Kommunikationskongress 2009: Pressearbeit zwischen Twittern, Sparzwang und (vergessenem) Handwerk

Bernhard S. Maier, PR / Text / Medien

Erinnern Sie sich, was Sie vor einem Jahr mit dem Begriff Twittern verbunden haben? Wahrscheinlich nichts. Heute ist Twittern der neue Hype der Kommunikationsbranche. Entsprechend nahm es auch in den Panels und Workshops des Kommunikationskongresses 2009, zu dem sich an die 1.400 Presseverantwortlichen von Unternehmen und Institutionen am 10. und 11. September in Berlin versammelt hatten, breiten Raum ein.

Der Kongress beschäftigte sich aber nicht nur mit Innovationen. Einmal mehr wurde deutlich, dass die Werte guter Unternehmenskommunikation nach wie vor gelten: Transparenz, Offenheit, Dialogstärke und Inhalte. Dies gilt insbesondere in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation, die das Vertrauen in die Institutionen geschwächt hat und deshalb erhöhten Erklärungsbedarf mit sich bringt.

Basisvoraussetzung ist aber die Beherrschung des Handwerks. Ein Panel beschäftigte sich mit den „schönsten“ Fehlern de Presseabteilungen. Ganz vorne steht der Versand einer Pressemeldung als angehängtes WORD-Dokument im Korrekturmodus. Allerdings werden Anhänge aber so gut wie nicht geöffnet. Dann kommt die fehlende Rückfragemöglichkeit nach dem Versand einer Meldung und schließlich der Versand einer Meldung mit einem für alle offenen Presseverteiler in der Adresszeile. Ebenso beliebt – und bei der Gegenseite gefürchtet – inhaltsleere Zitate, veraltete Presseverteiler, Mail-Betreffzeilen mit dem Text „Pressemeldung“ (hat sofortige Löschung zur Folge), geschützte Pressebereiche im Internetauftritt oder die Rückfrage, ob eine Meldung beim Redakteur angekommen sei. Übrigens, sollte Ihr Unternehmen immer noch Pressemeldungen als Fax versenden: Faxe sind für Redaktionen mittlerweile ein absolutes No Go – Wahrnehmungswert gleich Null.

Der Kongress bündelte als Branchenforum inzwischen zum 6. Mal die aktuellen Entwicklungen. Neben prominenten Key-Note-Speakern wie Dieter Zetsche, Roland Koch oder Hans-Jürgen Papier sind vor allem die Expertenvorträge gefragt, die neue Trends vorstellen. 2009 konnte auch in diesem Kreis die Wirtschaftskrise nicht außer Acht gelassen werden. Die Pressesprecher stellen einen gesteigerten Kommunikationsbedarf fest bei gleichzeitig etwas geringeren Ressourcen. Die Krise wirkt sich auf der Seite der Medien aber stärker aus, wegen zurückgehender Werbeeinnahmen unterliegen sie strikten Sparvorgaben. Die Zusammenlegung von Redaktionen, Streichung von Redakteursstellen und die Bedienung von Online- und Printmedien aus einer Hand stellen einen echten Umbruch dar.

Zusätzlich hat sich Redaktionsarbeit gerade durch die Einbindung der Onlinemedien extrem beschleunigt. Frank Syré, stv. Chefredakteur von Bild.de erläuterte dies am Beispiel der Rücktrittsmeldung von Dieter Althaus: Nach Bekannt werden der Meldung wurden von der Redaktion innerhalb einer Stunde an die 50 Meldungen / Relaunches, ein Video sowie Aktualisierungen des Archivmaterials produziert. Kleiner Tipp: Machen Sie den Test mit NewsGoogle und prüfen Sie, wie viele Meldungen Sie zu einem aktuellen Thema innerhalb einer Stunde finden können.

Redaktionen arbeiten mittlerweile nach dem Prinzip 24/7, d.h. 24 Stunden an 7 Tagen Arbeit, weil die Onlinemedien rund um die Uhr gefüttert werden sollen. Das Ideal ist die mediale Doppelung der Ereignisse der Welt in Echtzeit. Für Pressearbeit und insbesondere Krisenkommunikation heißt dies auch 24/7. Da man aber nie weiß, wann eine Krise ausbricht sollten Presseabteilungen rund um die Uhr erreichbar sein, inklusive eines jederzeit einsetzbaren Krisenkommunikationsplans.

Die neuen Strukturen haben Konsequenzen: Die anwesenden Journalisten klagen über erheblichen Zeitdruck, so dass für Außenkontakte – z.B. zu PR-Leuten – wesentlich weniger Zeit zur Verfügung steht. Die Ansprüche an die Professionalität der Pressearbeit steigen so, da jeder Fehler als Arbeitsbehinderung verstanden wird. Umgekehrt muss Pressearbeit – im Eigentlichen aber Medienarbeit – neben einer klaren Storyformulierung sich besonders auf die digitalen Medien konzentrieren. Diese bieten die Chance aus eigener Kraft Aufmerksamkeit zu generieren, der neuen Währung im PR-Geschäft. Standen früher Inhalte im Vordergrund so ist jetzt die Marke, das Unternehmen etc. digital sichtbar zu machen. Inhalte, die in den Offline-Medien verbreitet werden, dienen dann sozusagen nur als infrastrukturelle Grundierung, wie Prof. Rolke von der FH Mainz ausführte. 

Medienarbeit heißt also vor allem auch, die Kanäle auszufiltern, die die Persönlichkeit eines Unternehmens zur Geltung kommen lassen, so dass Meldungen und Stories auch die Gatekeeper in den Redaktionen erreichen. Dies fällt großen Unternehmen leichter, bei kleineren ist es aber genauso wichtig, setzt aber eine bessere Vorbereitung (oder kompetente Beratung) bei der Auswahl der regionalen oder fachspezifischen Medien voraus.

Leichter gelingt dies, wenn man über die Online-Kommunikation im direkten Kontakt mit den Usern geschieht. Interaktivität kommt hier ins Spiel, Twittern – also maximal 140 Zeichen lange SMS-Meldungen, die sofort online gehen – führt zu dynamischen Websites, die den Dialog mit den Usern laufend wiedergeben. (Der Autor Bernhard Maier ist erfahrener Lektor eines renommierten Verlages gewesen und verfügt über zuletzt 10 Jahre Erfahrung als Pressesprecher einer Immobilienaktiengesellschaft)