Der erwartete Crash an den (deutschen) Immobilienmärkten ist ausgeblieben. Wir hatten den Schnäppchenjägern sowieso keine Hoffnung gemacht. International ergeben sich bessere Chancen. Um so stärker wird dort auch der Aufschwung stattfinden. Der deutsche Markt „normalisiert“ sich. Am Ende der Erholung werden wir feststellen, dass die Steuerverwerfungen der 90er Jahre und die letzte Krise ab 2001 für den Immobilienmarkt viel lästiger waren. Natürlich kommt der Vermietungseinbruch erst noch. Aber das ist doch nur für die „Dreijährigen“ mit Asset Management Religion eine Überraschung. Stabilität schützt natürlich auch nicht vor Langfristfriktionen.
Die von uns Mitte der 90er Jahre vorhergesagte Dichotomisierung im Einzelhandel geht weiter. „Hopp oder Top“ ist die Devise. Bei Büros sind wir skeptisch. Die Preisfindung ist seit Jahren kapitalanlageinduziert und nicht nachfrageorientiert. Bis heute kann niemand vorrechnen, wie sich ein 5%er Investment bzw. 4%er nach Verwaltung, Instandhaltung und laufenden Risiken mit einer technischen Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren ohne nachfrageinduzierte Mietsteigerung rechnen soll. Das geht nur über finanzwirtschaftliche Schneeball-Konstruktionen, von denen wir jetzt wissen, dass sie irgendwann nicht mehr den täglich aufstehenden Dummen treffen, sondern schmelzen. Wohnen dürfte eine positive Periode vor sich haben. Die Demographie ist nicht so lästig wie unterstellt. Als einziges preis- und einkommensreagibles Immobiliensegment gleicht angepasster Flächenverbrauch in Verbindung mit nicht rechenbarem Neubau auch längerfristig Demographieeffekte im statistischen Schnitt aus. Natürlich gibt es Gewinner- und Verlierer-Regionen.
Zurück zur „Krise“: Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden in 10 Jahren einem Wissenschaftler ohne Immobilienbezug eine Zeitreihe zeigen, die aus ganz vielen leicht oszillierenden kleinen Balken, zwei riesengroßen Balken und dann wieder 10 kleinen, aber sich positiv entwickelnden Balken auf früherem Niveau zeigen. Fragen Sie doch mal, wann denn da eine Krise erkennbar sei. Ist denn wirklich die kurzfristige Ernüchterung, die auf eine Euphorie folgt, die „Krise“? Oder war die Auszeit des immobilienwirtschaftlichen Menschenverstandes nicht die echte „Krise“?
Exkurs: Natürlich tragen derzeit viele Studienabsolventen, die ehrgeizerfüllt in den letzten Jahren den Finanzprofis beim Geldverdienen zuschauen durften, Trauer. Megadeals gibt’s nicht mehr. Projektentwickler machen Pause. Wer soll spätere Leerstände oder brutale Verdrängungswettbewerbe mit offenem Ausgang finanzieren oder später kaufen? Asset Manager nähren sich noch von der Hoffnung, dass die internationalen Player ihr Zeugs nicht so schnell loswerden und englischsprachiges Berichtswesen benötigen. Die neue Erkenntnis „auf den Mieter kommt es an“ soll nachhaltige Wettbewerbsvorteile bescheren. Sie können sich auch damit trösten, dass anständige Hausverwalter immer gesucht werden – allerdings auf angemessenem Gehaltsniveau. Sie profitieren auch davon, dass sich bei Preiskonstanz das reine Immobilieninvestment bei Gewerbe im statistischen Schnitt nicht mehr auszahlt. Transaktion und aktives Management ist angesagt. Aber das funktioniert natürlich auch nur, wenn der Investor mit der sicheren Hand für den „Schwarzen Peter“ immer der andere ist. Denn ohne Inflation ist dieses Spiel dank der Transaktionskosten ein „Verlust-summenspiel“. Roulette hat statistisch mit 1/36 für die Bank eine größere Gewinnwahrscheinlichkeit.
