Über den Tellerrand schauen

Martin Lemke, Patrizia Gewerbe Invest

Die Lage in Europa bleibt unklar, eine endgültige Lösung der Schuldenkrise scheint in weiter Ferne zu liegen. Zudem sind die wirtschaftlichen Aussichten weltweit – abgesehen von einigen wenigen starken Ländern, darunter Deutschland – nicht besonders gut. Dementsprechend verwundert es nicht, dass Investoren verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten suchen, die Stabilität verheißen. Nirgends wird das deutlicher als auf dem Markt für deutsche Gewerbeimmobilien aus dem Core-Segment: Heimische und ausländische Investoren gleichermaßen suchen händeringend nach hochwertigen Objekten.

Die hohe Nachfrage hat zur Folge, dass die Preise für Gewerbeimmobilien in einigen Städten stark gestiegen sind. Dementsprechend niedrig sind die Renditen. So liegt die Mietrendite bei Büroinvestments in den deutschen Top-Standorten nur bei durchschnittlich 5,1 Prozent. Bei 1A-Einzelhandelsimmobilien notieren die Spitzenrenditen in den Immobilienhochburgen sogar nur bei knapp über 4,5 Prozent.

Damit dürfte das Ende der Fahnenstange allerdings mehr oder weniger erreicht sein. Es ist zu erwarten, dass sich das Preiswachstum im kommenden Jahr abschwächen oder es sogar ganz zum Stillstand kommen wird. Eine Stabilisierung ist auch deshalb zu erwarten, weil in den kommenden Monaten eine Vielzahl von Kreditprolongationen aus den Transaktionen des letzten Booms ansteht. In diesem Zusammenhang dürften einige Objekte aus den Beständen notleidender Fonds auf den Markt kommen und das dann größere Angebot für eine Stabilisierung der Preise sorgen.

Weil sich aktuell noch viele Investoren auf Core-Immobilien konzentrieren, sind die Märkte in den Metropolen weitgehend abgegrast. Damit gewinnen Städte aus der zweiten Reihe für Anleger an Bedeutung. Diese so genannten B-Städte brauchen den Vergleich der ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen mit den Metropolen nicht zu scheuen. Städte wie Oldenburg oder Osnabrück haben zwar eine vergleichsweise geringe Einwohnerzahl. Mangels Attraktivität des Umlands ziehen sie aber viel Kaufkraft aus der Region an und sind das Ziel zahlloser Pendler.

Chancen bieten sich sowohl bei Einzelhandels- als auch bei Büroinvestments. Die Spitzenrenditen bei Büroimmobilien in B-Städten liegen zwischen 200 und 250 Basispunkten höher als in den Metropolen. Bei Einzelhandelsimmobilien sind in den Mittelstädten Spitzenrenditen von mehr als sechs Prozent realisierbar, während sie in A-Städten durchweg unter der Fünf-Prozent-Marke liegen.

Gute Gelegenheiten finden Investoren zudem, wenn sie über den Tellerrand blicken und sich in Segmenten jenseits von Büro und Einzelhandel umschauen. In Betracht kommen beispielsweise Betreiberimmobilien wie Hotels oder Pflegeheime. Gerade letztere haben vor dem Hintergrund des demographischen Wandels langfristig extrem positive Perspektiven: Selbst nach konservativen Prognosen wird bis 2050 ein Mehrbedarf von rund 1,3 Millionen stationären Pflegeplätzen entstehen.