Megatrend Sozialimmobilie?

Die Pflegeimmobilie oder auch Sozialimmobilie erlebt derzeit einen Boom. Ende April gründete sich die erste Aktiengesellschaft, die sich auf Sozialimmobilien spezialisiert hat. Wir haben uns den Markt einmal angeschaut. Steckt hinter dem Boom wirklich ein Megatrend?

                „Kinder werden die Menschen immer bekommen“, das zumindest dachte Konrad Adenauer schon vor ca. 50 Jahren als er mit der damaligen Regierung die umlagefinanzierte „dynamische“ Rente erfand. Was damals als revolutionär galt, bricht der jungen Generation heute das Genick. Aus der damaligen „Zwiebel-Pyramide“ wird in 50 Jahren eine „Döner-Pyramide“. Heute bekommt jede Frau im Schnitt noch 1,4 Kinder. Die angepeilten 2 sind lange Geschichte. Doch nicht nur, dass die Gesellschaft immer mehr ältere Menschen verkraften muss, die älteren Menschen werden durch Ernährung und medizinischer Technik auch immer älter. DB Research geht davon aus, dass in 40 Jahren über 2 Mio. Menschen in Pflegeheimen leben könnten. Heute sind es gerademal 709.000. Um jedem einen Platz zu sichern, müssten bis dahin 18.000 neue Pflegeheime gebaut werden. Das ruft Investoren und Initiatoren auf den Plan. Mit Pflegeheimen muss sich doch schließlich genug Rendite erwirtschaften lassen. Was in den 90er Jahren schon ein Trendthema war ist heute für einige sogar wieder „Mega-Trend“ geworden. Der demografische Faktor lasse sich schließlich nicht verleugnen.

                Das ist durchaus richtig. Doch ist beim Investment in Gesundheitsimmobilien nicht alles Gold was glänzt. Die Dr. Hanne Grundstücks GmbH machte vor wie man es nicht macht. Ende der 90er Jahre sammelte das Unternehmen 1,5 Mrd. Euro bei Anlegern ein und setzte diese mit schlechten Immobilien an falschen Standorten und überhöhten Mieten in den Sand. Jürgen Hanne soll heute übrigens in Kanada leben, da er in Deutschland wegen Betrugs verurteilt wurde. Aber nicht allein der Fall Hanne kostete Anlegervertrauen. Im Background-Gespräch schüttelte denn vor einiger Zeit auch Senioren-Spezialist Thomas F. Roth, GF der immac, einem der führenden Fondsanbieter mit Pflegeimmobilien, bei manchen Fondsaktivitäten nur den Kopf.

                Vorreiter der Szene dürfte im Bereich der geschlossenen Fonds die Immac aus Rendsburg sein. Der eher kleine Initiator legt seit 15 Jahren Geschlossene Fonds ausschließlich mit Sozialimmobilien auf und sammelte mit über 40 Fondsemissionen mehr als 700 Mio. Euro ein. Der Gewinn liegt bei Immac vor allem im Einkauf. So wird kein Objekt über der 12-fachen Jahresmiete erworben. Im Boomjahr 2007 wurde daher kein Objekt erworben. Der Markt war überhitzt. Aktuell hat das Unternehmen den britischen Markt für sich entdeckt und strickt dort die ersten Fonds.

                Sozialimmobilien sind aber auch für viele andere Initiatoren interessant geworden. So haben zum Beispiel ILG, HGA, SAB oder auch die DCM mit ihrem über 140 Mio. Euro EK Riesenfonds Fonds. Auch die Colonia Real Estate versuchte mit einer Tochter sich am Markt zu etablieren. Senvital der E&P-Gruppe entwickelte sich zum Selbstläufer. Auch für institutionelle Investoren gab es Möglichkeiten. So brachte die LB Immo Invest einen 250 Mio. Euro Fonds auf den Markt.

                GE Capital kaufte Pflegeheime von Marseille-Kliniken. Gerade aber der Pionier der „Pflegewirtschaft“, Ulrich Marseille, bemerkt, dass mit Pflege derzeit kein Geld zu verdienen ist, obwohl Deutschland auf dem Weg in die Altenrepublik ist. Für Break Even müssten heute 91% der Betten belegt sein. Regionale Belegungsunterschiede seien eklatant. Speziell in einigen Regionen im Westen außerhalb der Ballungsregionen, wie Z. B. in Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder NRW lägen die Belegungswerte kaum über 60%, meinte Marseille im April in der Euro am Sonntag. Die Politik müsse die Planwirtschaft beenden.

                Den ersten Offenen Immobilienpublikumsfonds für Gesundheitsimmobilien brachte die Catella Real Estate AG KAG aus München auf den Markt. Der Catella Focus Healthcare strebt ein Volumen von einer Milliarde Euro an und hat bereits mehrere Investments u. a. in eine Sportklinik getätigt.