Wie geht es weiter? – Die „Der Immobilienbrief“-Erwartung:
Gute Immobilien konsolidieren wieder auf tradiertes Preisniveau mit der Chance der nächsten asset inflation. Für Investoren, die im Höhepunkt des Zyklus „Immobilien mit Vermietungspotential“ gekauft haben, weil sich so bessere Wertsteigerungsperspektiven einrechnen ließen, fehlt das Mitgefühl. Pech haben diejenigen, die konjunkturell bedingt durch Mieterpleiten getroffen werden. Aber das war bei meinem Einstieg in die Immobilien- und Fondswirtschaft 1982 schon genauso lästig.
Wir werden uns alle bei Unternehmensplanungen natürlich fragen müssen: „Was ist „normal’“? Sind 4% Hypothekenzinsen mit einem satten 3 bis 4%-Spread zum Immobilien cash flow „normal“? Von den vergangenen 60 Jahren unserer modernen Bundesrepublik war die Situation mehr als 50 Jahre andersherum. 7,5% Durchschnittshypothekenzinsen galten bis vor vielleicht fünf Jahren noch als zu kalkulierender Durchschnitt für Anschlussfinanzierungen Geschlossener Fonds. Ist es „normal“, dass in einer annähernd fertig gebauten Gesellschaft ohne Unterbrechung entwickelt und gebaut werden muss? Ist es „normal“, dass die Finanzwirtschaft die Realwirtschaft virtualisiert und dominiert? Ist denn die Rückkehr zur Normalität tatsächlich eine Krise?
Natürlich wird die neue Normalität nicht mehr die Normalität der Siebziger oder Achtziger Jahre sein. Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Instrumente ausprobiert und die Spreu vom Weizen getrennt. Viele neue Instrumente der Finanzwirtschaft werden in einer Dekade Standard sein. Andere werden auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen und dort bis zur nächsten „innovativen“ Phase menschlicher Gier zu keimen und zu mutieren, um mit neuem Gesicht wiederauferstehen zu können.
Natürlich stehen wir auch in Deutschland vor einem Paradigmenwechsel der „tradierten Erfahrungen“ der Jahre 2004 bis 2008. Manche hoch dekorierten Player der letzten Immobiliensaison gehen jetzt in die neue Spielzeit. Manche spielen allerdings wieder in der Amateurliga, wo sie sowieso hingehörten. Andere spielen ganz woanders. Die Immobilienwirtschaft braucht sie nicht alle. Wiederum andere verstehen zwar von Immobilien immer noch nichts, haben aber über die Finanzkonstruktionen die Last auf Aktien- oder Fondsanleger bzw. Banken verlagert. Diese Helden wechseln den Job und verkaufen das als Erfahrung.
Natürlich wird sich mancher Vorstand damit exkulpieren, dass er nur noch wenige Monate gebraucht hätte, bis er seine Immobilien in einem Reit mit sattem Bewertungsgewinn sozialisiert hätte. Aber ist es zu bedauern, dass jemand, der dem Anleger eine Grube gräbt, selbst hineinfällt? Denn der ausgesuchte Anleger hätte sowieso nie eine Chance gehabt. Was geschieht eigentlich mit den Vorständen oder GF einer leverage-getunten und nach neuem „fair“ value überschuldeten Gesellschaft?
Bleiben wir positiv. Immobilienwirtschaftlich stehen wir nur vor der Aufgabe, jetzt die Verwerfungen von vier Jahren innovativer Finanzwirtschaft zu bereinigen. Genauso mussten wir in den 90er Jahren die Verwerfungen von vier Sonder-AfA-Jahren bewältigen. Auch früher mussten wir zyklisch immer wieder die Folgen besonderer Entwicklungen bereinigen. Nur diesmal sind die immobilienwirtschaftlichen Folgen in Deutschland viel geringer als zum Beispiel bei der Bewältigung der Folgen des Fördergebietsgesetzes oder auch ab 2001.
Vor dem Hintergrund des schlimmsten volkswirtschaftlichen Einbruchs der Nachkriegsgeschichte hört sich das eher überraschend an. Zum einen bezieht sich die Aussage auf Deutschland. Zum anderen ist immobilienwirtschaftlich auch international die Finanzkrise bei weitem nicht so dramatisch wie sie oft aktuell dargestellt wird.
