Disharmonie in der Elbphilharmonie

Jürgen Hoffmann

Die erste Kostenschätzung lag bei 40 Millionen Euro. Das war im Jahr 2003. Ein Jahr später sollte der Bau der Elbphilharmonie in der Hamburger Hafencity 77 Millionen Euro kosten. Beim Vertragsabschluss zwischen der Stadt und dem Baukonzern Hochtief 2007 wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass die Philharmonie an der Elbe 114 Millionen Euro verschlingen werde. Nach diversen Aufschlägen, Nachträgen und Dauer-Streitigkeiten kletterten die Baukosten bald auf 323 Millionen Euro. Dafür machte Hochtief mal die Architekten verantwortlich, mal die Statiker, mal die Planer. Das war der Stand vor zwei Wochen.

Zum Jahreswechsel jedoch ist in der „Stadt der Ehrbaren Kaufleute“ bekannt geworden, dass der Baukonzern weitere 180 Millionen Euro für die Errichtung des neuen Mega-Konzerthauses verlangt. Die Gesamtkosten, für die der Steuerzahler geradestehen müsste, würden damit auf 500 Millionen Euro steigen. Diese neue Zahl dürfte ein Grund dafür sein, dass die Stadt gerade einen vor gerichtlich angestrebten Vergleich mit Hochtief hat platzen lassen. Nun werden sich die beiden, wie Kampfhähne gegenüberstehenden Parteien erneut am 20. Januar vor Gericht treffen, um klären zu lassen, wer für Zusatzkosten verantwortlich ist, die durch bisherige Bauzeit-Verzögerungen eingetreten sind. Im Hamburger Rathaus wird kolportiert, dass Hochtief mit allen Mitteln versucht, öffentlichen Druck aufzubauen, um die Stadt zu weiteren finanziellen Zugeständnissen zu bewegen. Von „Erpressung“ des Baukonzerns ist die Rede. Entweder Hamburg zahle oder es werde nicht weiter gebaut. Schon jetzt ist der ursprünglich vereinbarte Fertigstellungstermin, März 2010, um fast zwei Jahre überschritten. Auch der zweite, 2008 festgelegte Einweihungstermin, der November 2011, ist verstrichen. Und auch 2012 und 2013 werden die Hamburger wohl noch nicht in ihrer vom Architektenbüro Herzog & de Meuron entworfenen Vorzeige-Philharmonie sitzen können, denn vor drei Wochen hat Hochtief der Stadt ohne detaillierte Begründung mitgeteilt, dass nunmehr der November 2014 für die Übergabe angepeilt werde. In der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt glaubt man selbst an diesen Termin nicht, denn „Hochtief hat einen partiellen Baustopp in wichtigen Bereichen angekündigt“, wie Karl Olaf Petters von der ReGe Hamburg Projekt-Realisierungsgesellschaft erklärt. So seien die Arbeiten am Dach der Elbphilharmonie, das wie eine riesige, gläserne Welle auf dem ehemaligen Speichergebäude liegen wird, bereits vorübergehend eingestellt worden. Laut Hochtief-Sprecher Bernd Pütter fehlten immer noch Pläne für bestimmte Bereiche und es gebe teilweise erhebliche Sicherheitsbedenken. Das einzige, was derzeit als sicher gelten darf: Trotz aller Disharmonie wird die Elbphilharmonie fertig gestellt – wann auch immer. Nur ein Gerücht ist es deswegen, dass das teure Konzerthaus an der Elbe eingeweiht wird mit der „Unvollendeten“ von Beethoven, der Symphonie No. 8 – bezeichnenderweise in Moll.