Instrumente gegen die Wohnungsnot – Mehr Bauland, weniger Regeln, konsequente Eigenheimförderung

Ein Kommentar von Michael Ost, Vorsitzender des Vorstands der  Deutsche Bank Bauspar AG

 „Shrinking Cities“: So hieß ein von der Kulturstiftung des Bundes unterstütztes Projekt, das sich von 2002 bis 2008 mit dem Phänomen schrumpfender Städte befasste. Das Projekt war typisch für eine Meinung, die nach der Jahrtausendwende hierzulande vorherrschte: Deutschland, so hieß es bei den Fachleuten, sei gebaut, und der Bau von Wohnungen und Eigenheimen habe sich erübrigt – schließlich gebe es mehr als genug Wohnraum, und die Bevölkerung werde deutlich schrumpfen.

 

Heute wissen wir, dass diese Vorhersagen jenseits jeglicher Realität lagen. Nicht nur in den größten Städten, sondern auch in vielen prosperierenden Mittelstädten ist die Wohnungsknappheit zum beherrschenden Thema geworden. Eben erst hat das Pestel-Institut ausgerechnet, wie groß der Neubaubedarf in Deutschland ist. Bis 2025 müssten jährlich 314.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Nicht von ungefähr hat sich die große Koalition denn auch vorgenommen, in der laufenden Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen.

 

Allerdings deutet nichts darauf hin, dass sich dieses Ziel tatsächlich erreichen lässt. Unternehmen, die Wohnungen schaffen wollen, berichten von überforderten Bauämtern und langwierigen Genehmigungsverfahren. Dass Baufirmen und Handwerksbetriebe auf Monate hinaus ausgelastet sind, erschwert die Situation weiter, auch für Familien mit Kindern, die sich Wohneigentum schaffen wollen.

 

Was also ist zu tun, damit sich die Wohnungskrise nicht weiter verschärft? Vier Maßnahmen würden wirklich helfen.

 

Erstens: Die Städte und Gemeinden müssen alles daransetzen, ihre Bauämter wieder voll handlungsfähig zu machen. Weil über Jahre hinweg der Neubau auf niedrigem Niveau verharrte, hatten viele Kommunen ihre Ämter personell ausgedünnt. Entsprechend schwierig ist es für die verbliebenen Mitarbeiter, die gestiegene Zahl der Bauanträge zu bearbeiten. Nötig ist deshalb ein Programm der aktiven Personalrekrutierung, das die öffentliche Hand als attraktiven Arbeitgeber in den Blickpunkt rückt. Weil das aber voraussichtlich nicht ausreichen wird, sollte ein Vorschlag des ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) zumindest geprüft werden: Warum soll die Erstellung von Bebauungsplänen – selbstverständlich unter Einhaltung aller gesetzlicher Vorgaben – nicht an externe Planungsbüros vergeben werden können?

 

Zweitens: Wir brauchen mehr Bauland. Das kann die Ausweisung neuer Baugebiete bedeuten, aber auch die Aktivierung der in vielen Städten noch immer beträchtlichen innerstädtischen Baulandreserven. Großzügige Innenhöfe, ehemalige Bahn- und Gewerbeareale – überall können Wohnungen entstehen, ohne dass deswegen wertvolles innerstädtisches Grün im Übermaß geopfert werden müsste. Auch die zahlreichen suboptimal genutzten Grundstücke (man denke an die eingeschossigen Supermärkte in den Innenstädten) bieten noch viel Raum für eine dichtere Bebauung.

 

Drittens: Deutschland muss den Mut aufbringen, die Bauvorschriften zu vereinfachen und zu reduzieren. Nach Angaben des ZIA hat sich deren Zahl seit dem Jahr 1990 auf rund 20.000 fast vervierfacht. Schallschutz, Brandschutz, Tierschutz, Baumschutz, Energieeffizienz: Das sind zwar alles wichtige Anliegen. Sie sind mittlerweile aber von einem derart dichten Regelwerk durchzogen, dass Architekten und bauwillige Unternehmen nicht selten verzweifeln.

 

Besonders ärgerlich ist, dass die Verantwortlichen das Problem der überbordenden Regelungsdichte längst erkannt haben, ohne erkennbare Konsequenzen daraus zu ziehen. Schon 2015 hat die vom Bundesbauministerium eingesetzte Baukostensenkungskommission einen 181 Seiten dicken Bericht mit zahlreichen sinnvollen Vorschlägen für den Abbau überflüssiger oder schädlicher Regeln vorgelegt. Und im vergangenen September hat der von Bundeskanzlerin Angela Merkel einberufene Wohngipfel bekräftigt: „Technische Standards und Normen sowie Gesetze dürfen nicht dazu führen, dass Bauen und damit auch Wohnen unerschwinglich wird. Die Kosten-Nutzen-Prüfung muss in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen.“

 

Viertens: Die Politik darf das Augenmerk nicht ausschließlich auf den Mietwohnungsbau richten. Immerhin schleppen die Deutschen in punkto Wohneigentum noch immer die rote Laterne in Europa und lassen damit ein wichtiges Instrument der persönlichen Altersvorsorge einerseits, aber auch ein durchaus relevantes Vehikel zur Beseitigung des eklatanten Wohnraummangels andererseits ungenutzt. Denn auch Eigenheime (seien es Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen für den Eigenbedarf oder zur Fremdnutzung) vergrößern das Wohnungsangebot und reduzieren den Mangel. Und das in einem nicht zu unterschätzenden Umfang.

 

Mit dem Baukindergeld hat die Bundesregierung einen ersten Schritt getan, um Familien den Weg ins Eigentum zu ebnen. Dabei darf es aber nicht bleiben. Es braucht weitere Anreize in Form einer klugen Unterstützung wie beispielsweise eines KfW-Bürgschaftsprogramms zur Stärkung der Eigenkapitalbasis. Auch ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer beim erstmaligen Erwerb von Baugrundstücken für Familien wäre ein begrüßenswert konsequenter Schritt in die richtige Richtung.

 

Alle diese Maßnahmen wirken nicht von heute auf morgen. Aber die Verantwortlichen müssen sie heute in Angriff nehmen, damit die bereits Realität gewordene Wohnkrise mit ihren vieldimensionalen sozialen Brennpunkten in Zukunft nicht noch weiter dynamisiert wird.