Herausforderungen als Chance begreifen – Läuft die Branche in die Zinsfalle?

Die diesjährige Handelsblatt Jahrestagung Immobilienwirtschaft stand ganz im Zeichen der noch aus der Volkswirtschaftslehre der 60er und 70er Jahre bekannten Niedrigzinsfalle (Liquidity Trap). Wie lange die daraus resultierende Asset Inflation bei Aktien und Immobilien noch gut gehen könne und wie lange die Nullzinsphase noch anhalte, war Leitfaden der diesjährigen Handelsblatt Veranstaltung.

Wieder in Hamburg, diesmal allerdings in Sofitel am Alten Wall, trafen sich namhafte Entscheider der Immobilienwelt auf der Handelsblatt Jahrestagung Immobilienwirtschaft Nach schlechten Erfahrungen mit Farbbeutelwerfern und Bus-Blockierern mit Randale-Bereitschaft in Berlin, war Hamburg zum zweiten Mal Austragungsort. „Herausforderungen“ war dabei das Schlagwort vieler Vorträge. Ob „Preise rauf, Rendite stabil? – Herausforderungen für Fondsmanager“ von Dr. Reinhard Kutscher, Chef der Union Investment oder „Den Herausforderungen gewachsen – Gesellschaftlichen Megatrends der Wohnungswirtschaft begegnen“ von Deutsche Annington CEO Rolf Buch, wurde deutlich, dass sich derzeit so gut wie jede Assetklasse vor „Herausforderungen“ gestellt sieht.

Dabei ist das gemeinsame Problem eigentlich ein Luxusproblem. Zuviel Kapital überschwemmt den Markt. Das beinhaltet die Gefahr von Asset Price Inflationen und Fehlallokation und führt zu eher dealorientiertem Denken. Aber für Sachwertstrategien gibt es keine Alternativen .So hat allein seit 2013 hat die Allianz SE ihr Immobilienvermögen um 9% auf 24,9 Mrd. Euro innerhalb von nur 2 Jahren erhöht. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz SE sieht hier noch weiteres Wachstumspotenzial für sein Unternehmen. Weitere Investmentpotentiale außerhalb des Fixed-Income-Bereichs sieht Heise allerdings im Bereich Infrastruktur. Auch wenn die Assetklasse mit 1,8 Mrd. Euro investiertem Kapital noch verhältnismäßig klein sei, so sei sie in den letzten beiden Jahren um 157% gewachsen. Hier würde Heise gern mehr Projekte anstoßen, allerdings blockiere die Politik Infrastrukturmaßnahmen. „Wir brauchen mehr ÖPP Projekte“, appellierte Heise an die Vertreter der Politik.

In Bezug auf die Knappheit von Investmentprodukten beruhigte Frank Pörschke, Deutschland-Chef von JLL zunächst einmal. Das weltweite Transaktionsvolumen von Gewerbeimmobilien war im letzten Jahr mit 710 Mrd. Euro so hoch wie seit 2007 nicht mehr. In diesem Jahr erwartet Pörschke sogar eine nochmalige Steigerung auf bis zu 750 Mrd. Euro. Offenbar gebe es noch genug Immobilienverkäufer, die bereit seien, zu verkaufen. In Deutschland wird es jedoch eng. Der Wettbewerb sei stark, da auch immer mehr ausländische Käufer nach Deutschland kämen. Bei einem Überangebot an Kapital erwartet Pörschke weiter steigende Preise. Für Deutschland rechnet Pörschke in diesem Jahr mit einem Gewerbe-Transaktionsvolumen von 42 Mrd. Euro (2014: 39,8 Mrd. Euro). Eine Folge-Krise wie zuletzt sieht Pörschke nicht. Die Banken hätten tatsächlich aus der Lehman-Pleite gelernt bzw. müssten sich dank neuer regulatorischer Vorschriften bei der Kreditvergabe deutlich restriktiver verhalten. Während 2007 der LTV bei üblichen 80% oder sogar deutlich darüber lag, sind heute die LTV bei 65% angelangt. Höhere Vorvermietungsquoten bei Projektentwicklungen würden gefordert und so gut wie kein spekulativer Bau werde mehr finanziert. Andererseits seien die Büromieten nicht in gleichem Maße angestiegen wie die Immobilienpreise. Das Wachstum bei den Bürospitzenmieten lag bei nur 0,9% p.a. seit 2007 und gleiche somit nicht einmal die Inflation aus. Dabei rücke der Großteil der Investoren auch zukünftig nicht von der Strategie ab, vornehmlich in Core und Core plus Objekte zu investieren. Die Bürorenditen würden weiter sinken. Solange die Immobilienanlage weiterhin attraktiv gegenüber vergleichbaren Alternativen sei, so Pörschke, werde weiterhin die Immobilie im Vorteil sein. Auch möglicherweise steigende Zinsen würden dies nicht verhindern, so das Auditorium in einer Umfrage.

