München – Traumstadt mit Hindernissen

Alexander Heintze

Der Münchener Immobilienmarkt ist alles andere als eine Ruheinsel im Sturm. Auch hier bekommen Investoren die Böen der Finanzkrise zu spüren. Die Maklerfirma CB Richard Ellis gab kürzlich einen Rück- und Ausblick auf den Markt.

Büromarkt: Das Jahr 2009 war für die Münchener Vermieter eines, dass sie am liebsten schnell vergessen wollen. Das zeigen die Zahlen von CB Richard Ellis (CBRE), die die Makler- und Beratungsfirma kürzlich in München präsentierte. Demnach sind die Spitzenmieten für Büroflächen zwar nur um 2% von 31,50 auf 31 Euro je Quadratmeter und Monat gesunken. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Zum einen verzerren großflächige Vermietungen in einem schwachen Markt den Wert, zum anderen bieten Vermieter hohe Incentives, die nicht in der Statistik auftauchen, zumal der Leerstand um 30 Basispunkte auf 7,2% anstieg. Damit sind in München derzeit insgesamt sind rund 1,7 Quadratmeter im Angebot. Rund ein Viertel der Leerstände gilt als veraltet und kaum mehr vermietbar. Tendenz steigend. Viele Firmen nutzen die Situation und ziehen in neue, günstigere, Flächen. Parallel dazu werden Verträge nachverhandelt. Ein Großteil der Nachfrage komme derzeit von Firmen, die den Markt sondieren und nach günstigen Alternativen suchen, beobachtet CBRE-München-Vermietungs-Chef Rainer Knapek. Hier zeigt sich der Fluch der Mietindexierung. Dieser Mechanismus wird immer wieder gerne als Inflationsschutz gepriesen, führt aber langfristig zu überhöhten Mieten. Diese müssen nun wieder dem Markt angepasst werden. Ein Teil des Inflationsschutzes löst sich damit in Luft auf.

Andere Firmen suchen sich gleich billigere Alternativen. Vor allem B-Lagen sind wieder gefragt. Laut CBRE sind Flächen außerhalb der Innenstadt im Westen wie an der Landsbergerstraße oder im neuen Arnulfpark gesucht. Aber auch die Hansastraße und das Westend ziehen vermehrt Firmen an. Unternehmen, die gleich ganz raus ziehen, orientierten sich eher in das Umland im Nordosten der Stadt – vor dort ist es zum Flughafen nicht weit.

Wie vorsichtig Mieter derzeit agieren, zeigt ein Blick auf die Abschlüsse. Im gesamten Jahr 2008 berichtet CBRE von 21 Großabschlüssen. Bis zum Ende des dritten Quartals 2009 waren es gerade einmal zehn. Auch die Zahl der gesamten Abschlüsse hat sich gegenüber dem Vorjahr auf rund 560 fast halbiert.

Büro-Ausblick: In den kommenden zwei Jahren werden nach Einschätzung von CBRE 700.000 Quadratmetern Bürofläche neu auf den Markt kommen. Fast die Hälfte davon wird spekulativ errichtet und ist noch unvermietet. Vor allem im Arnulfpark und in der Parkstadt Schwabing werden einige Gebäude fertig. Damit ist klar: Der Druck auf die Preise wird anhalten, die Mieten werden, vor allem abseits des Spitzensegments, weiter sinken, der Leerstand steigen. Knapek ist vorsichtig. „Eine Prognose war selten so schwer wie heuer“. Er rechnet nicht mit einer Verbesserung des Marktes im kommenden Jahr. Vielmehr sei mit einem gleichbleibenden Niveau zu rechnen. Eine Besserung erwartet er erst für das Jahr 2011.

