Ferien sind das Highlight des Jahres und d´Eramos Vandalen noch nicht in Sicht

Die Schlüsselindustrie des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist endgültig im Feuilleton der überregionalen Zeitungen angekommen. Schuld daran ist nicht das Sommerloch, denn auch renommierte Wirtschaftsblä tter befassen sich mit Ein-nahmen und Ausgaben der Tourismus Industrie. Wen wundert das, angesichts der Tatsache, dass der Tourismus die globale Wertschöpfung mit 1.6 Billionen Dollar pro Jahr speist.

Die Stiftung für Zukunftsfragen, eine Initiative von British American Tobacco Germany berichtet pünktlich zur Reisezeit vom Ergebnis ihrer jüngsten repräsentativen Befragung all derjenigen, die bereits auf gepackten Koffern sitzen: „Urlaub bleibt das Highlight des Jahres. Erlebnisse gehören dazu. Urlaub ist Erholung. Glamping ist voll im Trend (Camping mit Glamour). Kreuzfahrten werden immer beliebter. Städtereisen boomen(!).“

Rund zwei Wochen werden die Reisenden dieses Jahr im Durchschnitt unterwegs sein, egal ob Küsten, Berge oder Städte. Jeder zweite Bundesbürger bleibt lieber in der Nähe, als in die Ferne zu reisen. Letztes Jahr verbrachten 34% der Bundesbürger ihren Urlaub in Deutschland, in diesem Jahr werden es voraussichtlich noch mehr sein.

Das Reisen hat Schriftsteller seit jeher fasziniert. Nun auch Marco d ´Eramo, Mitbegründer der linken Zeitschrift       „Il Manifesto“ der gleich auf 362 Seiten das touristische Zeitalter ausruft, (WTO und ich taten das schon vor fünf Jahren) und zugleich prophezeit, dass es eines Tages enden wird…

Immobilienleute, Bauherren und Architekten sollten seine Sicht auf die weltenrettende Apokalypse vielleicht nicht negieren, sondern vorsorglich bei allen Hotelneubauten schon mal die Flure und Türen breiter und die Lifte größer bauen. Das wird die Banker begeistern, denn endlich hätten sie eine reale Immobilienzweit-verwertungsperspektive als Krankenhaus. Hospitality und Hospital, das hat doch ´was. Die Shareholder wird ´s freuen, hundert Prozent Belegung waren schon immer das Ziel… Politische Spannungen, Konflikte, terroristische Anschläge, Land-nahmen und Putschversuche kommen manchmal von heute auf morgen. Leere Straßen, leere Strände und leere Betten auch.

 

Bis dahin widmen wir uns weiter der Reisefreiheit und dem Menschenrecht aufs Reisen, das uns der epochale Wandel von 1989 bescherte: Ein wenig gerüttelt, geschüttelt und gerührt mit d ´Eramos linkem Kulturpessimismus: „Der Tourist sucht nach Authentizität, jage in Wahrheit aber nur einer touristischen Inszenierung hinterher. Der Tourist ist ein großer Zivilisations-zerstörer, er verübt Städtemord durch Monokultur, sorgt für die Mumifizierung einst blühender Gemeinwesen, weil die Imbiss-buden den Krämer, der Souvenirladen den Bäcker und das Drei-Sterne Restaurant die Dorfwirtschaft verdränge. (Wie, bleibe daheim und nähre dich redlich? – O Neid lass nach!)

 

Damit aber noch nicht genug. „Die Welt im Selfie“ heißt sein Buch, erschienen im Suhrkamp Verlag, Berlin, in dem er hinter all dem die größte Verbrecherorganisation, die UNESCO sieht, deren Weltkulturerbe in Wahrheit eine Todesliste ist. Steht man drauf, kommen die Touristenhorden in Shorts und trampeln mit ihren Sandaletten alles kaputt. Harter Tobak, aber bedenken darf man das schon, oder?

Mir fällt da ad hoc eine der schönsten Weltkulturstätten unseres Landes ein. Nicht ein Haus, keine Siedlung, sondern eine große Altstadtinsel mit unzähligen, wunderschönen Kirchen, sieben Türmen und Baudenkmälern so grandios, dass eines von ihnen lange den „Fuffziger“ zierte. Meine Heimatstadt. Kultur, Geschichte und Erlebnisse in einer Fülle und Güte plus die große Badewanne Lübecker Bucht, die skandinavische Riviera. Das gibt es so nirgendwo ein zweites Mal. Noch.

Stadtmarketing und Stadtväter rühmen sich daher mit 13, 14, 15 Millionen Tagesbesuchern (41.000/Tagx365). Schaut man genau hin, tragen sie außer Flipp-Flops und Rucksäcke voll Proviant keine Einkaufstaschen… Sie lassen einen Bruchteil an Ausgaben und Steuern in der Stadt, verstopfen sie aber gleich doppelt so viel wie die Hälfte denkbar „anderer“ Touristen. Manchmal ist weniger mehr. Auch mehr Schutz unseres Erbes.

Nun kann man auch anderer Meinung sein – was ich überhaupt nicht verstehen würde – und aller Orten einfach abwarten bis d´ Eramos marodierende Vandalen zu einem unumkehrbaren Problem werden. Man könnte aber auch vorausschauend nach Barcelona und Amsterdam reisen und rechtzeitig von Nachbarn lernen.

In diesem Sinne, schöne Ferien,

Ihr Winfried D. E. Völcker