Panamapapers – Die Politik kennt die Fakten seit jeher und blieb untätig!


Briefkastengesellschaften – Rechtlicher Hintergrund und mediale Hetzjagd

„Briefkastengesellschaften“ – dieses Wort hat in den letzten Tagen ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Der Bundeswirtschaftsminister will sie gleich ganz verbieten (wie macht er das im Rest der Welt?) und auch der Bundesjustizminister hat bereits einen wenig substanziellen Kommentar abgegeben. Zahlreiche Journalisten und Fernsehkommentatoren haben endlich wieder Prominente aus Politik, Sport und Wirtschaft, die sie an den medialen, in virtuellen Internetzeiten sogar weltweiten Pranger stellen können. Doch wie ist die Realität der Briefkastengesellschaften, auch in Deutschland?

Interessieren Straftaten im Ausland nicht mehr, wenn es um deutsche Interessen geht?

Dass in Panama eine Straftat begangen wurde, indem die Daten einer Rechtsanwaltskanzlei illegal gehackt wurden, interessiert dabei nicht. Warum sollten Journalisten und andere „moralisierende Ankläger“ auch ein schlechtes Gewissen haben, wo doch der deutsche und der nordrhein-westfälische Finanzminister keine Bedenken hatten, Datenhehlern, die sich in der Schweiz und in Liechtenstein strafbar gemacht hatten, stattliche Summen für CDs zu bezahlen und ihnen sogar eine neue Identität zu verschaffen. Eine Straftat in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein schien ja  gerechtfertigt, wenn sie dem deutschen Staat Geld bringt. Mit meinem kosmopolitischen Verständnis als Rechtswissenschaftler verträgt sich das nicht. Wer aber in Deutschland solche rechtsstaatliche Erwägungen äußert wagt, gerät sofort in den Verdacht, Steuerhinterziehung zumindest zu verharmlosen.

Derlei liegt mir gewiss fern. Steuerhinterziehung muss verfolgt werden und das geschieht in Deutschland in weitaus stärkerem Maß als in den meisten Rechtsstaaten der Welt. All denen, die das immer noch nicht wahrhaben wollen sei gesagt: Ein leider ideologiebefangener Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat – ziemlich praxisfern – schon vor Jahren, ausgerichtet an der absoluten Höhe der hinterzogenen Steuerbeträge, Freiheitsstrafen als Regel verlangt. Mancher Richter kann sich offenbar leider nicht vorstellen, dass ein an sich legaler, vom Finanzamt viele Jahre später jedoch nicht anerkannter Betriebsausgabenabzug Millionen an Steuernachzahlungen auslösen kann. Die Höhe der Steuer hat oft nichts mit der Höhe der Schuld zu tun. Dass in Deutschland die Verfolgung von Steuerstraftätern rechtsstaatlich nicht immer korrekt verläuft, steht auf einem anderen Blatt. Aber rechtliche und tatsächliche Mittel gibt es genug.

Wir müssen auch klarstellen, dass manche Briefkastengesellschaft in fernen Ländern für illegale Geschäfte bis hin zu aus Verbrechen stammenden Geldern, von Staatsvermögen veruntreuenden Politikern und so manch anderen dunklen Gestalten genutzt wurden.

Politikern und Medien müssen auf dem Boden des Rechtsstaat und der Tatschen urteilen – Briefkastenfirmen sind auch in Deutschland legal!

Dennoch darf aktuell der deutsche Rechtsstaat im Zusammenhang mit den Briefkastengesellschaften in Panama und in anderen Ländern nicht ein weiteres Mal durch pauschale Vorverurteilungen von Spitzenpolitikern und Medienvertreten beschädigt werden. Wer be- oder gar verurteilt, muss die Fakten beachten. Sie waren allen Politikern, die sich heute so echauffieren, bekannt; für die Fachjournalisten sollte dasselbe gelten. Falls nicht, dann wären diese Leute auf ihren Positionen fehl am Platz.

Eine Briefkastenfirma zu gründen und zu betreiben ist legal, auch in Deutschland. Jede volljährige Person darf z.B. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und mit dem Sitz an irgendeiner Büroadresse in Deutschland gründen. Die Geschäfte müssen nicht an dieser Büroadresse betrieben werden. Dort genügt – ebenso wie in den meisten Ländern der Welt – ein Briefkasten zur Empfangnahme von Post. Das nationale Recht eines jeden Landes bestimmt autonom die Gründungsvoraussetzungen einer Gesellschaft. Ein Richter oder sonstiger Beamter z.B. kann, weil der aus beamtenrechtlichen Gründen nicht selbst Geschäftsführer einer GmbH sein darf, seine Ehefrau oder irgendeinen Dritten als Geschäftsführer bestellen. Diesem darf der Richter als Alleingesellschafter durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (die nur aus dem Richter besteht) Weisungen erteilen. Das ist völlig legal und das muss auch so bleiben. Bei deutschen GmbHs sind die Gesellschafter bekannt; eine Ausnahme gilt für die Aktiengesellschaft mit Inhaberaktien, was die Inhaberaktie bereits dem viel zu pauschalen Vorwurf, zu Zwecken der Geldwäsche und Terrorfinanzierung instrumentalisiert zu werden, ausgesetzt hat. Aber schon bei Beteiligung einer deutschen oder ausländischen Gesellschaft lassen sich die dahinterstehenden natürlichen Personen nicht immer verifizieren. Oder wollen wir verlangen, dass eine große deutsche, US-amerikanische oder chinesische börsennotierte Gesellschaft, die eine deutsche GmbH gründet, die Namen der Aktionäre offenlegt, soweit sie ihr überhaupt bekannt sind? Das wäre blanker ökonomischer Unsinn!

