Kommentar: Das Kreuz mit der Transparenz – eine Aufgabe für die gif?

Dr. Thomas Beyerle

Dr. Thomas Beyerle

Dr. Thoma Beyerle, gif AK II 

 

Die Wertschätzung welche den Markteckdaten zukommt, korreliert zumeist mit der empfundenen Marktsituation. Ist diese „irgendwie“ angespannt oder befindet sich der Markt gerade „im Umschwung“ findet sich in der Regel eine große Aufmerksamkeit – vor allem in der Kommentierung der daraus resultierenden „minus“ oder „plus“ – verglichen mit den Vorquartals- oder Vorjahreswerten. Das damit Politik – die berühmte „Schönwetterpolitik“ gemacht wird – stimmt indes schon lange nicht mehr. Denn je breiter und tiefer das Zahlengerüst ist, desto stabiler kann und muss eine Kommentierung erfolgen. In den letzten 10 Jahren hat unsere Branche – unter hohem Einsatz der Datenoffenlegung – hier einen außerordentlichen Transparenzschwung gemacht. Doch leider „frisst“ auch hier die Transparenz ihre Kinder. Denn mit jedem erreichten Ziel erwachsen Neue. Mit anderen Worten: mit jeder neuen Definitionsanforderung werden automatisch die Vergangenen in Frage gestellt. Warum dem so ist? Nun, der Teufel steckt auch hier im vorliegenden Fall im Detail – denn wir wissen auch, dass wir gemäß den Definitionen welche wir uns gegeben haben, nicht alle Transaktionen und Vermietungen abbilden können. Bekanntes Beispiel: Flächen unter 500 m². Wir ahnen, dass es im kleinteilig angelegten Berlin deutlich mehr sein müssen also im „großen“ Frankfurt. Mit dem Ergebnis, dass bei der offiziellen gif-Erfassung die Bundeshauptstadt – vielleicht – deutlich besser abschneiden würde als München oder Frankfurt. An der Erfassung dieses Segments ist der gif Arbeitskreis selbstverständlich dran. Das Ergebnis ist indes auch klar: wir werden zum Zeitpunkt der Erfassung und Publikation neue Zeitreihen haben. Wenn Flächen nachgemeldet werden, ist dies ohne Wenn und Aber zu begrüßen – auch wenn es kurzfristig zu Nachfragen führt. Denn offensichtlich nehmen die Kollegen den Anspruch an eine zeitraumgenaue Datenzuordnung und rückwirkende Anpassung bereits veröffentlichter Daten sehr ernst. Gleichwohl findet dies nicht einheitlich statt. Grundsätzlich stehen sich im Dschungel der Statistik zwei Lager gegenüber: Die einen passen die Zahlen retrospektiv an, die anderen schlagen diese zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens dazu. Damit sind naturgemäß Vorteile, aber auch Nachteile verbunden. Zurück bleibt – zugegebermaßen – der verwirrte Investor der – trotz Datenharmionisierung und gif Prädikatsstempel bei historischen Zahlen unter Umständen eine Spannbreite statt eines festen Wertes vor sich hat. Die retrospektive Anpassung macht das Leben schwerer, denn die ehemals getroffenen Trendaussagen werden im schlimmsten Fall obsolet. Das Zeitfenster der Aktualität von Marktreports schrumpft dadurch dramatisch. Das Zuschlagen bei Informationslage ist ein sicher praktikabler Weg, lässt aber ebenfalls Sprünge in der Statistik zu, welche die aktuellen Marktzahlen im ungünstigsten Falle „explodieren“ lassen – also besser darstellen als sie wirklich sind. Doch diese vermeintliche Intransparenz bzw. time lag Problematik findet sich auch außerhalb der Immobilienwirtschaft. Hier scheint auch ein Blick in statistiknahe Nachbardisziplinen angebracht: die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird bis 3 Jahre retrospektiv angepasst. Wirtschaftsinstitute wie z.B. Oxford Economics, lassen sich dabei aber nicht davon abhalten, leicht andere Zahlen zum BIP auszuweisen als unser statistisches Bundesamt, und erstellen ihre eigenen Prognosen. Eine Lösung: kurzfristig noch mehr Transparenz, aber klar doch – am besten mit einem noch engeren Definitionsrahmen a la gif. Doch hierzu ein klares Nein. Denn dieses Rennen können wir aktuell nicht gewinnen: solange Deals einfach „unter der Hand laufen“, die Parteien im gegenseitigen Einvernehmen Schweigen vereinbaren und sich erst Monate später hierzu outen, so lange laufen die Researcher – getrieben von einem hohen Anspruchsniveau an ihre tägliche Arbeit – hinterher. Eine 100%ige Erfassung von Zahlen ist nicht von der Definition abhängig, sondern immer auch von Nacharbeiten, Prüfungen, Bereinigungen. Dies braucht freilich Zeit. Je schneller der Markt diese haben will, je eher wird rückwärts auch mal angepasst müssen. Denn es wäre nur eine Nuance der Transparenz und macht den Markt weder besser noch schlechter: zumal die wenigsten die Fußnoten dazu bereits heute offensichtlich lesen. Aber genau hier sind wir in der grundsätzlichen Problematik und sicherlich auch beim eigentlichen Defizit: wir überlassen die Interpretation der Zahlen, sei es in Form einer echten Verkaufs- oder Kaufempfehlung, Dritten. Das dies eine qualitative Verbesserung wäre diesen Mehrwert darzustellen, denn an der Definition herumzudoktern oder gar Zahlen zu erfassen die keinen echten ökonomischen Mehrwert mehr generieren, liegt auf der Hand. Deshalb sollte hierin der inhaltliche Schwerpunkt der Arbeit der gif liegen – und nicht im Nachschärfen von unterjährigen Werten.