Investoren kommen und gehen, Immobilien bleiben. Auch wenn viele Rechnungen nicht aufgegangen sind, ist doch in den Ländern Osteuropas oder in China oder in Indien nichts anderes geschehen, als das Immobilien innerhalb von fünf Jahren gebaut worden sind, die vielleicht erst innerhalb von acht Jahren benötigt werden. Dubai lassen wir allerdings außen vor. In den meisten Fällen ist nur vorübergehend, aber nicht nachhaltig am Bedarf vorbei gebaut worden. Das führt natürlich jetzt zu einer Flaute im Bau und zur Verabschiedung mancher optimistischer Investoren. Aber so ist die Marktwirtschaft nun einmal. Gleichgewicht gibt es immer nur in der logischen Sekunde zwischen Knappheit und Überangebot bzw. umgekehrt.
Auch Amerika, das mit dramatischen Anpassungen zu kämpfen hat, wird schnell wieder auferstehen. Aber zum einen neigen die Amerikaner zu einem sehr schnellen Abschneiden der Vergangenheit und zum anderen können sie sich aufgrund der nicht haftenden Immobilienfinanzierung auch im Privatbereich sehr schnell von Verpflichtungen der Vergangenheit lösen. Viele überflüssig gebaute family homes befinden sich dank Natur verbundener amerikanischer Bauweise schon nach dem ersten Winter im Prozess der Selbstverschrottung. Attraktive und anständige Häuser finden schnell wieder Käufer – allerdings auf niedrigrem Preisniveau. Das kann dann allerdings durchaus nachhaltig sein. Denn wer sich 3% Zinsen auf eine Million leisten konnte, kann sich auch 6% Zinsen auf 500 000 leisten. Lediglich den Anstieg von 3 auf 6% Zinsen bei dem ursprünglichen Kaufpreis von 1 Mio. konnte er sich nicht leisten. Insofern wird sich die US-Immobilienwirtschaft auf vermindertem Niveau relativ schnell wieder konsolidieren.
Ob die USA allerdings schnell wieder zu alter Dynamik zurückfinden, bleibt fraglich. Zum einen entfällt auf absehbare Zeit der konjunkturelle Push der Immobilienwertentwicklung. Zum anderen holten die USA einen großen Teil der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung aus dem Finanzsektor. Auch hier drehen sich die Räder langsamer. Damit könnten die jahrzehntelang überdeckten strukturellen Defizite der USA in Bildung und Produktion wieder evident werden. Andererseits sprach ich letzte Woche mit einem der besten USA Immobilienkenner und größten internationalen Eigentümer von Büros in Manhattan, dem Paramount-Chef Albert Behler. Paramount ist die US Immobiliengesellschaft von Otto. Behler nutzt die aktuelle Situation zum Einkauf. Er sieht eine schnelle wirtschaftliche Dynamik und auf Grund geringer Volumina und schneller Knappheit eine Verdoppelung der Mieten in Manhattan in kurzer Zeit. Gleichzeitig erwartet er mit hoher Sicherheit eine signifikante Inflation in USA.
Warum ist die aktuelle Immobilienkrise kleiner als die Bewältigung der Fördergebietsgesetze oder auch der Absturz ab 2001?
Die Fördergebietsgesetze waren auf eine Expansion auf der Angebotsseite im Osten ausgerichtet. 2001 ff. explodierte im Westen das fertig gestellte Angebot des vorhergehenden volkswirtschaftlichem Optimismus.
Fördergebietsgesetz: In steuerlich getunter Konsequenz wurde z. B. in den NBL bei moderater volkswirtschaftlicher Entwicklung und entsprechend moderater Nachfrageentwicklung nicht nur zu schnell und zuviel gebaut, sondern oftmals nachhaltig auch am langfristigen Bedarf vorbei. Seit einem Dutzend Jahren besteht jetzt in den damals bauintensiven Regionen der neuen Bundesländer ein immer noch anhaltendes Überangebot. Es bereinigt sich vor allem statistisch durch den Wegfall nicht mehr marktgängiger Flächen. Dennoch dürfte auch für eine weitere Dekade das Angebot die Nachfrage übersteigen. Großflächige Leerstände von einst sind nur nicht mehr so sichtbar. Aus den leeren Palästen der 90er ist inzwischen Gebrauchtware geworden. Manche Fassaden bröckeln – nicht nur sprichwörtlich. Viele großflächigen Leerstände sind zu Flickenteppichen geworden. Bei unzureichender Preisdifferenzierung gewinnen langfristig natürlich die besseren Qualitäten. Demnach ist auch heute noch die generelle immobilienwirtschaftliche Situation bei Büroinvestments eher traurig.