Der Europäische Gerichtshof hat Briefkastenfirmen in ganz Europa als legal erklärt.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen in einem EU-Land gegründete Gesellschaften, die dort nur einen satzungsmäßigen Sitz haben und ihre Geschäfte in einem anderen Mitgliedstaat der EU betreiben, von letzterem als rechtswirksam anerkannt werden. Auch der EuGH lässt also einen „Briefkasten“ genügen. Deutschland und einige andere EU-Staaten hatten derartige Gesellschaften bis dahin nicht anerkannt, weil sie nicht auf die Gründung, sondern auf einen faktischen Sitz der Gesellschaft abgestellt hatten. Für Gesellschaften aus Nicht-EU/EWR-Ländern gilt das noch heute. Ein deutscher Unternehmer, der das Kennzeichen der noblen Hansestadt Hamburg auf seinen Autos bevorzugt, kann dort eine GmbH gründen und auf diese seine PKWs zulassen. Er selbst mag weithin in Kuhdorf, auch irgendwo im Ausland wohnen. Der Briefkasten in Hamburg genügt. Er muss weder Geschäftsführer noch Gesellschafter sein, die auch im Ausland sitzen dürfen. Das gehört zur Freiheit im 3. Jahrtausend.

Der Staat Delaware in den  USA als Eldorado für Briefkastengesellschaften.

Im Staate Delaware in den USA sitzen zigtausende von Briefkastengesellschaften – einige tausend etwa allein in einem Gebäude. Insofern war es scheinheilig und inkonsequent, dass die USA mit großem Eifer Schweizer und Luxemburger Banken und deren Angestellten – alles andere als rechtsstaatlich korrekt – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verfolgt hat. Auch diese Fakten sind der Politik weltweit bekannt. Niemand wagt es, dem US-amerikanischen Präsidenten zu sagen, die USA förderten die Steuerflucht. Genau das passiert aber. Ebenso heuchlerisch ist das heutige Verhalten all der Politiker, die heute so tun, als sei ihnen erst jetzt bekannt geworden, dass weltweit viele Menschen Gesellschaften in Panama, in Delaware, auf den Bermudas und in vielen anderen Länder nutzen und das leider auch für illegale Zwecke geschieht.

Die fehlende Kontrolle gesellschafterlicher Aktivitäten als Ursache für Straftaten

Die Gründung einer Briefkastengesellschaft ist also ebenso weltweit legal wie die Anonymität der dahinterstehenden natürlichen Personen. Illegal und strafbar ist es selbstverständlich, wenn solche Gesellschaften, gleichgültig in welchem Land der Welt sie ihren Sitz haben, zu gesetzwidrigem Verhalten wie zur Geldwäsche oder zur Steuerhinterziehung missbraucht werden. Der Fehler liegt also in der fehlenden Kontrolle der finanziellen und sonstigen Aktivitäten solcher Gesellschaften. Das hat aber nichts damit zu tun, ob die Gesellschafter bekannt sind oder nicht, ob sie ein Büro oder nur einen Briefkasten hat. Oder glaubt man, die verbrecherischen Mafia- und IS-Gelder flössen alle nur über Briefkastengesellschaften? Im Übrigen sollten die deutschen Politiker nachlesen, wie viele illegal entstandene Gelder auch in Deutschland existieren und „gewaschen“ werden. Warum wird da nicht konsequenter eingeschritten? Es ist also zu einfach, diejenigen, die eine Briefkastengesellschaft in Deutschland oder anderswo gründet und halten, dem pauschalen Vorwurf auszusetzen, Straftäter zu sein.