Investmentmarkt: Den Investmentmarkt in der bayerischen Landeshauptstadt schätzt CBRE-Investmentchef Stefan Striedl als gar nicht so schlecht ein: „Nach dem Boom der vergangenen Jahre hat eine Normalisierung eingesetzt“. Rund 1,7 Milliarden Euro werden in 2009 voraussichtlich umgesetzt. „Das ist ein sehr ordentliches Ergebnis“, bemerkt Striedl. Und tatsächlich: Rechnet man die Ausnahmejahre 2006 und 2007 heraus, liegen die Umsätze für 2009 noch 100 Millionen Euro über dem Durchschnitt seit 2002. So gesehen waren die Transaktionsrekorde von 4,97 (2006) und 6,56 Milliarden Euro (2007) tatsächlich die Ausnahme. Auch die Spitzenrendite liegt mit 5,0% (2008: 4,8%) wieder auf dem langjährigen Durchschnitt.

Allerdings sind die Preise, laut Striedl, nur im Core-Segement stabil. Alle Immobilien außerhalb des Core-Segments würden dagegen derzeit kaum nachgefragt. Es gebe eine Konzentration auf sichere Erträge.

Transaktionsvolumen: Den größten Teil der Transaktionen auf dem Münchener Markt machten 2009 Immobilien im Wert von weniger als zehn Millionen Euro aus. Mit 608 Millionen Euro fanden ganze 38% der Umsätze in dieser Größenordnung statt. Im Schnitt kosteten die Objekte 22 Millionen Euro. Vor der Krise gingen Objekte im Durchschnitt für über 50 Millionen Euro über den Tisch. Die Erklärung ist einfach. Da die Banken größere Transaktionen derzeit kaum finanzieren, müssen Investoren mit ihrem Eigenkapital einkaufen gehen. Und das ist in den meisten Fällen begrenzt. Ein weiterer Grund ist die starke Präsenz privater Investoren. Sie waren 2009 an der Hälfte aller Transaktionen beteiligt. Ein enormer Anstieg. In den letzten Jahren lag deren Anteil unter 10%. Neben vermögenden Privatleuten gingen auch Vermögensverwaltungen für ihre Kunden auf Einkaufsbummel. Der größte Deal war 2009 der Verkauf der Lehnbachgärten für rund 200 Millionen Euro an ein Family Office. Solche Deals waren aber eher die Ausnahme. Gesucht sind in erster Linie klassische Zinshäuser. Ein Mehrfamilienhaus in Schwabing steht auf der Wunschliste immer ganz oben. Da es davon aber nur wenige gibt, weichen die Investoren auf andere Stadtteile aus oder treiben die Preise nach oben.

Überhaupt ist der Anteil der Wohnimmobilien am gesamten Investmentmarkt Münchens im Jahr 2009 auffällig hoch. Von den 1,7 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen entfallen 450 Millionen auf Wohnimmobilien. Das sind 40%. Vor zwei Jahren lag der Anteil im einstelligen Bereich. „Wohnimmobilien sind für Investoren in München aufgrund des geringen Risikos attraktiv“, resümiert Striedl. Aufgrund des geringen Leerstands gebe es kein Vermietungsrisiko.

Investment-Ausblick: Sein Ausblick fällt positiv aus. Der Anteil der Privatinvestoren werde sich in den kommenden Quartalen wieder normalisieren. Auch dürften die ausländischen Investoren wieder verstärkt auftreten. Vor allem institutionelle Investoren müssten verstärkt kaufen, da sie sich in der jüngeren Vergangenheit weniger aktiv waren und jetzt einen Nachholbedarf haben.

Projektentwicklungen: Man mag es angesichts hunderter Baukräne kaum glauben, aber die Lust auf Neubauten ist den Investoren vergangen. Die meisten Baustellen sind Projekte, die vor der Krise begonnen wurden und jetzt langsam fertig werden. Im Moment verspüren Projektentwickler kaum Lust auf neue Abenteuer. Das liegt auch an der gesunkenen Vorvermietungsquote. „Die Firmen mieten weniger vom Plan weg“, beobachtet CBRE-Vermietungschef Knapek. Da viele Unternehmen nicht wüssten, wie viel Platz sie in einem halben Jahr noch benötigen, ist die Bereitschaft, dieses Risiko einzugehen deutlich gesunken.