Dass die Zinsen steigen werden, ist dennoch für die Tagungsteilnehmer unbestritten. Während die meisten von einer Zinssteigerung nicht vor 2017 ausgehen, sieht Allianz Chefvolkswirt Heise eine mögliche Zinswende bereits im nächsten Jahr auf uns zukommen. Die wirtschaftlichen Erwartungen für Europa seien wieder positiv. Die Inflation laufe wieder in die richtige Richtung. Die EZB müsse langsam daran denken, wie sie ihre expansive Geldpolitik wieder zurückfahren könne, so Heise. Dies müsse parallel zur Inflationsrate geschehen, die Heise bei 1,5% für 2015 sieht. Gerade Deutschland profitiere vom niedrigen Ölpreis gepaart mit Abwertung des Euro, die bei den privaten Haushalten dank positiver Einkommensentwicklung zu echter Konsumlaune geführt habe. Das Anlageproblem der Investoren werde allerdings auch bei steigenden Zinsen bestehen bleiben, da die Anhebung der Zinsen parallel gehe mit der Normalisierung der Inflationsrate, so Heise. Das deckt sich mit Erwartungen, die von den Chief Investment Officers auf dem „Der Platow Brief“ InvestorenFORUM (s.u.) geäußert wurden. Niedrige Realzinsen werden lt. Heise so zur neuen Normalität. Für den Immobilienmarkt bedeute dies weitere Preissteigerungen. Die Bildung von Preisblasen hält Heise dabei durchaus für möglich.

Genau die sieht Michael Meister, MdB und parlamentarischer Staatssekretär bei Bundeminister der Finanzen derzeit nicht. „Wir beobachten derzeit genau, wie sich die Situation besonders in den Ballungszentren entwickelt“, so Meister. Derzeit werde verstärkt darauf hingewirkt, dass der Finanzstabilitätsrat in seinen Kompetenzen gestärkt werde, um bei einer möglichen Blase am Immobilienmarkt rechtzeitig eingreifen zu können. Wie genau diese Kompetenzen aussehen sollen ließ Meister offen. Klar sei nur, dass alle Marktteilnehmer gefordert seien. Ganz oben auf der Agenda stehe im BMF derzeit die Neugestaltung des Investmentgesetzes zur Besteuerung der Investmentfonds, das nach derzeitigen Planungen am 1.1.2018 in Kraft treten soll. Auch die Grundsteuer solle reformiert werden. Sie müsse dabei als kommunale Einnahme gesichert werden. Das heißt, es solle weder eine Steigerung noch eine Senkung der derzeitigen Einnahmen geben. Das KAGB sieht Meister als großen Wurf, auch wenn gerade die Branche der geschlossenen Beteiligungen am Anfang stark dagegen gewettert habe. Das BMF habe versucht, die Interessen der Immobilienbranche mit denen des Anlegerschutzes zu korrelieren, so Meister.

Für Unbehagen sorgte bei den Teilnehmern der Tagung auch ein mögliches Negativzins-Szenario. Kurzfristig aushaltbar, sei dies langfristig natürlich nicht wünschenswert so Meister. Häuslekäufer freut es indes. Negativzinsen seien für Union Investment, so Reinhard Kutscher, kein Thema. Vielmehr nutze er die Chance sein Portfolio zu bereinigen. So konnte er das Durchschnittsalter seiner Portfolien in den Fonds von 10,3 Jahren in 2004 auf 9,9 Jahre im letzten Jahr senken. Ohne Portfoliobereinigungsmaßnahmen würde sein Portfolio heute ein Durchschnittsalter von 20,2 Jahren haben. Der Portfolioumschlag, also das prozentuale Verhältnis des Transaktionsvolumens bezogen auf das Immobilienvermögen, betrug in den letzten 10 Jahren 16% p.a. Dabei würden nicht nur kleinere Objekte, die nicht zur Anlagestrategie passen, veräußert, sondern auch Verkäufe von mittleren bis großen Portfolien seien denkbar, so Kutscher. Er sieht sein Unternehmen heute vielmehr denn je als aktiven Asset Manager. Preissteigerungen für weitere Zukäufe sieht Kutscher äußerst gelassen. Eine Preissteigerung von 10% mache sich erst in der zweiten Nachkommastelle der Fonds-Rendite bemerkbar, so der UI-Chef. Allerdings auch nur, wenn die Immobilien sich positiv entwickeln würde und gleichzeitig der Fonds eine gewisse Größe habe. Dabei kalkuliert die UI selbst bei ihrer laufenden Renditeberechnung stets mit einer negativen Wertänderung der Immobilie von 10 BP (0,1%). (AE)