Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla, Düsseldorf
Partner der Sozietät Grooterhorst & Partner Rechtsanwälte mbB
Mit Urteil vom 5.2.2014 (XII ZR 65/13) hat der BGH zu zwei in der Praxis des Gewerberaummietrechts sehr bedeutsamen (Schriftform-)Fragen Stellung genommen. Zum einen, ob es bei der einseitigen Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung zu einem Schriftformverstoß (§ 550 BGB) kommen kann. Zum anderen, ob eine Mieterhöhung infolge Indexveränderung einen Schriftformverstoß nach sich führt, wenn die Parteien die erhöhte Miete beispielsweise nicht in einem Nachtrag zum Mietvertrag dokumentieren. Beide Fragen verneint der BGH.
1. Sachverhalt
Zwischen den Parteien besteht ein bis zum Jahre 2010 befristeter Gewerberaummietvertrag mit Verlängerungsoption für die Mieterin. Die Höhe der Nettomiete ist bis zum 31.12.2008 festgeschrieben. Danach „ändert sich der vereinbarte Mietzins jeweils zum 1.1. in dem gleichen Ausmaß, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland insgesamt nach oben oder unten geändert hat. Die Anpassung der jeweils geänderten Miete erfolgt automatisch zum 1.1. eines jeden Jahres durch schriftliche Mitteilung des Vermieters. Der Zeitpunkt der Mitteilung hat keinen Einfluss auf das Inkrafttreten der Mieterhöhung.“
Zuzüglich zur Miete schuldet die Mieterin eine monatliche Nettovorauszahlung auf die anfallenden Nebenkosten. Zur Höhe der Nebenkostenvorauszahlung bestimmt § 5 Ziff. 1 des Mietvertrages: „Sich aus einer Nebenkostenvorauszahlung ergebende Guthaben bzw. Nachforderungen sind unverzüglich gegenseitig auszugleichen. In diesen Fällen sowie bei einer Erhöhung oder Senkung der Nebenkosten darf seitens der Vermieterin der monatlich zu zahlende Vorschuss entsprechend neu festgesetzt werden“.
Nachdem die Nebenkostenabrechnung im Jahr 2005 zu einer Nachforderung von ca. € 5.200,00 netto geführt hat, teilt die Vermieterin der Mieterin schriftlich mit, dass eine Anpassung der Vorauszahlung notwendig sei und sich die Nebenkostenvorauszahlung ab August 2007 monatlich erhöhe. Den erhöhten Betrag zahlt die Mieterin. Im März 2009 kündigt die Mieterin den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformverstoß zum 30.9.2009, u.a. weil die Anhebung der Nebenkostenvorauszahlung nicht die Schriftform des § 550 BGB wahre. Mit Schreiben vom 31.3.2009 errechnet die Vermieterin auf der Grundlage der seit Mietbeginn erfolgten Steigerung des Verbraucherpreisindexes eine eingetretene Erhöhung der Nettomiete und verlangt eine Nachzahlung für die Vergangenheit. Die Mieterin zahlt die Mieterhöhung bis September 2009 und verweigert ab Oktober 2009 jede Zahlung.
2. Entscheidung des BGH
Der BGH verneint ein Kündigungsrecht der Mieterin und gibt der Zahlungsklage der Vermieterin statt. Ein Schriftformverstoß (§ 550 BGB), der zu einer (vorzeitigen) Kündigung innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 580 a BGB) berechtigt, ergebe sich weder aus der vorgenommenen Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung noch aus der Mieterhöhung infolge Indexveränderung.
Zur Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung sei die Vermieterin aufgrund der Anpassungsklausel im Mietvertrag (§ 5 Ziff. 1) berechtigt. Diese Vereinbarung entspreche sinngemäß dem nur auf Wohnraummietverhältnisse anwendbaren § 560 Abs. 4 BGB. Danach kann der Vermieter durch einseitige Erklärung in Textform (§ 126 b BGB) die Vorschüsse anpassen, ohne dass es einer Zustimmung der Gegenseite bedürfe. Damit korrespondierend ist in § 5 Ziff. 1 des Mietvertrages vorgesehen, dass die Vermieterin eine Anpassung der Vorschüsse durch einseitige Erklärung verlangen dürfe. Entsprechend seien die Vertragsparteien auch vorgegangen: Die Vermieterin hat der Mieterin den ab August 2007 zu zahlenden höheren Vorschussbetrag mitgeteilt, und die Mieterin hat dieser Aufforderung ohne Angabe weiterer Erklärungen Folge geleistet.
Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Vertragsparteien bei der Gewerberaummiete in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbaren, dass der Vermieter im Anschluss an Nebenkostenabrechnungen die Höhe der Nebenkostenvorauszahlung durch einseitige Erklärung anpassen dürfe. Der Schutzzweck des § 550 BGB stehe dem nicht entgegen. Dieser ziele darauf, einem späteren Grundstückserwerber Klarheit über die Bedingungen eines langfristigen Mietvertrages zu verschaffen. Allerdings gebe es auch Fallgestaltungen, in denen eine umfassende „Informationsverschaffung“ nicht möglich ist. Dies gelte z.B. für Mietvertragsverlängerungen infolge Optionsausübung. Hier sei der Erwerber durch die im Mietvertrag vereinbarte Verlängerungsoption hinreichend gewarnt. Über etwaige Optionsausübungen müsse er sich ggf. bei dem Verkäufer oder bei dem Mieter erkundigen. Nicht anders liege es bei der Anpassungsklausel in § 5 Ziff. 1 des Mietvertrages. Auch hier sei das Schutzbedürfnis eines Grundstückserwerbers gewahrt, da ihn die Klausel deutlich auf die Möglichkeit einer gegenüber der Vertragsurkunde geänderten Höhe der Vorschüsse hinweise.
Ein Kündigungsrecht ergebe sich auch nicht aus der erfolgten Mieterhöhung. Nach der wirksam im Mietvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel trete die Anpassung der Miete ab dem Jahr 2009 automatisch jeweils zum Jahresanfang ein. Diese vertragliche Vereinbarung sei bereits im ursprünglichen Mietvertrag enthalten und entspreche daher dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB. Soweit die Klausel eine schriftliche Mitteilung des Vermieters vorsehe, habe diese Mitteilung rein deklaratorischen Charakter. Sie führe daher nicht dazu, dass die Vertragsparteien über eine indexbedingte Mieterhöhung, z.B. einen Nachtrag zum Mietvertrag, abschließen müssten.
3. Konsequenzen für die Praxis
Im Hinblick auf Mieterhöhungen infolge Indexveränderungen bestätigt der BGH ausdrücklich die Zulässigkeit der gängigen Vertragspraxis, wonach derartige Mieterhöhungen regelmäßig „außerhalb“ des Mietvertrages durch gesonderte Mieterhöhungsschreiben erfolgen. Bezüglich der Möglichkeit der Anpassung von Betriebskostenvorauszahlung bestätigt der BGH, dass die Vorschrift des § 560 Abs. 4 BGB im Gewerberaummietrecht nicht gilt. Um dem Vermieter die Möglichkeit von Anpassungen der Betriebskostenvorauszahlungen zu eröffnen, muss der Vermieter daher im Mietvertrag mit dem Mieter eine ausdrückliche Anpassungsklausel vereinbaren. Eine solche ist nach Auffassung des BGH auch formularmäßig (AGB) möglich.