Offener Brief – Zukunftsstadtteil Duisburg-Hochfeld klagt über rapide Verschlechterung der Wohnumfeldbedingungen

Offener Brief des Zukunftsstadtteil e.V. an Herrn Beigeordneten Janssen (Stadt Duisburg – Dezernat für Familie, Bildung, Kultur).

Sehr geehrter Herr Janssen,
wir wenden uns heute in einem offenen Brief an Sie. In unserem Stadtteil Hochfeld verschlechtern sich die Wohnumfeldbedingungen auf Grund der europäischen Gesetzgebung in einem Ausmaß und Tempo, das nicht mehr zu vertreten ist.
Wie Sie wissen engagieren wir uns seit vielen Jahren für unseren Stadtteil, und wir hatten stets die Hoffnung, Hochfeld zumindestens auf einem niedrigen Niveau stabil halten zu können. Diese Hoffnung kommt selbst unserer hart gesottenen Gruppierung abhanden.
Zerstörung der Pauluskirche
Meine Mitstreiter und ich veranstalten seit fast zehn Jahren Kulturveranstaltungen in der Pauluskirche, vormals als Duisburger Salon, als Zukunftsstadtteil e.V. oder als KlüngelKlub (zum Beispiel „Respekt!Hochfeld“).
In den zehn Jahren war die Kirche von Vandalismus und Zerstörung weitgehend verschont geblieben. Das ist nicht mehr der Fall. Mittlerweile sind alle Fenster auf der Seite Paulusstraße eingeworfen, mit Steinen, die der Pflasterung des Pauluskirchplatzes entnommen werden.
Pauluskirchplatz versinkt im Unrat
Der Pauluskirchplatz ist zuweilen außerordentlich belebt, was wir sehr begrüßen würden, wenn wir hier zivilisierten Menschen aus welcher Nation der Welt auch immer begegnen würden. Statt dessen waten wir oft knöcheltief durch ausgespuckte Schalen von Sonnenblumenkernen und durch Unrat. Kurz: Neben der nicht zu akzeptierenden Zerstörung der Kirche ist der Zustand des Platzes nicht mehr hinnehmbar.
Zuzug von Bulgaren
Wir möchten in diesem offenen Brief insbesondere gegen den Zuzug von Bulgaren protestieren und die Politik auffordern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die damit einhergehende Verwahrlosung der Zivilgesellschaft aber auch des geltenden Rechts zu unterbinden.
Der Unterzeichner und alle Mitstreiter sind unbedingte Verfechter der europäischen Idee. Wir haben auch vollstes Verständnis dafür, dass Menschen, die unter erbärmlichen Bedingungen leben, nach einem besseren Leben suchen. Wir haben selbstverständlich als Mitglieder am Runden Tisch für Hochfeld den Aufruf unterschrieben, für die ankommenden Bulgaren und insbesondere für deren Kinder Lehrer zur Verfügung zu stellen und für deren Gesundheitsvorsorge einzutreten.
Wir sind uns selbstredend auch der Tatsache bewusst, dass Wandel nicht ohne Auswirkungen erfolgen kann, der dem einen oder anderen Teilnehmer der Gesellschaft Nachteile bringt. Dass die Veränderung Europas ihren Tribut fordert, das ist in Ordnung und wir sind bereit, unser Scherflein dazu beizutragen.
Doch das Maß ist voll, übervoll: Schlechte Vermieter überbelegen Wohnraum in einer unzumutbaren Weise, Tagelöhnerei, Prostitution und Schwarzarbeit nehmen ein Ausmaß an, dass im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Stadtteils nicht mehr hinnehmbar ist. Wilde Müllkippen tauchen an allen Enden des Stadtteils auf, weit schneller, als wir protestieren können.
Wir wehren uns dagegen, dass dort die meisten Problemgruppen aufschlagen, wo die Probleme ohnehin schon am größten sind.
Problemstadtteil in der Problemstadt Duisburg
Duisburg gehört sicher nicht zu den Großstädten in Deutschland, denen noch eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Land und Bund nehmen es mindestens billigend in Kauf, wenn sich die Ströme problembeladener und bildungsferner Wanderungsbewegungen in Städte wie die unsere bewegen, die zum Protest weder willens noch in der Lage sind. Und innerhalb Duisburgs gilt dasselbe für Stadtteile wie Bruckhausen, Marxloh, Hochfeld. Duisburg hat diese Stadtteile als mehr oder weniger nicht mehr beherrschbar aufgegeben – solange die Probleme nicht auf die Wohnviertel der Entscheider aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft übergreifen – sofern diese überhaupt in Duisburg wohnen.