Wie aus dem alten Chart (nächste Seite) eines früheren Vortrages zu ersehen ist, fand in 2004 und 2005 ein Wechsel der Büromarktrahmenbedingungen statt. Während sich immer in der Nachkriegsgeschichte Knappheit und Überangebot abwechselten, führte diesmal Bau- und Finanzierungswut zu einem Überangebot, von dem klar war, dass es im nächsten Zyklus nicht abgebaut sein werde. Ab da wechseln, wie wir jetzt bestätigt sehen, nicht mehr Knappheit und Überangebot, sondern nur noch graduelle Unterschiede des Überangebotes. Die immobilienwirtschaftliche Dimension übertraf – auch mit entsprechender Preiswirkung – die Bedeutung aktueller Finanzverwerfung bei weitem.
Investmentboom 2005 bis 2008: Völlig anders war die Entwicklung Deutschlands in den Boomjahren 2005 bis 2008. Kapital suchte Anlage. Der von mir schon in den frühen Neunzigern aufgezeigte Entwicklungsweg, dass in absehbarer Zeit der Kapitalanlagebedarf in Immobilien den Nutzungsbedarf von Immobilien übersteigen würde, wurde Realität. Anlage sucht cash flow war die Devise. Cash flow dominiert Risiko. Finanztechnisch atomisierte Risiken sind schließlich nicht mehr existent. Fremdkapital war deshalb beliebig verfügbar.
Non recourse Finanzierung bei beliebig verfügbarem Fremdkapital führte zu der Devise: Je
größer das Volumen ist, desto geringer darf der Spread werden. Alles, was finanzierbar war und nach Verwaltung noch eine positive Cash flow Differenz erwirtschaftete, konnte gemacht werden. Bei immer geringerem Eigenkapitaleinsatz wurden so hohe EK-Renditen erzielt. Preiswirkungen bei fungiblen Produkten und die plötzliche Marktfähigkeit an sich unverkäuflicher Portfolien oder Immobilienkategorien waren die Folge. Deutsche Wohnungen wechselten zu Hunderttausenden den Besitzer. Positiv: Angeschlagene deutsche Großinvestoren konnten ihre Büroportfolios bereinigen.
Prärieportfolios mit dem Motto „8%-iger Einzelhandel mit fünf Jahren Restlaufzeit 30 km südlich von Leipzig“ fanden Käufer, die damit ihre heimischen Aktienkurse pushen konnten. Seniorenpflegeheime gingen im Paket weg wie warme Semmeln. Solange die Mietverträge stimmten, wurden die Immobilienpreise bezogen auf Lagen und Qualitäten immer undifferenzierter. Shopping-Center wurden zum neuen Anlagerenner. In Deutschland blieben die Preise wenigstens noch halbwegs vernünftig. In Irland oder England gingen sie für 4%,3% oder nach Maklerberichten sogar 2% Rendite über die Theke. Bei längst angezogenen Mieten war schon damals schleierhaft, woher Preis- oder Mietsteigerungen zur Wertaufholung je kommen sollten.
Aber alle diese Investitionen hatten eines gemein: Sie waren auf den
Bestand ausgerichtet. Es wurde in Deutschland nicht eine einzige Wohnung
deswegen mehr gebaut. Auch bei Gewerbe kamen nur Bestände oder längst
angedachte Entwicklungen zum Verkauf. Der Abbruch kam viel zu schnell, um
zu einer nachhaltigen Angebotsausweitung zu führen. Die Kapitalanlage induzierte Nachfrage führte deshalb per Saldo nur zu einer geringen Erhöhung des Angebotes. Grundsätzlich blieb die Immobilien relevante Beziehung zwischen Angebot
und Nachfrage sowohl bei Wohnen als auch bei Gewerbe intakt. Ein großer Teil des heutigen Überangebotes wurde aber bereits aus der letzen zyklischen Phase mitgeschleppt. Die Marktverwerfungen blieben auf der Finanzseite und führten nur minimal zu Verwerfungen auf der Angebotseite.
