Land Berlin nimmt SEZ selbst in die Hand

Das ist ein Paukenschlag und der Stadtentwicklungs- und Bausenator Andreas Geisel macht Nägel mit Köpfen – das Land Berlin übernimmt das B-Planverfahren für das Sport- und Erholungszentrum SEZ vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und macht nun dringende Gesamtinteressen Berlins gemäß §7 Abs. 1 Nr. 5 AGBauGB geltend. Die Berliner Bäderbetriebe hatten Ende 2002 den Betrieb des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) aus Kostengründen eingestellt. Das gut 4,5 ha große herrlich gelegene Areal wurde 2003 an den „Investor“ Rainer Löhnitz aus Leipzig für einen symbolischen Euro veräußert und fristete seitdem ein Dasein bis hin zu einer  regelrechten Schrottimmobilie, in der Senats-Pressemitteilung elegant umschrieben:„ …und wird seitdem nur untergeordnet genutzt“.

Im SEZ 1981 (Quelle: Bundesarchiv)

Im SEZ 1981 (Quelle: Bundesarchiv)

Das zuständige Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte im Juli 2013 den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans 2-43 mit dem Planungsziel „Sport und Erholung“ gefasst und damit die Absicht verfolgt, die ehemalige Nutzung planungsrechtlich zu sichern. Nach diversen Einwänden von Löhnitz griff der Bezirk ein Jahr später zum äußersten Mittel und erließ eine Veränderungssperre für das Gelände. Denn nun war die Absicht des Investors offensichtlich – Wohnungsbau wie von ihm angeblich geplant war für ihn ernsthaft nie vorgesehen, zu schön und lukrativ die Lage am Volkspark Friedrichshain und den Fernsehturm in der östlichen Stadtmitte in Sichtweite. Insider erklären diese Absicht so: „Es ging nicht primär um Wohnungsbau, Grünflächen oder Sport. Es ging auch nicht primär um Bauinvestitionen. Es ging, wie so oft, ausschließlich ums Geld. Hier möchte jemand durch Bauvorbescheid Baurechte absichern und die dazugehörigen Flächen dann als Bauland verkaufen.“ Und weiter der Experte: „2003 wurde das Grundstück mit 50.000 qm für 1 Euro erworben. Also 0,002 Cent je qm. Ein echtes Schnäppchen. Der Bodenrichtwert für Wohnbauland dort liegt zwischen 270 und 450 Euro je qm, je nach zulässiger Baudichte. Selbst wenn es nur gelänge 10% zu Wohnbaufläche zu machen, winken Millionengewinne. Die Frist, nach der Spekulationsgewinne durch Bodenwertsteigerungen steuerfrei sind, beträgt hierzulande 10 Jahre.“

Zum Schluss die Frage: „Wie nur konnte das Land Berlin 2003 so unklug gewesen sein, für 1 Euro ein solches innerstädtisches Filetgrundstück zu verkaufen? Es war die Hoffnung, ein Investor würde diese indirekte Millionensubvention in das Objekt stecken, um es wieder flott zu machen. Leider geriet man anscheinend an einen klassischen Bodenspekulanten, der mit minimalst möglichem Aufwand das Objekt über die Runden brachte und jetzt Kasse machen will.“

Da kommt die Senatsmaßnahme tatsächlich einem Rettungsanker für einen  Ertrinkenden gleich und Berlin steht nicht mehr machtlos dem drohenden Abriss gegenüber..Senator Andreas Geisel sagte dazu: „Wir wollen das Wachstum Berlins sozial gestalten. Dazu gehören neben neuen Wohnungen auch Kitas, Schulen, Sport- und Freizeitflächen. Das Areal des SEZ bietet die einmalige Möglichkeit, in zentraler Lage all diese Dinge umzusetzen. Eine integrierte, an die Bedürfnisse Berlins angepasste Entwicklung leistet hier einen wertvollen Beitrag für die Nachbarschaft und die gesamte Stadt.“

Mit der Übernahme des B-Planverfahrens durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung werde dieses Ziel nun konsequent verfolgt, so Geisel. „Wir werden jetzt eine zukunftsfähige Entwicklung des Standortes anstoßen.“ Das bereits vorhandene Baurecht (!) soll städtebaulich sinnvoll gesteuert werden. Zusätzlich zu den sportlichen Nutzungen soll die Entwicklung von Wohnungsbau, sozialer Infrastruktur und Dienstleistungsangeboten planungsrechtlich ermöglicht werden. Die Sicherung eines dringend benötigten Schulstandortes wird im Verfahren geprüft. Mit der Anwendung des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung wird ein Anteil von 25% mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum sichergestellt. Weiterhin ist die Festsetzung von Flächen vorgesehen, auf denen nur Wohngebäude im Standard der sozialen Wohnraumförderung errichtet werden können.

Das SEZ war mehr als nur das Blubb

Heute werden nur wenige wissen, was das SEZ einst war. Das Sport- und Erholungszentrum wurde am 20. März 1981 nach Plänen eines schwedischen Architektenteams von der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin unter Leitung von Architekt Professor Erhardt Gißke fertiggestellt und nach 27-monatiger Bauzeit eröffnet. Es zog bereits in den ersten fünf Jahren seines Bestehens 16 Mio. Besucher an. Die moderne und offene Architektur mit über 15.000 qm Glasfläche betonte auch von außen den einladenden Charakter des Hauses an der Landsberger Allee. Der gesamte Komplex war für bis zu 22.000 Besucher pro Tag ausgelegt. Lange Warteschlangen vor den Eingängen waren keine Seltenheit. Um den Andrang zu begrenzen, wurden Eintrittspreise zwischen 20 und 50 Pfennig selbst für jene Besucher verlangt, die sich nicht sportlich betätigen wollten. Alle nur denkbaren Sport- und Freizeitaktivitäten gab es dort. Äußerst beliebt z. B. waren das Billardzentrum, die Bowlinganlage mit 16 Bahnen oder die Rollschuh-und Eislaufhalle (je nach Jahreszeit).

Nach dem Ende der DDR 1990 gab es um die Weiterführung des Objektes jahrelange Ungewissheit. Nach und nach wurden der Betrieb der Sportstätten und der Veranstaltungsbetrieb eingestellt und fast die gesamte Belegschaft entlassen. Der Berliner Senat als neuer Eigentümer war an einem Weiterbetrieb aus Kostengründen nicht interessiert (und er hatte ja das Blubb, das auch um seine Daseinsberechtigung kämpfen musste) und verweigerte elf Jahre lang sämtliche finanziellen Mittel für eine längst überfällige Sanierung. 2001 wurde das Haus endgültig geschlossen, heute nur noch ein Schandfleck innen wie außen, den sich Berlin in diesem angesagten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wohl nicht mehr leisten mag – und kann.

Löhnitz-Anwalt Richter wird in einer Berliner Tageszeitung mit den Worten zitiert: „eine erfreulichen Entwicklung“, man hoffe endlich auf Kooperation. Nur mit wem? Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Hans Panhoff (Grüne) hat nach dieser Zeitung für die Entscheidung des Senats nur Sarkasmus übrig: „Jetzt wird das Problem SEZ dort gelöst, wo es entstanden ist.“ Es sei schließlich der Senat gewesen, der das SEZ einst „verschleudert“ habe. ++