Unerwartet starkes Comeback stellt Münchner Büromarkt vor Probleme

Autor: Alexander Heintze

Der Münchener Immobilienmarkt ist immer für eine Überraschung gut. Noch vor gut einem Jahr zerbrachen sich die Makler den Kopf, wann der überdurchschnittlich große Leerstand bei Büroimmobilien abgebaut sein könnte, nun werden die Flächen schon wieder knapp.

Superlative sind sie ja gewohnt am Münchener Immobilienmarkt. Der teuerste Ort für Eigentumswohnungen, die höchsten Mieten, die verrücktesten Preise. Doch dass sich der Markt innerhalb weniger Monate aus der tiefsten Hölle in den höchsten weißblauen Himmel katapultiert, damit hatten selbst gestandene Makler nicht gerechnet.

Vor allem das Investitionsvolumen übertraf mit knapp 2,9 Mrd. Euro selbst die optimistischsten Erwartungen. „Damit hatte niemand gerechnet“, sagt Marcus Lütgering, Leiter Büroinvestment bei Jones Lang LaSalle Deutschland (JLL). Die BNP Paribas Real Estate spricht in ihrem Investment Market Report 2012, der Ende Februar veröffentlichen wird, vom drittbesten Investmentumsatz aller Zeiten. „Lediglich in den Jahren 2006 und 2007 konnte bislang ein besseres Resultat registriert werden“, beobachtet Jochen Stecker, bei BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) verantwortlich für München. Der durchschnittliche Investmentumsatz der vergangenen 13 Jahre wurde gar um 36% überboten.

Verantwortlich für das Ergebnis ist natürlich die Wirtschaftskrise. Die Angst vor einem Euro-Ende und einem erneuten Konjunktureinbruch lässt Investoren nach Sicherheit suchen. Und für seine Stabilität ist der Münchener Markt nun mal seit jeher bekannt.

Die Big-Deals gab es vor allem beim Einzelhandel. So wechselten das Shoppingcenter Perlacher Einkaufspassagen (PEP), Karstadt Oberpollinger und Karstadt Sport auf der Neuhauser Straße, die Pasing Arcaden sowie das Isartor City den Besitzer. Acht Transaktionen hatten dabei ein Volumen von mehr als 80 Mio. Euro, drei Deals lagen sogar im dreistelligen Millionenbereich. „2011 stimmte sowohl die Größe als auch die Menge an Transaktionen“, bringt es Lütgering auf den Punkt. Anfang des Jahres hätte niemand ein solches Feuerwerk für möglich gehalten.

Für das laufende Jahr sind die Makler vorsichtig pessimistisch. Lütgering erwartet nur einen leichten Rückgang des Transaktionsvolumens auf 2 bis 2,5 Mrd. Euro. „Der Appetit auf München ist nicht gesättigt“, glaubt er. Trotz der hohen Preise. Die Ankaufsrenditen für Geschäftshäuser betragen derzeit im Schnitt 3,7%. Bei Büros liegen die bei 4,75% und damit 20 Basispunkte unter dem Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Von ihrem Tiefstand Mitte 2007 trennen sie laut BNPPRE aber immer noch 65 Basispunkte. Es ist also noch Luft nach oben in den Preisen. Daher geht man bei JLL von einem weiteren Rückgang der Renditen aus.

Jochen Stecker von BNPPRE hält das aktuelle Preisniveau dagegen für angemessen. „Von einer Überhitzung kann nicht gesprochen werden. Bezogen auf die Spitzenrenditen ist aktuell eine Stabilisierung auf dem erreichten Niveau das wahrscheinlichste Szenario“, so der Marktexperte. Dass im Einzelfall, beispielsweise bei außergewöhnlichen Trophy-Immobilien, die Rendite noch einmal leicht sinken könne, schließt er nicht aus.

Gänzlich unbeeindruckt von allem Krisengerede zeigten sich dagegen die Mieter. „Besser hätte es auf dem Vermietungsmarkt im letzten Jahr kaum laufen können“, meint Petra Bolthausen, bei JLL München zuständig für die Bürovermietungen.

Allein die letzten drei Monate 2011 trumpften mit dem stärksten Quartalsergebnis der vergangenen zehn Jahre auf. In der Folge verringerte sich der Leerstand verringerte um fast 10%. „Der Vermietungsmarkt schloss äußerst zufriedenstellend mit einem Gesamtumsatzergebnis von rund 873.000 qm ab“, resümiert CBRE-München-Chef Rainer Knapek. Er konnte 30 „Big Deals“ registrieren – mehr als doppelt so viele wie in einem gewöhnlichen Jahr. Ganze 14 Verträge fanden dabei zwischen 10.000 und 28.000 qm statt. „Mehr solcher Großdeals gab es in den letzten 10 Jahren nur in 2001“, berichtet JLL.