                Das Handelsblatt untersuchte jüngst zusammen mit der Immac das Thema Gesundheitsimmobilie in einer Sonderausgabe. Investoren investieren demnach vor allem in „Sozialimmobilien“ weil sie eine sichere Rendite erwarten und solche Immobilien zumeist eine sichere Einnahmequelle haben. Anleger hingegen sind oft nicht aufgeklärt über das Investment, erwarten keine hohen Renditen oder sie ist ihnen nicht sicher genug. Auch meinen immerhin 24% der Befragten, dass Gesundheit und Pflege kein Spielball von Investoren sein darf und das eine Investition demnach nicht ethisch zu vertreten ist. Investoren sehen dem gegenüber ihre soziale Verantwortung. 18.000 Pflegeheime müsse schließlich irgendjemand bauen.

                Für die Branche wird es in der nächsten Zeit vor allem darauf ankommen, Anlegervertrauen zu gewinnen. Bei der Befragung der Immac sagten nur 23% der Befragten, dass sie hohes Vertrauen in die Anlageklasse haben. Das fehlende Vertrauen hat u.a. auch seine Ursachen im schlechten Image der Pflegebranche. 20% der Befragten attestieren der Branche eine schlechte Qualität. Nur 5% sehen eine gute Qualität in der Pflegebranche. Für Anleger hat die Gesellschaft für Immobilienforschung eine Checkliste entwickelt, anhand derer Anleger, zumindest grob feststellen können welche Kriterien für ein Investment ausschlaggebend sind. 7 Kriterien beinhaltet die Checkliste. Zu ihr gehören die Finanzierung (Verhältnis von EK zu FK, Genehmigungen von Behörden, Zuschüsse für Bewohner), das Gebäude, das Investment (rechtliche Situation, Bebauungsplan), der Betrieb (Betreiber, Laufzeit), der Service (ärztliche Versorgung), Standort (Lage) sowie der erste Eindruck.

                Immer mehr Newcomer sehen vor statistischem Hintergrund eine Investment-Chance. Mit der Deutschen Healthcare Property AG wagte sich erst Ende April das erste börsennotierte Unternehmen mit Fokus auf Gesundheitsimmobilien auf den Markt. Hubert Bonn, der ehemals eine Unternehmensberatung besaß, hält das Thema für den Mega-Trend der Zukunft. Er will noch in diesem Jahr, nach erfolgter Kapitalerhöhung im Juli auf Einkaufstour gehen. Im Fokus stehen erstmal Ärztehäuser. Aber auch Pflegeheime und barrierefreies Wohnen sind langfristig für das Portfolio angedacht. Erste Ärztehäuser sollen in Berlin erworben werden. Im jetzigen Finanzierungsumfeld fragen sich eine Reihe Fachleute allerdings wie PR-Spezialist Bonn die Finanzierung auf die Reihe bekommen will.

                Auch die Deutsche Pflegeheimfonds AG ist neu am Markt. Das Unternehmen möchte allerdings nicht an die Börse. Vorstand des jungen Unternehmens ist Felix von Braun, der vorher bei Savills und der Stoffel Holding war. Das Unternehmen ist derzeit in Endverhandlungen für 2 Objekte. Für das dritte Quartal sind weitere Ankäufe geplant. Von Braun will sich auf Deutschland mit keinen regionalen Präferenzen konzentrieren. Das Unternehmen hält dabei Ausschau nach Häusern mit mind. 70 Pflegeplätzen an „Standorten mit Perspektive“. Den Megatrend Pflegeimmobilien sieht Vorstand von Braun nicht. „Trends sind „Mode-Erscheinungen“ mit kurzen Lebenszyklen. Ich hoffe nicht, dass diese Immobiliengattung zur „Mode-Erscheinung“ wird“.

                (Anmerkung des Herausgebers Werner Rohmert: Das Investment in Sozialimmobilien bedarf besonderer Professionalität. Das Übertragen eines langfristigen statistischen volkswirtschaftlichen Bedarfs auf kurzfristige Investitionsentscheidungen führt in die Irre. Mit guten Mietern, deren Bonität aber regelmäßig nicht eine Dekade vorauszuschätzen ist, dazu ist der Markt viel zu wettbewerbsintensiv und durch öffentliche Einrichtungen verzerrt, können Sozialimmobilien einen stabilen, überdurchschnittlichen Cash Flow erzielen. Dem steht aber in der Regel ein Werteverzehr der Immobilie gegenüber. Bei der volkswirtschaftlichen Statistik sind Anpassungsprozesse im Verhalten der alternden Bevölkerung, die kaum vorhersehbar sind, zu berücksichtigen. Wir verweisen dringend auf die Analysen von Ulrich Marseille. Euro am Sonntag v. 25.4.2010)