Niedrige Zinsen machen sich bemerkbar
Ein weiteres Jahr in einem historisch niedrigen Zinsumfeld liegt hinter uns – und ein Anstieg scheint vorerst nicht in Sicht. Wie sich das Zinsniveau auf den Immobilienmarkt auswirkt und warum eine Korrektur nicht die Banken treffen wird, sondern eher die Eigenkapitalgeber, erläutert Peter Axmann, Leiter Immobilienfinanzierung bei der HSH Nordbank, im Gespräch mit dem Immobilienbrief.
Mittelfristig steigende Zinsen, hohe Preise, sinkende Renditen: Immobilienfinanzierer und Investoren müssen Risiken angemessen antizipieren. Unterhalb einer gewissen Objektrentabilität steigen Banken daher gar nicht mehr in die Finanzierung ein.
Herr Axmann, das Niedrigzinsumfeld sorgt seit Jahren für eine hohe Nachfrage nach Immobilien. Was sind die Folgen?
Das Niedrigzinsumfeld hat in den vergangenen Jahren in Deutschland für einen überproportionalen Preisanstieg in fast allen Immobiliensegmenten gesorgt. Institutionellen Anlegern wie Versicherungen, Pensionskassen oder Vorsorgeeinrichtungen fehlen einfach die Alternativen. Für viele Investoren geht es inzwischen schon nicht mehr darum, eine gute Rendite zu erzielen, sondern vielmehr um Kapitalerhalt – sie parken ihr Geld regelrecht in der Assetklasse Immobilien. Für die Banken hat diese Zyklusphase zwei Seiten: Einerseits sind die Risikokosten gering, es gibt wenige Wertberichtigungen, und Erträge werden erwirtschaftet. Andererseits schrumpfen eben diese Erträge durch sinkende Margen, und auch die Kreditbestände zu halten ist herausfordernd, da viel Kapital im Markt ist.
Hohe Nachfrage lässt die Preise steigen und die Renditen sinken. Stimmt aus Ihrer Sicht noch das Rendite-Risiko-Verhältnis für Investoren?
Nicht überall. Renditen unter drei Prozent sind bei Gewerbeimmobilien nur mit dem derzeitigen, historisch niedrigen Zinsniveau zu rechtfertigen. Unter Risikogesichtspunkten ist das schon bedenklich, weil Verwaltungsaufwendungen, Instandhaltungsmaßnahmen, Vermietungsrisiken etc. vielleicht nicht mehr überall abgefedert werden können. Wenn es so weit geht, dass ein Projektentwickler mit weiteren Mietsteigerungen kalkulieren muss, damit sich sein Projekt rechnet, wird es gefährlich. Denn sobald die Zinsen wieder steigen, wird es zu Preiskorrekturen kommen.
Für Projektentwickler und Investoren kann es daher heute auch durchaus interessant sein, in Value-Add-Immobilen, in B- oder C-Städte, in mittlere Lagen oder auch in Nischen-Assetklassen zu gehen. Vorausgesetzt, der Einstand ist günstig und der Projektentwickler hat Erfahrung in diesem Geschäft und bringt entsprechendes Know-how mit. Denn natürlich gibt es bei diesen Objekten höhere Risiken, die er kennen und beherrschen muss – aber eben oft auch bessere Renditechancen.
Um auf eine angemessene Rendite zu kommen, steigt die Risikobereitschaft bei Investoren. Wie reagieren Sie als Bank bei der Finanzierung darauf?
Aus der Finanzkrise haben Banken und Kreditinstitute aus meiner Sicht ihre Lehren gezogen. Regulierungen wie etwa Basel III schreiben zudem eine stärkere Eigenkapitalunterlegung vor. Wir schauen sehr genau auf die Erträge, die mit dem Objekt generiert werden können, bei Wohnimmobilien auch auf die Drittverwendungsfähigkeit, den Betreiber oder Verwalter und die Mieterzusammensetzung. Auch der Track- Record des Bauträgers oder des Projektentwicklers ist darüber hinaus ein nicht zu unterschätzendes Kriterium bei der Beurteilung eines Vorhabens.
Immer mehr Investoren akzeptieren inzwischen auch bei Objekten mit nur mittlerer Qualität sehr hohe Ankaufspreise. Wie reagieren Banken darauf?