Deshalb gibt es in Deutschland keine Immobilienkrise. Natürlich werden sich auch bei guten Immobilien Preise konsolidieren. In Verbindung mit sinkenden
Marktmieten können sich so auch in Deutschland leicht Bewertungsänderungen von 20% bei erstklassigen Immobilien ergeben, wie Jones Lang LaSalle letztens
veröffentlichte. Das kann auch noch ein wenig mehr werden. Eigentlich stört das
niemanden. Wer vor drei Jahren eine voll vermietete, anständige Immobilie gekauft hat, könnte diese Krise leicht aussitzen. Mietanpassungen in zehn Jahren würden den wahrscheinlich einen zu viel gezahlten Multiplikator lässig ausgleichen.
Mit Spreadeffekten und geringer EK-Finanzierung wäre das wahrscheinlich sogar ein hoch rentables Investment für das Eigenkapital.
Jetzt schlägt aber die Fliegenfalle der Covenant Regeln und möglicherweise
auch deutscher Gesetze zu, die mit Insolvenzen anders umgehen als die
US-Gesetze. Ein Bewertungsabschlag verletzt die LTV (Loan to Value) Regel.
Die Regel, die eigentlich die Aufgabe hatte, der Bank bei Wertänderungen und Änderungen ihrer Sicherheitenposition größere Einflussmöglichkeiten einzuräumen,
wird jetzt zum Eigentor. Die Bank muss reagieren. Da aber nachzuschießendes
Eigenkapital weder bei Kreditnehmer noch bei der Bank, die so auf verschlechterte Rahmenbedingungen bzw. Ratings reagieren müsste, vorhanden ist, wird das völlig problemfreie Engagement auf einmal zum „beachtenswerten Engagement“, das
sowohl Kreditnehmer als auch Bank in eine Klemme bringt. Noch lästiger wird es, wenn durch Mieterpleiten auch noch der Liquiditätsdeckungsgrad (DSCM) von
z.B. 130% unterschritten wird. Obwohl noch alles machbar ist, ruft das nächste notleidende Engagement schon laut „hier“.
Trotzdem gibt es keine Immobilienkrise: Natürlich gibt es Preiskonsolidierungen. Natürlich wechseln auch einige Wohnungsportfolios wieder den Besitzer. Vielleicht nutzen manche Kommunen die Chance zum Rückkauf. Allerdings dürften die Erträge des Verkaufs oft längst verbraten sein. Natürlich werden auch einige Immobilien, deren Einkaufspreise auf genialem, innovativem Asset Management beruhten, zu normalen „Schnäppchenpreisen“ wieder in den Besitz realistisch kalkulierender Investoren wechseln. Und natürlich werden einige Portfolios wieder in den Dornröschenschlaf der Unverkäuflichkeit zurückfallen – nur mit einem neuen Eigentümer.
„Der Immobilienbrief“-Fazit: Da die grundsätzlichen Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage nicht berührt wurden, wird aus der aktuellen Krise sogar die ewig zitierte Chance resultieren. Im Gewerbebereich passiert nicht viel. Da bleibt im Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage alles beim vorher Bekannten. Übernommenes Überangebot aus dem letzen Zyklus und Konjunkturcrash machen das Leben zwar nicht einfach, stellen die Branche jedoch vor beherrschbare Aufgaben. Vielleicht erfahren wir jetzt auch, was die Innovation des Asset Management über klassisches Immobilien- und Vermietungsmanagement hinaus bedeutet.
