende Nachfrage auf ein wenig zeitgemäßes Flächenangebot in zweitklassiger Lage trifft, ist nicht mehr jede Revitalisierung wirtschaftlich vertretbar. Häufig kann nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand der gewünschte Status erreicht werden, und dennoch erlaubt die realistische Restnutzungsdauer keine vollständige Amortisation des Revitalisierungsaufwands. Top-Innenstadtlagen lassen in diesem Fall einen Abriss mit anschließendem Neubau ratsam erscheinen; bei entsprechender Absorptionsfähigkeit des lokalen Marktes ist diese Alternative von einigem Charme. Sind die Voraussetzungen für eine zukünftig rentable Vermietung allerdings nicht gegeben, muss auch über einen Abriss ohne Neubau und eine ggf. anderweitige Nutzung des Grundstücks nachgedacht werden. Investitionen in Immobilien, für die keine nachhaltige Nachfrage zu erwarten ist, werden leicht zum Fass ohne Boden. Nachhaltiges verantwortungsbewusstes Immobilienmanagement sollte deshalb grundsätzlich den gesamten Lebenszyklus eines Objektes umfassen – von Planung und Neubau über Vermietung und Revitalisierung bis hin zum ökonomisch motivierten Abriss einer nicht mehr zeitgemäßen Immobilie.