Wie sieht die Branche das Jahr 2010 – Erwartungen, Hoffnungen und Sorgen

 

Wolfgang Müller

Wolfgang Müller

Das Jahr 2009 geht zu Ende. Zumindest lesen Sie gerade die letzte Ausgabe von „Der Immobilienbrief“ in diesem Jahr. Was ist nicht alles passiert in diesem Jahr. Obama wurde Präsident und bekam den Friedensnobelpreis. Die Regierung wurde schwarz-gelb und macht soviel Schulden wie noch nie. Arcandor meldet Insolvenz an. Quelle macht dicht. Gestandene Männer standen mit Tränen in den Augen vor Spielwarengeschäften und schauten auf die möglicherweise letzten Märklin Eisenbahnen. Die Schiesser-Pleite untermauerte den alten Unterhosen-Index der Wall Street. Die Bundesrepublik wird 60 Jahre und feiert das Jubiläum in der wohl größten Krise der Nachkriegszeit. 2009 wird sicher in die Geschichte eingehen. Für die Immobilienbranche wird es wohl als „schwarzes Jahr“ in Erinnerung bleiben. Viele haben in den vergangen Wochen versucht zu prognostizieren, was im Jahr 2010 (noch) sein wird. Wir haben für Sie einmal bei der Branche nachgefragt und die Statements aus Verbänden, Banken, Dienstleistern und Emissionshäusern zusammengetragen. Eines ist sicher: Am 15. Januar 2010 lesen Sie die erste Ausgabe von „Der Immobilienbrief“ im nächsten Jahr.

 

 

 Wolfgang Müller, Geschäftsführer BVT: Vor dem Hintergrund der Verwerfungen an den Geld- und Kapitalmärkten wenden sich viele Kunden und Vertriebspartner den klassischen Sachwertanlagen zu. Hierzu zählen Investitionsmöglichkeiten in die Immobilienmärkte in Deutschland und im westlichen Europa sowie in ausgesuchte internationale Projekte wie Australien und ggf. USA. Ebenso gehen wir von einer starken Nachfrage im Bereich Energie und Umwelt aus. In diesen Märkten wird die BVT 2010 mit Angeboten präsent sein. Weiterhin reges Interesse verzeichnen wir daneben in den Bereichen Games und Private Equity (Secondaries), das sich nach unserer Meinung 2010 fortsetzen wird.   

 Jens-Christian Ludwig, Geschäftsführer Rickmers Immobilien: Die wohl dominierenden Gesprächsthemen in 2009 waren aus unserer Sicht die Finanzkrise und die damit verbundene Eigenkapitalverknappung bzw. erhöhte Eigenkapitalanforderungen. Trotz erschwerter Bedingungen sehen wir dennoch vor allem mit lokalen Banken und Sparkassen Finanzierungsmöglichkeiten in 2009 und konnten diese auch realisieren. Auf dem Investmentmarkt sind zum Jahresende nun vermehrt interessante Objekte mit attraktiven Preisen zu lokalisieren. Wir gehen für 2010 davon aus, dass sich die Finanzierungsmöglichkeiten weiterhin entspannen, jedoch die erhöhten Eigenkapitalanforderungen bestehen bleiben. Immobilienpreise in B-Lagen sehen wir weiterhin fallend, in A-Lagen werden die Preise stabil bleiben, doch erwarten wir mögliche Investmentopportunitäten in Objekten mit Leerständen, auch in A-Lagen. Früher nannte man das Wertsteigerungspotenzial. Heute können diese Risiken besser bepreist werden.

Für Bestandsobjekte sehen wir auch in 2010 das Risiko von sinkenden Mieten, einer schwieriger gewordenen Anschlussvermietung und einer steigenden Anzahl von plötzlichen Mieterinsolvenzen. Jedoch wird sich aus unserer Sicht der Mietermarkt in der zweiten Jahreshälfte 2010 wieder stabilisieren. In den kommenden Jahren wird die Bedeutung der Immobilie als weitestgehend inflationssichereres Asset steigen. Und mit der Wiederbelebung des Investitionsmarktes als Folge des zyklischen Auftriebs der Wirtschaft, die damit verbundene, verstärkte Nachfrage nach gewerblichen Mietflächen sowie die Wiederbelebung der Finanzmärkte sehen wir auch zukünftig wieder ein langsam steigendes Preisniveau.