Die Chance liegt in der Kapitalanlage und bei Wohnen. Trotz Investment-Hype wurden und werden weniger Wohnungen gebaut denn je. Die klassische einprozentige Ersatzbebauung, die ja immer noch von einer weltfremden einhundertjährigen Lebensdauer von Wohnimmobilien ausgeht, wird um Faktor 2 oder 3 unterschritten. Verändertes Wohlstandsgefüge, veränderte Einkommenssituation und veränderte technologische Anforderungen z.B. durch Home-Offices sind dabei nicht berücksichtigt. Inzwischen sind die Überhänge des Baubooms der Neunziger meist abgebaut. In ersten Standorten bilden sich Knappheiten mit der Konsequenz von Mieterhöhungen. In zweiten Standorten wird der Markt langsam ausgeglichen. Hier sind allerdings Mieterhöhungen noch nicht durchsetzbar. In demografischen Verlustregionen bleibt die Situation allerdings schwierig.
Exkurs: Schon wieder werden laute Verbandsrufe nach breiter staatlicher Förderung des Wohnungsbaus –
möglichst mit gerecht und breit streuender regionaler Gieskanne – herausgerufen. Das Damoklesschwert der Knappheit schwebe über den Metropolen, heißt es. Deutsche Mieter müssten oftmals ihr Leben in Wohnungen mit nicht mehr zeitgemäßem Standard fristen, heißt es auch. Solcher Wohnraum müsse abgerissen werden und durch Beton ersetzt werden.
Gleichzeitig weisen aber die Mietspiegel der meisten Städte für einfaches oder auch mittleres Wohnen eine
vier vor dem Komma aus. Wenn wir als Prämisse setzen, dass nicht ein einziger Hartz-IV-Empfänger in Deutschland unter menschenunwürdigen Bedingungen wohnen muss, ergibt sich die Frage, warum generell Wohnungsbau gefördert werden sollte. Natürlich gibt es unverschuldete und auch höchst traurige Abstürze
in Hartz IV, die vor persönlichem Hintergrund zu relativ unwürdigen Verhältnissen führen. Daran ändert
auch eine pauschale Wohnungsbauförderung nichts. Gleichzeitig weiß jeder Hauseigentümer, dass es
Bewohner gibt, die eigenständig ihren Wohnraum in die Unwürdigkeit überführen. Auch hieran ändert eine
Wohnungsbauförderung nichts.
Auch DEGI Researcher Thomas Beyerle meint, dass nach sechzig Jahren Subvention endlich einmal der
Markt wirksam werden solle. Auch uns erreicht tiefe Hilflosigkeit bei der Rufe nach staatlichen Förderungen, solange Mieten von unter 5 Euro immer noch ein ausgeglichenes Marktniveau bezeichnen. Sicher spricht auch nichts dagegen, die „typische“ Bankerfamilie mit fünf Kindern in der Frankfurter Innenstadt auch bei gutem Einkommen speziell zu fördern. Warum aber „Double Income, no Kids“ zu steuergefördertem Wohneigentum verholfen werden soll, erschließt sich auf erstem Blick nicht.
Was spräche außerdem zu einer Rückkehr zu nominalen Preisen des Jahres 1993 auch in Städten des Ruhrgebietes. Die nominale Konstanz des Wohnimmobilienindex von BulwienGesa resultiert aus den Highflyer-Regionen. Und bedenken Sie: Seit 1993 hatten wir noch 28% Geldentwertung. In einer normalen westdeutschen Großstadt ließ sich 1993 für einfachen, aber anständigen Altbau in der Neuvermietung durchaus 13 DM (rd. 6,50 Euro) erzielen. Der Kaufpreismultiplikator für ein Zehnfamilienhaus mit solchen Wohnungen lag damals vielleicht bei 12 bis 12,5. Heute geht die gleiche Wohnung für 4,96 Euro über die Theke und der Multiplikator rutscht unter 11. Während 1993 der Mieter die Wohnung tendenziell unrenoviert übernahm und dies selber machte oder am Ende im adäquaten Zustand wieder übergab, ist die gleiche Wohnung heute auf Kosten des Vermieters bei jeder Neuvermietung in renoviertem Zustand. Zurück bekommt er Schrott. Meist ist die Wohnung heute sowieso in einem besseren Zustand.
Wenn Sie das damalige Zinshausinvestment für die Altersvorsorge überschlagen, stellen Sie fest, dass damit
ein Gesamtkapitalverlust von leicht 20-30% auch bei zwischenzeitlicher Vollvermietung verbunden ist.