Ausreichend wirksame Steuergesetze in Deutschland gegen illegales Handeln

Unter anderem mit dem deutschen Außensteuergesetz hat die deutsche Finanzverwaltung seit Jahrzehnten ausreichende rechtliche Mittel, um Gesellschaften ohne eigene wirtschaftliche Aktivitäten im Land der Gründung die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen. Bei Auslandsaktivitäten haben deutsche Steuerpflichtige generell eine so erhebliche Mitwirkungs- und Dokumentationspflicht, wie es sie in kaum einem Land der Welt gibt. Manche Finanzbeamte dehnen sie bis zur Schikane aus. Kann die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit einer ausländischen Gesellschaft nicht zur Zufriedenheit des Finanzbeamten nachgewiesen werden oder erzielt sie z.B. nur sogenannte passive Einkünfte, dann wird sie steuerlich nicht anerkannt, mit der Konsequenz, dass die über sie erzielten Einkünfte dem deutschen Steuerpflichtigen unmittelbar zugerechnet werden. Dessen Besteuerung ist also in vielen Fällen höher als ohne das Einschalten dieser ausländischen Gesellschaft. Das sollte doch auch deutschen Bundesministern bekannt sein. Falls sie nicht einmal das wissen, sollten sie schweigen.

Mitunter benutzen sehr vermögende Personen – glücklicherweise haben viele dieser ehrbaren und in aller Gewissenhaftigkeit ihre hohen Steuerlasten zahlenden Bürger Deutschland, trotz der Schikanen so mancher Finanzämter, noch nicht verlassen – ausländische Gesellschaften aus Gründen der persönlichen Sicherheit. Sie wollen vermeiden, dass sich Neider oder Kriminelle durch die jedermann erlaubte Einsicht ins Handelsregister und die faktisch einfach zu beschaffende Grundbucheinsicht detaillierten Einblick in ihr Vermögen verschaffen. Wir alle kennen die tragischen Entführungs- und Lösegelderpressungsfälle von Prominenten und ihren Kindern. Wer so einen Fall einmal im Freundes- oder Mandantenkreis erlebt hat, wird dafür volles Verständnis haben. Reich sein ist auch in Deutschland inzwischen leider gefährlich – traurig aber wahr. Die Anonymisierung vor der Öffentlichkeit, die jedermann im Rechtsstaat erlaubt ist, kann allein mit deutschen Gesellschaftsstrukturen nicht immer erreicht werden. Für die steuerehrlichen Personen ist selbstverständlich, dass sie und ihre steuerlichen Berater den Finanzämtern bis ins Detail die gesellschaftsrechtlichen Strukturen und die Hintergründe offen legen, wie das Gesetz dies verlangt. Steuerliche Vorteile werden dadurch nicht erzielt, im Gegenteil. Es entsteht manche Doppelbesteuerung. Eine Gesellschaft irgendwo auf der Welt zu gründen, die dort, wenn auch nicht immer in Deutschland, steuerlich anerkannt ist, ist legal. Es muss nur dem deutschen Finanzamt offengelegt werden.

Wirtschaftliche oder vermögensmäßige Transaktionen ausgerechnet über Gesellschaften in sog. Steueroasen durchzuführen, ist m.E. in den meisten Fällen wenig sinnvoll. Schon die Diskussion mit dem des internationalen Steuerrechts regelmäßig unkundigen, subalternen und verständlicherweise ängstlichen Sachbearbeiter des Finanzamts vor Ort ist oftmals anstrengend. Die derzeitige Hetzjagd wird Auslandsaktivitäten noch mehr unter den unberechtigten Generalverdacht stellen, sie seien steuerlich motiviert.

Vermeiden wir Pauschalvorwürfe.

Dennoch müssen wir in unserem Rechtsstaat pauschalen Vorverurteilungen, gerade auch durch Spitzenpolitiker, die seit jeher um die Steueroasen wissen, entgegenwirken. Warum sind sie zu feige, die Diskussion um Briefkastengesellschaften in Delaware offen zu führen? Gelten für die USA nicht nur beim Abhören des Handys sogar der Bundeskanzlerin faktisch eigene Maßstäbe? Das aktuelle Weh- und Anklagen der Spitzenpolitiker ist so scheinheilig wie damals, als massenweise tatsächliche Steuerhinterziehungen durch Schwarzgeldkonten in Nachbarländern aufgedeckt wurden. Auch diese waren der deutschen Politik bekannt und wurden zum Ärgernis von allen steuerehrlichen Bürgern jahrzehntelang geduldet.

Warum schafft die Politik nicht endlich ein besseres Steuerrecht?

Statt sich nun zu echauffieren, sollten die Finanzpolitiker an sich selbst die Frage richten: Warum schaffen wir es nicht, in Deutschland ein gerechtes und vor allem auch den leistungsstarken und den vermögenden Bürgern, die den Großteil der Steuerlast tragen, nachvollziehbares Steuerrecht zu schaffen? Andere Länder wie Luxemburg haben das seit jeher und verlangen durchaus ehe hohe Abgaben von ihren Bürgern. Maßstab für Deutschland sind doch nicht Niedrigsteuerländer, sondern europäische Rechtsstaaten mit fairen und transparenten Steuersystemen. Zur Bekämpfung illegaler Steuerflucht haben wir genügend rechtsstaatliche Mittel. Was fehlt, ist die Courage der „großen“ Politik, endlich ein innovatives Steuerrecht für das 3. Jahrtausend zu schaffen und ehrlich über Missstände hier und in anderen Ländern, einschließlich der USA zu diskutieren.