Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden: Die IZ

 

Dr. Kurt E. Becker, Mitglied im Beirat Immobilienbrief

In Berlin läutet der Vorstandsvorsitzende eines Traditionsverlags das Totenglöcklein der Printkultur. Quasi zeitgleich zeigt ein Wiesbadener Fachverlag, wie schön Magazine sein können. Vielleicht wäre Herr Döpfner gut beraten gewesen, hätte er mal mit den Herren Mucha und Porten konferiert. Über die Ästhetik des Blattmachens etwa. Und dass diese Ästhetik ökonomische Aspekte durchaus nicht ausschließen muss.

Wie auch immer: Trauer müssen Leser und Journalisten – nicht nur, aber vor allem, in Deutschlands (dynamischer) Hauptstadt tragen. Allen voran die des Springer-Konzerns. In der hessischen (eher verschlafenen) Landeshauptstadt dagegen ist kollektiver Jubel angesagt. Bei Lesern, Machern und Verlegern der IZ nämlich. Und das bei allen in jeweils gleichen Maßen. Denn zum Zwanzigsten hat sich die IZ mal wieder was gegönnt. Und sich dabei selbst übertroffen. In jeder Hinsicht. Das Jubiläums-Magazin nämlich gehört zum Feinsten, was ein der Qualität verpflichteter Journalismus zu bieten vermag. Optisch opulent, inhaltlich deliziös, redaktionell brillant. Kurz: Als Präsentations-Sujet geeignet für den häuslichen Bibliotheks-Altar.

In diesem Magazin ist fast alles zu loben (über das eine oder andere Kleinklein schauen wir großzügig hinweg). Die Themen und deren Aufbereitung sind durchweg originell, auf den zwei heiligen Fundamenten des Journalismus ruhend: hoher Unterhaltungswert gepaart mit hohem Nutzwert … nein, das wäre übertrieben, denn einen besonders hohen Nutzwert kann und soll dieses Magazin naturgemäß und seinem Wesen nach nicht haben. Aber die ausgewogene Balance ist dennoch gewahrt von Meinungsbildung und Information – niedergeschrieben von edlen Federn. Nicht zu vergessen: die Themenvielfalt ins Bild gesetzt von Fotografen mit dem Gespür für optisch Wesentliches.

Alle Artikel in diesem Heft sind gleichermaßen lesenswert. Ausnahmslos. Alle. Friedhelm Feldhaus‘ Ausflug etwa ins Maklergewerbe – zum Kringeln. Äußerst informativ Florian Mantheis Beitrag über die Abtragung eines Atomkraftwerks in Rheinsberg. Heiter bis frivol Bernhard Bomkes Ausflug nach Wien zum Immobilien- und Opernball-Tycoon Richard Lugner. Unbedingt lesenswert: Monika Leykams Reise ins französische Mittelalter (mit Fotos von Jan Mucha!) Etc. Alles vom Feinsten. Alles zum Aufheben und Wiederlesen. Und doch: Soll ich’s wagen und meine ganz persönliche Vorliebe einem Dictanet anvertrauen? Und folglich auch jenen, die diese Zeilen lesen? Nun denn: Tapferkeit gehört zu den vier Kardinaltugenden seit Sokrates: Liebe Gerda und lieber Ulli Gericke, Eure „A-Lage“, beginnend mit dem Satz: „Vor dem Gasthof zur Kastanie steht eine Birke…“ ist eine Reportage, die berührt und anrührt, unter die Haut geht und den Leser traurig macht, weil sie ein Ende hat. Genauso wie die A20, die Ihr beschreibt. Euren Text mag ich ganz besonders.

Ach ja: Sollte ich das vergessen haben oder es bei meinen Elogen untergegangen sein – die IZ ist in die Jahre gekommen. Zwei Jahrzehnte hat sie nun auf dem Buckel. Und damit auch die Reife für ein solches Magazin. Glückwunsch. Die Reifeprüfung mit Bestnote bestanden. Das nächste Heft aber bitte nicht erst zum nächsten Jubeljahr, meine Herren Mucha und Porten. Zeigt den Döpfners dieser Welt die Pretiosen der Printkultur.