Umso „erfreulicher“ sind Vorschläge, diese Häuser doch direkt abzureißen. Altersarmut wäre die Konsequenz. Die Immobilie als Altersvorsorge hätte ihre Berechtigung endgültig verloren. Aber war spricht dagegen, auch aus Verbandssicht, einfach einmal solange den Mund zu halten bis zumindest die nominale Situation des Jahres 1993, die damals für die Bevölkerung verkraftbar war und nach 28% Inflation sicherlich auch heute verkraftbar wäre, wieder abzuwarten.
Die heutige Chance für die Immobilie liegt darin, dass der Boom der internationalen Investoren, der noch nicht einmal 1% der Bevölkerung berührte, heute von einem Boom der breiten Basis abgelöst wird. Die Märkte für Zinshäuser sind an vielen Standorten schon leer. Die Finanzkrise hat zu Verunsicherungen geführt. Wenn jetzt Politik und Verbände vernünftig sind, und endlich nach 60 Jahren einmal dem Markt eine Chance geben, spricht nichts gegen eine Renaissance der Immobilie als Kapitalanlage.
Zum Schluss noch der volkswirtschaftliche Exkurs: Mit dem Aufzeigen volkswirtschaftlicher Risiken der Entwicklung der letzten Jahre lagen wir grundsätzlich richtig. Der tatsächliche Eintritt einer Weltwirtschaftkrise ungeahnten Ausmaßes war jedoch bei unvollständiger Information nicht zu erwarten, sondern lediglich eine unwahrscheinliche Möglichkeit. Allerdings hätten die Kenntnisse der Gesamtmärkte und nicht allein der Immobilienmärkte sie doch zu einer wahrscheinlicheren Möglichkeit gemacht. Insofern ist zu fragen, inwieweit die besser informierten Volkswirte der Banken und Zentralbanken nicht frühzeitig gegensteuern konnten.
Inzwischen ist weltweiter volkswirtschaftlicher Konsens, dass der Tiefpunkt der Krise annähernd erreicht oder sogar durchschritten ist. Die Frage ist, wie es weiter geht. Hier sind sich auch weltweit die Volkswirte in einer Vorhersage einer meist blutleeren Entwicklung einig. Es werden drei, vier oder fünf Jahre dauern, bis das Niveau von 2008 wieder erreicht ist. Impulse aus Immobilien- und Finanzwirtschaft fehlen weltweit. Hohe Arbeitslosigkeit werde weltweit den Konsum dämpfen.
Dagegen steht einfach Gefühl und Erfahrung. Jede Zahl ist richtig und die daraus resultierenden Konsequenzen sind richtig abgeleitet. Trotzdem habe ich Zweifel an einer blutleeren Entwicklung. Ebenso wenig wie ein Softlanding nach einem Hype der Erfahrung entspricht, entspricht eine flache Entwicklung im Anschluss an einen Absturz der Erfahrung. Je steiler es bergab geht, desto steiler muss es auch bergauf gehen, um relativ schnell den volkswirtschaftlichen Potentialpfad wieder zu erreichen. Aus diesem Grund glaube ich nicht an eine blutleere Entwicklung, sondern an eine schnelle Rückkehr in eine funktionierende Weltwirtschaft.
Die Crux: Es gibt aber eine Überlegung, die beide Thesen miteinander vereinbaren könnte. Das ist nämlich dann der Fall, wenn seit Beginn der Niedrigzinsphase in den USA der volkswirtschaftliche Potentialpfad im Niveau um finanzwirtschaftliche Effekte verschoben worden ist. Bei Wegfall dieser Effekte ist entsprechend nur eine schnelle Erholung auf dem klassischen Potentialpfad wahrscheinlich. Das würde dann tatsächlich einer blutleeren Entwicklung gleichen, da die Niveautransformation des volkswirtschaftlichen Potentialpfads durch Finanzwirtschaft und Immobilienboom zurückgenommen werden würde. Damit wäre der Stand von 2007 erst dann wieder erreichbar wenn – von zyklischen Effekten einmal abgesehen – die Steigerung des Potentialpfades die ursprüngliche Niveau verschobene Entwicklung wieder überschneidet. Das kann dann leicht 2013 oder 2014 werden.