Gutachten der Immobilienweisen: Wohnimmobilien vor anhaltendem, dynamischem Aufschwung

Das Gutachten der Immobilienweisen macht deutlich, dass nach über einer Dekade, in der die Immobilienwirtschaft ihre Dynamik lediglich aus Zyklen und Veränderung der internationalen Investmentmärkte zog, ohne dass die eigentliche Nutzernachfrage ihren Beitrag leistete, jetzt der Wendepunkt gekommen scheint. Bei Wohnimmobilien ist eine breite Bewegung an der Basis festzustellen, die den Aufschwung trägt. Der Handel profitiert von guten Konsumaussichten und kann real erstmals nach langer Flaute zulegen. Auch das kontinuierliche Absinken der Flächenproduktivität könnte den Boden gefunden haben. Lediglich bei Büros herrschen die zyklischen Erholungs-Effekte vor.

Auf dem Tagungsklassiker „Quo Vadis“ von Heuer Dialog, stellte der von Immobilien Zeitung und ZIA initiierte Rat der Immobilienweisen bestehend aus Prof. Wolfgang Wiegard (Wirtschaft), BulwienGesa (Büro), GfK (Handel)und empirica (Wohnen) das Frühjahrsgutachten vor. Das Mitglied des Sachverständigenrates Wolfgang Wiegard sieht die Immobilienwirtschaft generell in positivem Umfeld. Die deutsche Immolilienwirtschaft profitiere insgesamt von günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der hohen Beschäftigung mit rückläufiger Arbeitslosigkeit, steigender Kaufkraft und moderaten Hypothekenzinsen. Zudem fließe viel internationales Kapital in den jetzt als krisensicher geltenden Investitionsstandort Deutschland. Inflationsängste teilte er dagegen nicht.

Der Wohnungsmarkt macht „Der Immobilienbrief“ den meisten Spaß. Schließlich sahen wir analytisch schon 2001 eine „Dekade des Wohnens“ mit positiverer Entwicklung als bei Gewerbe kommen. Das trat auch ein. Jedoch blieb die Dynamik durch die Folgen des „9/11“ und die strukturellen Anpassungsprozesse der Euro-Ära im internationalen Ver­gleich gering.

Auf dem Höhepunkt der letzten Krise vor zwei Jahren erwarteten wir, dass Wohnimmobilien nicht mehr nur für internationale Player, sondern auch wieder als Element des Inflationsschutzes und der Altersvorsorge eine breite Erholung erfahren würden. Das ist eingetroffen.

Der aktuelle Wohnungszyklus sei so dynamisch wie zuletzt Anfang der 90er Jahre, stellte Prof. Harald Simons, empirica, fest. Der Wohnungsmarkt hat ausgehend von den Ballungsräumen auch in der Fläche gedreht. Mieten und Preise legen erstmals seit vielen Jahren auch real zu. Seit 2005 hat die Zahl der Haushalte um 800.000 zugenommen. Wer hätte das im Gefolge der ewig warnenden Demographie-Debatte erwartet? Der Neubau hat nicht Schritt gehalten. Die Wohnungsfertigstell­ungen erreichten für Gesamtdeutschland den niedrigsten Wert seit 60 Jahren auch bezogen auf die damalige Bundesrepublik.

Damit ist lt. Simons endgültig die jahrelange reale Entwertung von Wohnungen zum Stillstand gekommen. Die Trendwende auf dem Wohnungsmarkt habe eine reale Basis und sei nicht Ausdruck einer kurzfristigen konjunkturellen Entwicklung. Die Nachfrage nach Wohnungen sei in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Der stetige Rückgang der Einwohnerzahl um 276 000 Einwohner seit dem voraussichtlichen historischen Bevölkerungsmaximum im Jahre 2005 wurde und wird nach empirica-Prognosen in Westdeutschland durch die Haushaltsverkleinerung noch für weitere 20 Jahre deutlich überkompensiert.

Den Wohnungsfertigstellungen von nur noch knapp 135 000 Wohnungen in 2009 in Westdeutschland stehen knapp 15 000 gemeldete Wohnungsabgänge und bis zu 150 000 undokumentierte Wohnungsabgänge gegenüber. Nur Wohnungsabrisse werden gemeldet und so statistisch erfasst, während die Mehrheit der Wohnungsabgänge, z.B. durch Zusammenlegungen, Nutzungsänderungen oder einfache Aufgabe der Vermietung in Höhe von schätzungsweise von 0,3% bis 0,5% pro Jahr unberücksichtigt bleiben.

Damit dürfte erstmals in der Geschichte das Wohnungsangebot in Westdeutschland zurückgegangen sein. Die marktfähigen Angebotsreserven dürften inzwischen in den meisten Regionen aufgebraucht sein. Hier besteht aus „Der Immobilienbrief“-Sicht noch erheblicher Rückbaubedarf von leerstehenden Wohnungen, die eine Sanierung nicht mehr lohnen. Auf heutigem Mietniveau für einfachen Wohnraum von 4,50 Euro bis 6 Euro lohnt sich auch kein Neubau, so dass die Mietperspektiven positiv sind.

Der Rückgang der Wohnungsbaufertigstellungen seit Mitte der 1990 Jahre konzentrierte sich auf den Mehrfamilienhausbau, während der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser auf Spitzenwerte von bis zu 62% stieg. Inzwischen liegen sowohl im Eigenheimbau wie auch im Mehrfamilienhausbau die Fertigstellungszahlen deutlich unter den langfristigen Nachfragetrends. Die Wohnungsfertigstellungen würden zwar wieder zulegen, jedoch alte Werte nicht erreichen, meint Simons. In 2011 würden noch Planungen und Baubeginne vorherrschen. Zwar rechnet Simons nicht mehr mit Wohnungsknappheit wie Anfang der 90er Jahre, jedoch werde in der Politik erstmals seit 15 Jahren nicht mehr nur über den Ölpreis, sondern auch wieder über steigende Mieten geredet. Das bestätige den Stimmungswandel. Vorreiter bei Mietsteigerungen bleiben die Top 5 Metropolen.