Für das starke Ergebnis war vor allem die boomende Autoindustrie verantwortlich. Allein der Platzhirsch BMW mietete sieben Standorte neu an. Darunter rund 21.000 qm im Büroturm Uptown in der Nähe des Olympiaparks. Die Nutzfahrzeugsparte von MAN zog auf 20.000 qm in die Parkstadt Schwabing. Der Lichttechnikhersteller Osram mietete 28.000 qm im m.pire, ebenfalls in der Parkstadt.

Damit ist das Entwicklungsgebiet im Norden Münchens der große Gewinner. Vor einigen Jahren wurde das Retortenviertel noch wegen der engen Bauweise und des hohen Leerstands als Standort abgeschrieben. Heute werden Bauten für die letzten freien Flächen geplant. Ob diese allerdings kurzfristig auch umgesetzt werden, ist keineswegs sicher. Dabei wären neue Büros dringend notwendig.

Da diese kurzfristig fehlen, geht Petra Bolthausen davon aus, dass der Leerstand weiter sinken wird. Aktuell weiß sie von rund 20 Firmen, die gerne zwischen 4.000 und 30.000 qm anmieten würden. Fast alles sind Firmen aus dem Markt, die sich vergrößern oder verbessern wollen. Doch gerade bei großen Flächen herrscht akuter Mangel.

Laut JLL stehen derzeit nur rund 233.000 qm hochwertige Flächen zur Verfügung. Angesichts einer Nettoabsorption von fast 270.000 qm im vergangenen Jahr sind Engpässe absehbar.

Denn es kommen kaum spekulative Neubauten auf den Markt. Im langjährigen Mittel kamen pro Jahr rund 400.000 qm spekulativ auf den Markt. Davon ist München derzeit weit entfernt. Für dieses Jahr rechnet JLL mit gerade einmal 112.000 qm Fläche, die ohne feste Vorvermietung zur Verfügung stehen werden. Im nächsten Jahr wird es noch enger. Dann rechnet JLL nur noch mit 87.000 neuen Quadratmetern. Nur 2006 und 2007 gab es weniger Zuwachs an neue Flächen. Kaum etwas davon steht in der von Mietern bevorzugten Innenstadt zur Verfügung. Unternehmen, die Top-Flächen suchen, müssen also längerfristig planen.

Das bedeutet vor allem weiter steigenden Mieten und rückläufige Miet-Incentives. Bei den Mieten rechnen die Makler mit einem Anstieg der Spitzenpreise auf 30,50 Euro pro Quadratmeter und Monat. Ende 2011 lag dieser Wert bei 30,00 Euro. Entlang der Maximilianstraße wurden vereinzelt auch Mieten von über 40 Euro erzielt. Die sogenannte gewichtete Durchschnittsmiete hat 2011 bereits auf 14,29 Euro zugelegt. „Das ist der höchste Wert seit 2008“, erklärt Bolthausen. Allerdings basiert der Effekt eher auf den zahlreichen großen und relativ teuren Vermietungen, sodass die Durchschnittsmiete in diesem Jahr relativ konstant bleiben dürfte.

Kurzfristig werden sich Projektentwickler schwer tun, neue Projekte anzugehen. Was weniger an der Finanzierungsfreude der Banken liegt. Das ist in München kein Problem. Aber in zwei Jahren wird in München ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Schon jetzt ist absehbar, dass die Wohnsituation im Wahlkampf eine herausragende Rolle spielen wird. Eigentumswohnungen und Mieten sind in München so teuer wie nie. Viele Familien mit mittlerem Einkommen können sich keine Wohnung mehr leisten, weder zum Kaufen noch zum Mieten. Und selbst, wer das notwendige Geld zur Verfügung hat, hat kaum Auswahl. Institutionelle Käufer haben sich deshalb schon weitgehend aus dem Markt zurückgezogen.

Kein Kandidat wird das Risiko eingehen, erklären zu müssen, warum die wenigen Flächen, die in der Stadt zur Verfügung stehen, an Büro-Spekulanten vergeben werden, anstatt den Bürgern günstigen Wohnraum zu verschaffen.

Der Büromarkt bekommt das schon jetzt zu spüren. „Die angespannte Lage auf dem Münchener Wohnungsmarkt hat im abgelaufenen Jahr mit Hilfe der Stadt München zur Umnutzung von Gewerbeflächen zu Wohnen geführt“, schreibt Kersten Stieringer von Colliers Schauer & Schöll in einem aktuellen Marktbericht. Die hohen Wohnungsmietpreise würden eine Umwidmung für Investoren attraktiv machen. 2011 wurden in München insgesamt 55.000 qm Bürofläche umgewidmet, die dem Büromarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Für 2012 rechnet Stieringer mit einer noch höheren Umnutzungsleistung, „die deutlich über 100.000 qm liegen dürfte“.