Ja, das sehen wir auch, nicht nur bei Bestandsobjekten, sondern auch und gerade bei den Grundstücken. Die Preisübertreibungen häufen sich momentan, vielerorts haben wir schon ein Niveau wie vor der Krise erreicht. Für uns als finanzierende Bank ist daher vor allem entscheidend, ob aus dem laufenden Cashflow der Schuldendienst geleistet werden kann. Dabei kalkulieren wir steigende Zinsen ein: Unser Portfolio könnte einen Zinsanstieg von ungefähr vier Prozent verkraften – vor zehn Jahren lag dieser Puffer noch bei unter einem Prozent.
Was passiert, wenn es durch steigende Zinsen zu Marktkorrekturen kommt?
Ich sehe in den kommenden zwei Jahren keinen spürbaren Anstieg der Zinsen, weil sie weiterhin politisch niedrig gehalten werden. Kommt jedoch die Zinswende, verteuern sich die Finanzierungskosten, meist gefolgt von einer Preiskorrektur. Allerdings wird es nicht wie in der letzten Krise direkt die Banken treffen, sondern zunächst das Eigenkapital und die Meazzanine-Tranchen. Wir liegen heute mit Beleihungsausläufen von bis zu 70 Prozent deutlich unter den Maximalgrenzen vor damals.
Einhergehend mit attraktiver werdenden Zinsen für risikoarme Alternativanlagen wird ein weiterer Aspekt auf die Preise drücken: Viele institutionelle Anleger werden dann wieder verstärkt in Wertpapiere, zum Beispiel in deutsche Staatsanleihen, investieren. Dieses „Umschichten“ wird zu einer geringeren Nachfrage nach Immobilieninvestitionen führen.
Margendruck und der „Zwang zum Geschäftsabschluss“ sorgt bei einigen Bankern auch für die Bereitschaft, mehr Risiko einzugehen. Sehen Sie ähnliche Tendenzen in Ihrem Haus?
Nein, das sehe ich bei uns nicht. Wir machen kein Geschäft um jeden Preis, sondern finanzieren immer mit Blick auf ein gutes Risiko-Ertragsprofil. In 2015 haben wir Neugeschäft von rund 4,5 Milliarden Euro geschrieben, wohlgemerkt ohne Prolongationen. Für 2016 haben wir unsere Neugeschäftsplanung dem Zyklus angepasst und rechnen mit rund 4 Milliarden Euro. Wichtig ist uns, dass unser Kreditbestand eine gute Durchmischung sowohl nach Nutzungsart als auch nach Region hat. Gut 80 Prozent unseres Portfolios verteilt sich nahezu zu gleichen Teilen auf die Assetklassen Büro, Wohnen und Einzelhandel.
Alternative Finanzierungen spielen noch keine Hauptrolle am Markt. Sehen Sie am Gewerbefinanzierungsmarkt eine Tendenz zur Öffnung in Richtung Kapitalmarkt? Der Trend ist eindeutig zu beobachten. Zum einen gab es in den vergangenen Jahren mehrere Börsengänge in Deutschland, zum anderen versuchen manche Projektentwickler und Bestandshalter, sich unabhängiger von Banken zu machen. Momentan lassen sich viele Immobilienaktiengesellschaften ein Rating erstellen, um in Folge Unternehmensanleihen zu emittieren. Zudem spielt vermehrt auch das Thema Mezzanine eine Rolle. Daneben haben vor allem kleinere Projektentwickler Crowdinvesting für sich entdeckt. Allerdings ist der Anteil am gesamten Finanzierungsvolumen mit unter einem Prozent sehr gering.
Was wünschen Sie sich für 2017, und welche Marktentwicklungen sehen Sie?
Für 2017 wünsche ich mir, dass die Branche weiter einen kühlen Kopf behält und Preisübertreibungen sich in Grenzen halten. Ansonsten gehe ich davon aus, dass die Preisrallye weiter anhalten wird – maßgeblich getrieben durch die starke Nachfrage von institutionellen Anlegern. Auch wenn die Zeichen in den USA auf Anhebung der Leitzinsen stehen, sehe ich das für Europa im Jahr 2017 noch nicht.