Globalisierung – Die üblichen Verdächtigen

 

Karsten Jungk MRICS,
Geschäftsführer der W&P Immobilienberatung GmbH

Globalisierung. Etablierte Standorte in Nordamerika, Australien und den westeuropäischen Staaten weisen im City-Rating von Wüest & Partner die geringsten Investmentrisiken auf.

Das Institut für Weltwirtschaft geht in seiner Prognose davon aus, dass sich die Weltkonjunktur nun nach einer Phase der wirtschaftlichen Schwäche wieder beleben wird. Getragen wird diese Entwicklung hauptsächlich von Investitionen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften Nordamerikas und Westeuropas. Die Dynamik in Schwellenländern hingegen wird weiterhin gedämpft bleiben. Die lokale Wirtschaftspolitik wie beispielsweise in Brasilien oder Russland, politische Unsicherheiten wie in der Ukraine und ungünstige Finanzierungsbedingungen stellen ökonomische Risiken dar und beeinträchtigen in hohem Maße die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die jeweiligen lokalen Immobilienmärkte. Es ist zu erwarten, dass Investoren sich weiterhin auf Märkte in Nordamerika, Westeuropa und Australien fokussieren werden, auch wenn die erzielbaren Erträge an diesen Standorten mittlerweile immer weniger zufrieden stellend sind. Investoren sind mehr und mehr gezwungen, Verlustrisiken gegen Renditeaussichten abzuwägen.

Wie riskant ist aber ein Investment in Immobilien am Standort A im Vergleich zu Standort B? Darauf versucht das Rating von Wüest & Partner eine Antw  ort zu geben. Das Beratungsunternehmen entwickelte für rund 400 Städte weltweit ein City-Rating sowie ein separates Länder-Rating, die jeweils das strukturelle Risiko eines Investments in hiesige Immobilienwerte abbilden. Berücksichtigt werden dabei Faktoren wie die demografische und wirtschaftliche Lage beziehungsweise entsprechende Prognosen ebenso wie fundamentale Risiken und der Zugang zu den Märkten an sich. Im übergreifenden Länder-Rating finden darüber hinaus der Entwicklungsgrad der Infrastruktur, die Bedingungen für Unternehmensansiedlungen, Markttransparenz und Rechtssicherheit Berücksichtigung. Sollten das Rating für eine Stadt und das Rating für das entsprechende Land voneinander abweichen, liegt das daran, dass die jeweilige Einschätzung aus der relativen Position der Stadt beziehungsweise des Landes innerhalb des spezifischen Datensamplers resultiert.

Am Ende liefert das Rating Anhaltspunkte dafür, an welc  hen Standorten weltweit ein eher hohes Risiko existiert und wo es relativ unbedenklich ist, in die Immobilienmärkte zu investieren. Das Rating ist jedoch nicht als Attraktivitätsmessung zu verstehen, denn Standorte mit hohem Risiko können durchaus eine reizvolle Rendite für risikobereite Investoren bieten, wogegen Märkte in „sicheren“ Lagen kaum noch einen zufriedenstellenden Profit bieten können. Das Rating kann vielmehr als Orientierung dienen, welche Städte und Länder interessant sind oder werden können.

Aufgrund der in der Summe eher risikoaversen institutionellen Investoren sind es noch immer primär die klassischen Standorte in Nordamerika, Europa, Japan und Australien, die die geringsten Investmentrisiken aufweisen. Diese Märkte sind weltweit die liquidesten und bieten die klassischen, Sicherheit versprechenden Faktoren wie Demokratie, Rechtssicherheit und wirtschaftliche Prosperität. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Nordamerika, Australien und die westeuropäischen Staaten im W&P-Rating am besten abschneiden.

Infolge des Investoren-Runs auf diese Märkte sind die Renditen an diesen gefragten Standorten in den letzten Jahren jedoch erheblich unter Druck geraten und bieten Investoren momentan nur noch wenig Ertragspotenzial. Vor allem die USA und Kanada sind hinsichtlich ihrer Renditen inzwischen nur noch bedingt spannend. In den USA sind allerdings die Unterschiede zwischen den populären Standorten wie New York, San Francisco und Boston zu Städten wie Houston oder Philadelphia hinsichtlich der Rendite (noch) hoch. In Kanada reißen sich zu viele Investoren um wenige Standorte (Toronto, Montreal und Vancouver). Ähnlich verhält es sich in Australien, wo es mit Sydney, Melbourne, Perth und Brisbane auch nur wenige Investitionsstandorte gibt.

