Verlieren IVG Aktionäre durch Milliardenloch ihr Vermögen?

 

Management übersieht 2 Mrd. Euro schulden

Manche Manager erleben Überraschungen. Kaum ist die endgültige Beseitigung aller Altlasten gemeldet, finden sich noch ca. 2 Mrd. Euro, um die man sich kümmern muss. Seit Anfang März hat sich die Situation der IVG Immobilien AG für den Leser der offiziellen IVG Informationen um rd. 2 Mrd. Euro verschlechtert. Wir gehen nach wie vor von einer „Überraschung“ des Managements durch aktuelle, für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbare, Entwicklungen aus. Denn sonst würde sich die Frage nach dem Sinn der aktienrechtlichen Informationspflichten und nach den Aufgaben von Vorstand und AR stellen. ►

Liebe Leser, lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen. Da meldet das Management der IVG Immobilien AG, das seit Jahren an Bord ist und schon die letzte Sanierungsphase der Finanzkrise durchstand, nachdem es gerade Anfang März die endgültige Beseitigung ALLER Altlasten berichtete jetzt Ergebnisse einer anscheinend neuen Prüfung: „Ergebnis der bisherigen Prüfung ist, dass IVG ihre bestehenden Verbindlichkeiten um bis zu 1,35 Mrd. Euro sowie um weitere 400 Mio. Euro (Hybridanleihe) reduzieren muss, um ihren Verschuldungs- und Zinsdeckungsgrad auf ein marktübliches Niveau zu bringen und somit wieder nachhaltig kapitalmarktfähig zu werden. … In diesem Zusammenhang sind weitere Wertanpassungen bestimmter Bilanzpositionen in noch nicht bestimmter Höhe wahrscheinlich.“ Lt. Immobilien Zeitung schätzt Baader Bank-Analyst Andre Remke den Abwertungsbedarf für Bestandsimmobilien, Kavernen und Projekte auf 240 Mio. Euro. Das summiert sich dann auf 2 Mrd. Euro Erkenntnis-Differenz zum Stand Anfang März dieses Jahres. Zur Einordnung des Überraschungseffektes: Das ist rd. ein Drittel der Bilanzsumme von knapp 6 Mrd. Euro, deutlich mehr als das EK zu Buchwerten von ca. 1,23 Mrd. Euro und fast der Wert aller Büroimmobilien im eigenen Bestand von 3,2 Mrd. Euro. Macht Sie das genauso hilflos wie den Autor?

Im Juni vergangenen Jahres hatten wir IVG-VV Professor Wolfgang Schäfers Gelegenheit gegeben, im immpresseclub, der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Immobilienjournalisten, über die IVG zu berichten. Mit seinem immpresseclub-Auftritt hatte sich auch 2009 Gerhard Niesslein in der ersten Sanierungsphase einen erheblichen Verständnis-Freiraum geschaffen. Wir nahmen aus dem Schäfers-Vortrag unwidersprochen die Botschaft mit: „Unter der Voraussetzung weiterhin niedriger Zinsen sei der Turnaround aus heutiger Sicht zwar geschafft, aber der Veränderungsprozess müsse weitergehen. … Der NAV pro Aktie liege bei 4,83 Euro …“ (vgl. Platow v. 13.6.2012 und „Der Immobilienbrief“). Am 5.3.2013 meldete die IVG dann eine vollständige Bereinigung der Altlasten und bestätigte das im mündlichen MIPIM-Gespräch (wir berichteten in Platow und „Der Immobilienbrief“). Dies beträfe auch eine vorsorgliche Berücksichtigung der Wandelanleihe, so dass der Zuhörer auch von einer Beherrschung der Finanzierungsrisiken ausgehen musste. Das operative Geschäft sei gut und die Liquidität gesichert. Das entspricht wohl auch der internen Haltung. Wie wir in Gesprächen durchaus hören, bekommen die Mitarbeiter der IVG von dem Drama nichts mit. Hier herrscht business as usual. Das Desaster findet auf einer Metaebene statt.