Bestes Beispiel einer solchen Fehleinschätzung ist die Hypo Real Estate (HRE) und damit der Steuerzahler. Die Krisenbank ließ sich von der Bayerischen Versicherungskammer ausgerechnet in einem der teuersten Stadtteile Münchens das Lehel Carré als neue Firmenzentrale errichten. Kaum war das Luxuskästchen fertig, war die HRE Pleite und zieht nun ins deutlich billigere Unterschleißheim. Die Versicherungskammer besteht allerdings darauf, dass der 15-jährige Mietvertrag eingehalten wird. Kein Wunder. Eine staatliche Bank ist der beste Mieter. Vor allem, wenn sie 600 000 Euro Miete im Monat zahlt. Jetzt sucht die HRE einen Nachmieter. Der wird kaum die ursprünglich vereinbarte Miete bezahlen wollen. Und so muss der Steuerzahler noch einig Jahre doppelt Miete bezahlen. Angeblich rechnet sich der Umzug dennoch, behauptet zumindest die HRE.

Retail: Bei den Handelsimmobilien nimmt München bundesweit eine Sonderstellung ein. „Im Jahr 2009 war der Markt für Einzelhandelsimmobilien besonders dynamisch“, freut sich die zuständige CBRE-Retail-Chefin Brigitte Landwehr. 29 veröffentlichte Deals gab es alleine im Dritten Quartal. Allerdings handelt es sich bei den Vermietungen in vielen Fällen um einen Austausch der Flächen.

Der Leerstand liegt laut CBRE seit Jahren konstant bei einem Prozent. Trotz Hertie- und Kartstadt-Pleite ist er selbst in der Krise nicht angestiegen. Was insbesondere an den sehr langen Mietverträgen liegt. Was allerdings nachgelassen hat, ist die Bereitschaft großer Handels- und Modekette, Mieter aus ihren bestehenden Verträgen herauszukaufen. Dafür wurden in der Vergangenheit schon mal siebenstellige Summen bezahlt. Dieses „Key-Money“ sitze nicht mehr so locker, beobachtet Landwehr.

Zu beobachtet ist stattdessen eine Verlagerung der Nachfrage in die Stadtteillagen. Dominierte 2008 nach die Nachfrage nach 1A Lagen mit 64%, sind diesen 2009 nur noch von 14% der Firmen gesucht. 39% sehen sich dagegen in den Stadtbezirken außerhalb der Innenstadt um – doppelt soviel wie im Jahr zuvor. Besonders beliebt sind dabei die Klassiker Schwabing, der Rotkreuzplatz in Neuhausen, Haidhausen aber auch die Tegernseer Landstraße im Osten der Stadt.

Im Vergleich zu 2008 um ein Viertel gestiegen sind die Vermietungen in Shoppingcentern. Grund dafür sind die Vorvermietung der noch nicht fertig gestellten Pasing-Arcaden und die Vermietungen im neuen Zentralen Omnibusbahnhof in der Nähe des Hauptbahnhofs, am Flughafen und im Einstein am Leuchtenbergring.

Das Kaufhaussterben ist in der Landeshauptstadt kein Thema. Im Gegenteil. Die Häuser Karstadt am Bahnhof und Kaufhof am Marienplatz gehören bundesweit zu den rentabelsten überhaupt. Probleme haben nur die Häuser Oberpollinger am Stachus und Karstadt am Dom. Letzteres wird bald geschlossen. Doch auch solche Problemhäuser werden Investoren finden. Dazu ist die Lage jeweils zu gut.

Ausblick

Für 2010 ist CBRE vorsichtig. Landwehr rechnet mit einem Einbruch, wenn die Krise in den Geldbeuteln der Konsumenten ankommt. Sollte die Arbeitslosigkeit tatsächlich steigen, werde es der Handel als erstes merken.