Im Gegensatz zu Nordamerika liegen die Renditen in den australischen Metropolen mit sechs bis knapp acht Prozent für Büroobjekte und zwischen rund fünf bis sieben Prozent für Einzelhandelsimmobilien jedoch auf erstaunlich hohem Niveau. Dies liegt zum einen an einer Art Entfernungszuschlag für Amerikaner und Europäer, aber auch an historisch schon immer relativ hohen Zinsen. Vor dem Hintergrund, dass die Risiken ähnlich niedrig sind, ist aus Renditegesichtspunkten ein Investment in Australien oder Neuseeland daher attraktiver als in den USA oder Kanada. Zu beachten ist aber, dass in diesen Renditen die üblichen Mieter-Incentives von 20% und mehr nicht berücksichtigt sind, so dass sich der vermeintliche Renditevorteil bei Objekten mit hohem Leerstand oder Nachvermietungsbedarf schnell relativieren kann.

Russland verschreckt Anleger

Ähnliches gilt für die westeuropäischen im Vergleich zu den osteuropäischen Städten und Staaten. Die Renditen am Gewerbeimmobilienmarkt überschreiten in Bukarest, Zagreb und Moskau 8%. Allerdings herrschen hier durchaus höhere Risiken als in den stabilen westeuropäischen Volkswirtschaften. Rumänien muss sich nach wie vor um einen strengen Sparkurs bemühen und gleichzeitig gegen die Korruption im Lande angehen. Auch Kroatien hat nach dem EU-Beitritt im letzten Jahr mit einer wirtschaftlichen Schwächephase und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Und Russland verschreckt durch das Entfachen der Ukraine-Krise mittlerweile auch die Investoren, die hier auf einen interessanten Investitionsmarkt gesetzt hatten.

Warschau beziehungsweise Polen hingegen weisen ein gutes Investitionsumfeld auf: Überdurchschnittliche Renditen bei nicht allzu hohen Investmentrisiken und anziehender Konjunktur bescheren Warschau im W&P-Rating ein moderates Risikorating von 2,5 und Polen insgesamt sogar ein Rating von 2,1. In Westeuropa sind Finnland und Schweden die Länder mit dem geringsten Risiko. Die Renditen liegen hier mit etwa 4,5% jedoch vergleichsweise niedrig. Als attraktiver für ein Investment stellt sich Amsterdam mit rund 6% Rendite heraus. Neben den sicheren Häfen sind auch Spanien und Irland aufgrund der niedrigen Preise wieder für Investoren interessant. Die Renditen liegen hier für Büro bei etwa 6% in Spanien und 5,4% in Irland (Dublin). Top-Einzelhandelsobjekte werden jedoch wieder für unter 5% gehandelt. In London dagegen, dem Standort mit dem laut W&P-Rating weltweit niedrigsten Immobilieninvestmentrisiko, können Investoren derzeit sogar nur mit Renditen zwischen 2,75 und 3,75% rechnen.

Ein beliebtes Ziel für risikofreudigere Investoren waren eine Zeitlang die BRIC-Staaten, neben Russland Brasilien, Indien und China. Die Arbeits- und Lebensbedingungen in Indien und wirtschaftliche Unsicherheiten in Brasilien lassen Investoren jedoch wieder Abstand von diesen Regionen nehmen. Auch China ist den meisten Anlegern noch deutlich zu risikoreich. Das Land steht vor der Herausforderung, eine Kreditblase zu vermeiden und gleichzeitig aufgrund der sinkenden wirtschaftlichen Dynamik entstehende soziale Spannungen zu verhindern.

Kein Geheimtipp mehr: Chile

Interessant laut W&P-Rating und seit Jahren ein beliebter Investmentstandort ist dagegen Chile: Mit genau zwei von fünf Risiko-Punkten schneidet das südamerikanische Land vergleichsweise gut ab. Die erzielbaren Renditen in der Landeshauptstadt Santiago liegen bei 6% für Büroimmobilien und bei 7,5% für Einzelhandelsimmobilien. Dies hat sich jedoch bereits herumgesprochen, so dass der Markt hier vermutlich bald Sättigungstendenzen zeigen wird.

Im asiatischen Raum weisen Singapur und Japan zwar die geringsten Risiken auf. Die augenblicklich erzielbaren Renditen versprechen potenziellen Investoren jedoch kaum nennenswerte Ertragschancen. Japan ist obendrein noch immer hoch verschuldet und ringt weiter mit den Folgen der Flutkatastrophe von 2011.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass zahlreiche Investoren am Ende erneut Europa oder Nordamerika als Ziel für ihre Immobilienengagements bevorzugen. Jedoch sind auch hier die Risiken nicht zu unterschätzen, die allerding auf ganz anderer Ebene liegen: Die Europäische Zentralbank ist bemüht, den Spagat zwischen drohender Deflation und der Bekämpfung der Rezession in den südeuropäischen Ländern zu meistern.