Der aktuelle Refinanzierungsplan sieht lt. IVG für die einzelnen Kreditgeber insbesondere eine Sachkapitalerhöhung gegen Einlage von Bankkrediten (SynLoan I) sowie Wandel- und Hybridanleihen (Debt/Equity-Swap) vor, um die Finanzmarktfähigkeit wieder herzustellen. Nach Einschätzung von Remke wird lt. IZ dieser Debt-to-Equity-Swap darauf hinauslaufen, dass hinterher die Gläubiger die Hauptaktionärsgruppe der IVG stellen und den aktuellen Anteilseignern so gut wie nichts bleiben werde. Das Bankhaus Lampe hatte das Kursziel in Erwartung eines Debt/Equity-Swap schon Gründonnerstag auf 0,20 Euro gesenkt (Platow vom 5.4.13). Verwunderlich ist die Ruhe der Hauptgesellschafter, der Familien Mann und Sprüngmann. Entweder haben die ihre IVG Beteiligungen schon längst abgeschrieben oder es könnte ein Know how Vorsprung genutzt werden. Unsere Kritik richtete sich schon mehrfach gegen eine Know how Klassengesellschaft, die der Kursverlauf vermuten lässt.

„Der Immobilienbrief“-Fazit: Es fragt sich nach wie vor, was seit Anfang März geschah, das die positiven Perspektiven des Berichtswesens so zerlegte. Natürlich waren Prolongationsnotwendigkeiten bekannt, aber es gab zum einen keine Risikohinweise und zum anderen lösten alle anderen Immobiliengesellschaften wie z. B. die Gagfah dies elegant und schweigsam. Damit bleiben neben der Kompetenz- und Verschleierungsfrage nur wenige Erklärungen. Durch Forderungsverkauf an Hedge Fonds könnten die Banken kurzfristig die Reißleine gezogen haben. Man wolle mit nichts mehr etwas zu tun haben, wo IVG draufstehe, hörten wir von mehreren Seiten. Dies entspricht dann auch unserem klassischen Szenario, das wir seit den 90ern beobachteten und 2008/09 für Immobilien AG‘s herausarbeiteten. Die Krise könne leicht in einen Circulus Vitiosus führen, der dann zum Exitus führe, wenn sich Banken die Abschreibungen wieder leisten können. Wir erwarteten das für 2012/13 und waren bisher positiv überrascht. Die Wohnungs AG’s sind haben sich im Wohnungsboom besser gehalten als die Gewerbe AG’s der Vergangenheit. Andere AG’s wie die DIC hatten seriöse Bewertung und erstklassiges Management, während die IVG seit den 90ern mit dem Squaire und speziell in der Leichnitz-Ära Maßstäbe an Sportlichkeit setzte.

Es bleibt dann noch die Frage nach der Informationssituation. Hier könnte das Finanz-Management vor der tragischen Wahl gestanden haben, durch Risikoerwähnung die Situation zu verschlechtern oder das dramatische Kreditrisiko zu verschweigen. Das gefährliche Kreditverkaufsrisiko müsste aber seit dem NPL-Boom ab 2004 dem Management bekannt sein. Da war der Finanzvorstand aber noch Steueranwalt, der am Reit-Gedanken seine Karriere aufbaute und auch dabei realitätsfern agierte. Das besprachen wir übrigens damals noch direkt bei einer immpresseclub-Tagung im Adlon, als mich Zweifel an Erfahrung und gesundem Menschenverstand in der Reit-Diskussion umtrieben. Vermutlich war aber das gut meinende IVG Management der irrigen Auffassung, durch anständiges „operatives“ Geschäft die Kreditgeber überzeugen zu können. Irren ist menschlich. Auf jeden Fall war der dümmste Sonder-AfA Anleger in den abgezocktesten Geschlossenen Immobilienfonds besser dran als der Aktionär bei Deutschlands Vorzeige Immobilien AG. Es fragt sich zudem, warum nicht der NAV-Schatz von einer Milliarde Euro zu Gunsten der Aktionäre durch Verkauf gehoben wird, statt diese final zu verwässern. Als Dienstleister wäre die IVG vielleicht besser aufgestellt. Ist diese Chance längst vertan oder der gibt es den NAV bei ehrlicher Betrachtung gar nicht?