Digitalisierung – eine Aufgabe für heute, nicht erst für die Zukunft

„Wenn das schief geht, werden wir nur die negativen Seiten der Digitalisierung erleben,“ so mahnte Erkki Ormala auf einer Podiumsdiskussion der Immobilienmesse Expo Real, zu der der Verband der Wohnungswirtschaft GdW und das Europäische Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft EBZ eingeladen hatten. Thema: „Intelligent Urbanisation: Digitale Wohnstrategien für Europa gemeinsam vorantreiben“. Ormala weiß wovon er spricht, als ehemaliger CEO von Nokia, Digitaleurope und des finnischen Forschungszentrums VTT berät er die Europäische Kommission und lehrt an der finnischen Universität Oulu. Finnland ist, was digitale Infrastruktur und aktive Start-up-Netzwerke angeht, den Deutschen weit voraus, strebt aber eine Kooperation mit Deutschland an und bewirbt sich bei der EU derzeit um eine Breitbandverbindung zwischen Frankfurt und Helsinki mit der zehnfachen Kapazität gegenüber dem heutigen Standard. Was sich da als „Initiative 2020“ anbahnt, könne nicht groß genug gedacht werden und habe das Potential, die europäische Rolle gegenüber den amerikanischen Marktführern auf den Weltmärkten zu stärken. Gleichzeitig mit der Infrastruktur müsse die digitale Agenda diskutiert werden. Was sie enthalte, müsse sich anders als bisher aus den Bedürfnissen speisen und nicht daraus, welche Dienste die marktbeherrschenden Unternehmen anbieten, mahnte Axel Gedaschko, Präsident des GdW und Klaus Leuchtmann, CEO der EBZ, stellte die konkreten Frage, was eigentlich digitale Bildung und was digitale Immobilienwirtschaft bedeute. „Wir sammeln Daten, aber was dann?“ Und Viktor Grinewitschus, Professor für Energiemanagement an der EBZ ergänzte, dass im Gebäudebereich immer noch nach Gewerken getrennt werde. Selbst wenn die 30 Jahre alte Steuerung der Heizung erneuert würde, fehle die Vernetzung mit anderen Faktoren, etwa digitalisierten Assistenzfunktionen, der Wohnumgebung im Quartier, den immobilienwirtschaftlichen Prozessen. Woraus generiert sich Wertschöpfung, was beinhaltet eine digitalisierte Wohnungswirtschaft? Die EBZ stellt sich darauf ein, ihre curricula anzupassen.

 

Vernetzung und Digitalisierung waren auch die Stichworte des diesjährigen „Innovationsrundgangs“ auf der Expo Real, wie im Vorjahr durchgeführt von bulwiengesa und dem Beratungsbüro Dr. Vogel. Er setzte eine ganze Karawane in Marsch, so groß war das Interesse. Gestartet wurde bei den Projektsteuerern Drees & Sommer, die neben Heuer Dialog als Unterstützer der unorthodoxen Veranstaltung auftraten. Immer komplexere Aufgaben beherrschbar zu machen und zugleich wirtschaftliche Vorteile zu generieren, heißt bei Drees & Sommer „the blue way“ und dessen Fortsetzung „digital blue“. Digitalisierung sei die logische Weiterentwicklung einer integrierten Herangehensweise an das Bauen und Betreiben von Gebäuden und notwendig, „damit man sich blue buildings leisten kann“, so fasste es Peter Tzeschlock, CEO von Drees & Sommer, zusammen. Eines der Vehikel für blue buildings sei Standardisierung in komplexen Modulen, in digitalisierten Prozessen aus recyclebaren Werkstoffen zusammengebaut und später wieder dekonstruierbar. Anderes könne man heute schon mieten wie z.B. Licht von Philipps statt selbst Lampen anzubringen oder luftreinigende Bodenbeläge. Die Bereitschaft zum Umdenken sei im Bau- und Ausbaubereich sehr groß, ergänzte Stefan Heselschwerdt, Leiter der Niederlassung in Köln.

 

Als zweite Station hatten die Veranstalter die Drogeriekette dm ausgewählt, einen der zahlreich auf der Messe vertretenen Einzelhändler des täglichen Bedarfs. Die erstaunliche Erkenntnis dort: dm sei als einer der letzten Wettbewerber an das Netz gegangen und habe die Frage noch nicht gelöst, wie online-Handel wirtschaftlich betrieben werden könne, biete aber den Kunden den Service an, zum selben Preis wie im Regal plus Aufschlag für den Versand – trotzdem werde das Angebot gut angenommen, vielleicht auch wegen des transparenten Gebührenrechners.

 

Die beiden nächsten Stationen stellten die Vernetzung – die ohne digitale Medien nicht stattfände – in den Mittelpunkt: Als Konzept einer nachhaltigen Stadtentwicklung im „Blue Village Mannheim“ und dem Co-Working-Space der factory Berlin. In Mannheim bieten 144 ha der ehemaligen Franklin-Kasernen die einmalige Chance, ein neues Stadtviertel zentrumsnah zu entwickeln, in bunter Mischung, mit Gewerbe und einem urbanen Zentrum, mit E-Mobilität, carsharing, optimierter Fernwärme (innerhalb eines integrierten Energiekonzeptes für die Gesamtstadt), mit Inklusion und architektonischer Vielfalt. Statt auf innovative Modellvorhaben setze man auf eine positive Gesamtbilanz. In Berlin begann Udo Schlömer 1992 mit der Sanierung einer Gewerbeimmobilie direkt am Mauerstreifen, öffnete 2007 Räume für start-ups und erweiterte das Angebot inzwischen zum Campus. Die factory verfüge derzeit über 25.000 qm, aber Interessenten stünden für 165.000 qm auf der Warteliste. Das Besondere: die factory bringe start-ups mit Investoren zusammen, eine Mischkalkulation mache Mieten von 0 bis 60 Euro möglich, den kostenlosen Kaffee und daneben das Sternerestaurant. Kommunikation auf dem Campus und in weltweiter Vernetzung bewirke, dass die Innovationen überhaupt wahrgenommen werden. Erfahrungsgemäß gingen neun von zehn start-ups unter, aber trotzdem seien sie interessant als Innovations- und Personalpool für etablierte Unternehmen – und für etablierte Bildungseinrichtungen: die EBZ bahnt Kontakte an! (GE)