Skepsis begleitet Karstadt-Verkauf – Wird Berggruen-Entscheidung zum Eigentor?

Einigung zwischen Vermieter Highstreet und Käufer Niclas Berggruen ist Voraussetzung für mögliche Karstadt-Rettung. Highstreet-Mietverzicht bedeutet Portfolio-Wertanpassung im Milliardenbereich. Wer hat mehr Verhandlungsmacht? Ruiniert Berggruen-Zuteilung Sanierungschancen? Oder wird Berggruen neuer Kaufhaus-König mit Karstadt UND Kaufhof?

Medien und Mitarbeiter jubeln. Doch noch ist die Kuh nicht vom Eis. Entschieden ist überhaupt noch nichts. Es ist noch nicht einmal klar, ob sich die Entscheidung für Berggruen nicht als phänomenales Eigentor für Karstadt und seine Mitarbeiter herausstellt oder ob sie den Weg ebnet für eine schmerzhafte Highstreet- oder Kaufhof-Lösung mangels Alternativen oder sogar, ob nicht Niclas Berggruen von Karstadt zu Kaufhof getragen wird und dort im Bieterverfahren über die Karstadt-Synergie-Effekte die besten Karten im Kaufhof Preispoker hat. Außerdem hat sich Berggruen natürlich den Freibrief für die Schließung unrentabler Standorte einräumen lassen. Nach drei Verlust-Quartalen ist sogar ver.di einverstanden. Interessant werden die nächsten Wochen auf jeden Fall.

Die Idee des Umweges einer „Berggruen-Vereinigung“ der Kaufhaus-Konzerne ist natürlich bestechend. Berggruen muss sich aber die Frage unserer Handelsspezialistin Dr. Ruth Vierbuchen gefallen lassen, die für das Handelsblatt 20 Jahre in der Szene war und heute Chefredakteurin unseres Handelsimmobilien Report ist, wie ein Kaufhaus-Konzern ohne Handels-Know-How geführt werden soll. Middelhoff zumindest hat die Frage nicht anständig beantwortet.

Zwischen Kopfschütteln, Skepsis und abwartendem Schulterzucken liegt die Reaktion der meisten Insider, die wir befragten. Das notwendige Zustimmungsgeflecht wird mit jeder Berichterstattung breiter. Das Highstreet-Konsortium aus Goldman Sachs, Pirelli RE, DB Rreef, Borletti Group und Generali, das in der Boomphase über 80 der 120 Sport- und Warenhäuser für 4,5 Mrd. Euro erworben hatte, dürfte sich als Immobilieneigentümer in einer guten Position wähnen. Es gibt keinen Zwang zur Mietminderung. Image-Risiken dürften die wohl nicht mehr fürchten (Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.). Finanzierung und Eigenkapitalposition begrenzen den verhandelbaren Spielraum bzw. die Highstreet-Interessen. Bei überzogenem Mietpreissenkungsverlangen dürfte die Non Recourse Falle zuschnappen. Wenn vom Cash Flow nichts mehr übrig bleibt und das Eigenkapital nach Bewertung verbraucht ist, hat Highstreet kein Interesse mehr.

Das gleiche gilt, wenn eine Marktbewertung der Immobilien den Karstadt-Deal als (Leasing-) Finanztransaktion entlarvt, bei der der Kaufpreis vor allem eine Funktion der Mieten und der Refinanzierung ist und weniger am Marktwert der Immobilien ohne Mieter angelehnt ist. Wie sich die Käufer der verbrieften Kredite dann retten, dürfte interessant werden. Die Anwälte könnten sich freuen.

Andererseits ist die Verhandlungsmacht des Immobilieneigentümers aber auch begrenzt. Die Übernahme von Karstadt nach erneuter Insolvenz würde nicht einfach werden. Die Risiken aus unrentablen Häusern dürften dann die Verwertungschancen der guten Häuser überkompensieren. Aber auch schon die Reduzierung der Mieten auf realistische Marktwerte müsste zu einer Milliardenkorrektur des Karstadt-Portfolio-Wertes bei Highstreet führen. Ohne genaue Kenntnis des Refinanzierungs-Hintergrundes ist das nicht zu durchdenken. Aber solange der Cash Flow ausreicht, sollte das beherrschbar bleiben.

Im Gegenzug riskiert bis zum Abschluss der Verträge und der notwendigen Zustimmungen Niclas Berggruen lediglich seine Due Diligence Kosten. Der Kaufpreis von etwa 70 Mio. lt. Pressemeldungen wird erst nach Einigung mit Highstreet fällig. Vor dem Hintergrund, dass der US-deutsche Privatinvestor Berggruen ebenfalls nicht als Handelsexperte eingestiegen ist, war bei der Entscheidung vielleicht doch der politische Wunsch, möglichst viele Arbeitsplätze zunächst auf dem Papier zu retten, der Vater der Verkaufsentscheidung. Logisch war die Entscheidung nicht. Highstreet hätte bessere Chancen gehabt. Wobei es dennoch völlig offen bleibt, ob eine Rettung von Karstadt überhaupt und insbesondere durch Finanzmanager möglich ist. Middelhoff konnte sich wenigstens durch das geniale Versilbern der Assets in richtiger Zeit über die Runden retten. Aber jetzt ist zu vermuten, dass da nichts mehr ist.

Insider bezweifeln die neuen Karstadt-Chancen. Die Einzelhandelsexperten von Comfort sind skeptisch. Wichtiger als verminderte Mieten sei das neue Konzept. Berggruen sei übrigens der Einzige, der sich über den Erhalt von Karstadt in seiner jetzigen Form überhaupt Gedanken gemacht habe. Aber auch Berggruen stünden für die Schließung nicht rentabler Häuser qua Fortführungsvertrag Optionen offen.

Auch Einzelhandelsspezialistin Ruth Vierbuchen, ist über das Ergebnis noch unsicher. Vor einer Asset-Management-Aufgabe der besonderen Art stünden die Eigentümer der Karstadt-Immobilien, Nachdem Highstreet im Zuge des Insolvenzplanverfahrens bereits auf einen dreistelligen Millionenbetrag in den nächsten 3 Jahren verzichtet habe, biete das Konsortium nochmals 230 Mio. Euro für die nächsten 5 Jahre an.

                Das macht für „Der Immobilienbrief“ die Gefahren optimistischen Sale and Lease Back  mit Financial Engineering deutlich. Finanzkonstruktionen unterscheiden sich vom Immobilienmarkt. Außerdem werden Entscheidungen schwierig, da das Konsortium die Darlehen verbrieft und an zahlreiche Investoren weiter gereicht hat. Auf jeden Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Selbst wenn der Verkauf gut geht, was wir eher vorsichtig beurteilen, ist Karstadt noch längst nicht gerettet.