Verschärfend kommt hinzu, Duisburg ist eine gelähmte Stadt. Seit Jahren hat man sich unter der Knute der Haushaltssicherung aus unserer Sicht oft zu bequem eingerichtet („… wir würden ja gern etwas tun – aber es fehlt an Geld und Personal …“) und seit der Katastrophe von Duisburg vor einem Jahr ist die Stadt nahezu vollkommen führungslos. Das verschärft das Dilemma nach einem Jahrzehnt schwacher Führung mit dem Wegfall der Doppelspitze ins Dramatische.
Opposition gegen die unhaltbaren Zustände vermisst man in Duisburg allenthalben; in der Politik kann man in der Stadt nicht von Opposition reden und auch in unserm Stadtteil haben sich politische Parteien unter die Wahrnehmungsschwelle zurück gezogen. Selbst die oben genannte Pauluskirche hat mit dem Weggang des engagierten Pfarrers Augustin entscheidende Ressourcen verloren.
Wir bieten unsere Mitarbeit stets an
Hochfeld war und ist kein unproblematischer Stadtteil, dass ist unserer Gruppierung bestens bekannt; die meisten von uns sind sehenden Auges aber aus guten Gründen in den letzen zehn Jahren hierher gezogen, weil sich hier eine attraktive urbane Situation (geographisch und vom Stadtbild) findet und weil sich hier die Immobilien finden lassen, die zu unserem Lebenskonzept passen.
Mit dem Zuzug der bulgarischen Gruppen ändert sich jedoch das Umfeld in einer Weise, gegen die auch unser umfassendes Engagement machtlos ist. Unsere Gruppe hat allein in den letzten drei Jahren ± 50.000 € privates Geld in liquider Form für unsere Stadtteilaktivitäten aus eigener Tasche aufgebracht, neben vielen tausend Stunden bürgerschaftlichen Engagements. Wir sind keine Missionare, die die Welt bekehren wollen, aber wir plädieren für geordnete Verhältnisse, und wir akzeptieren diese auf einem niedrigen Niveau. Was sich jedoch hier entwickelt, das ist nicht mehr zu tolerieren.
Anfang des Jahres haben wir uns bei seinem Besuch hier im Quartier mit einem Sendbrief (Thema: Stadtentwicklung und Wirtschaftlichkeit von Immobilien) an Herrn Staatssekretär Dr. Horsetzky gewandt. Darin unterbreiten wir das konkrete Angebot, uns als Gruppierung gebildeter Bewohner eines problematischen Stadtteils als Brückenkopf gegen Verwahrlosung und Rechtlosigkeit ernst und in Anspruch zu nehmen. Das Angebot haben wir in einem Gespräch mit der neuen Duisburger Polizeipräsidentin Frau Dr. Bartels im März 2011 bei uns im Quartier ebenfalls vorgetragen.
Dramatisch formuliert sind wir eine der wenigen Brücken in ein problematisches Quartier, aus dem sich die Institutionen nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen mehr und mehr zurückziehen. Gewissermaßen sind wir die letzten Fürsprecher aus dem Stadtteil und die letzten Ansprechpartner in den Stadtteil, mit denen eine Kooperation möglich ist. Mit dem Wegzug der letzten gebildeten Menschen aus Problemstadtteilen werden Einflussnahmen immer schwieriger.
In diesem Sinne bieten wir weiterhin und solange wir können unsere Mitarbeit in den Gremien als Scouts mit intimen Kenntnissen der Verhältnisse vorort an.
Mit besten Grüßen
(Dr. Michael Willhardt, 1. Vorsitzender)“

Michael Willhardt

Zukunftsstadtteil e.V.
Dr. Michael Willhardt (1. Vorsitzender) | Eva-Christine Albrecht (2. Vorsitzende) | Heiner Augustin (Schatzmeister)
Eigenstraße 50
47053 Duisburg-Hochfeld | Zukunftsstadtteil
Telefon 0203/75 999 999
Email: vorstand@zukunftsstadtteil.de