 

Eric Romba: Hauptgeschäftsführer VGF: Das Jahr 2009 war für die Branche der Anbieter geschlossener Fonds ein schwieriges Jahr. Der Absatz von Produkten wird in 2009 noch einmal deutlich zurückgehen im Verhältnis zum Vorjahr. Für 2010 ist die Branche jedoch verhalten optimistisch. Zwar steht mit dem Bereich Regulierung ein Thema an, das die Branche nachhaltig beeinflussen und verändern wird. Wer sich jedoch frühzeitig damit beschäftigt und auf die neue Branchenordnung einstellt, wird davon profitieren. Auch lassen die Meldungen zum Jahresende und die Produktplanungen mit den Vertrieben für 2010 hoffen. Die Anbieter haben es verstanden, noch stärker auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen und noch zielgenauer Produkte zu strukturieren. Der VGF wird die Anstrengungen der Branche für eine Verbesserung der Absatzsituation auch seinerseits gezielt unterstützen. Eine konkrete Maßnahme dazu ist der VGF Summit Geschlossene Fonds 2010, der am 2. und 3. Februar 2010 in Frankfurt/Main stattfindet. Mit dem Kongress wird Anbietern, Vertrieben, Beratern, Analysten und Journalisten konkrete Informationen rund um geschlossene Fonds geboten.

 

Dr. Günter Vornholz, Chefresearcher der Nord/LB-Tochter Deutsche Hypo: Der Investmentmarkt hat Tiefpunkt durchschritten. Die Deutsche Hypo rechnet mit einem Anstieg des Transaktionsvolumens im nächsten Jahr. Die Preise werden sich leicht erholen. Die Renditen haben entsprechend ihren Peak im Jahr 2009 gesehen und sinken in geringem Ausmaß. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird den Mietmarkt erst 2010 erreichen. Da auf dem Arbeitsmarkt 2009 sich nur geringe Veränderungen gezeigt haben, war bislang der Büromarkt nur wenig belastet. 2010 wird eine stärkere Negativabsorption von der Deutschen Hypo erwartet. Da noch viele Projekte in der Pipeline sind und 2010 fertig gestellt werden, ist mit einem deutlicheren Anstieg der Leestände zu rechnen. Die Mieten stehen vermehrt unter Druck, da das Instrument der Incentives in 2009 ausgereizt wurde.

 

Wolfgang Egger, Vorstandsvorsitzender Patrizia: 2009 haben Wohnimmobilien einen enormen Zuwachs in der öffentlichen Wahrnehmung verzeichnet. Auch nach der Krise wird die Wohnimmobilie im Fokus stehen. Gerade für institutionelle Anleger bietet sie erstklassige Chancen. Sie ist – in den richtigen Lagen – wertstabil, kalkulierbar, weist keine Klumpenrisiken auf und korreliert nicht mit anderen Assetklassen. Der einzige Nachteil, den sie aufweist, ist, dass sie managementintensiv ist. Ob nun fünf Mieter im Bürohaus oder 1.000 Mieter im Wohnquartier macht in der Betreuung und im Management einen erheblichen Unterschied. Von daher braucht man hier einen erfahrenen und wohnimmobilienkompetenten Partner an der Seite, der dies zuverlässig managen kann.

 

Susanne KLaußner, Geschäftsführerin GRR: Nach Einschätzung der GRR Real Estate Management GmbH ist in Bezug auf die Netto-Ankaufsrenditen der Boden bei Einzelhandelsimmobilien inzwischen fast erreicht.

Derzeit bewegen sich die Ankaufsfaktoren bei ungefähr dem 12- bis 12,5-fachen, in Toplagen auch etwas darüber. Seit der Boomphase in den Jahren 2006 und 2007 sind die Kaufpreise damit um gut zwei Jahresmieten zurückgegangen.

Mit einem Wiederanziehen der Kaufpreise rechnen wir zwar nicht vor Mitte 2011, gleichwohl ist schon heute festzustellen, dass eine latente Nachfrage von privaten und institutionellen Investoren vorhanden ist, jedoch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in den vergangenen Jahren.

Da Handelsimmobilien in der Regel einen überdurchschnittlich sicheren Cashflow aufweisen und die Mietverträge meistens mit recht langen Laufzeiten abgeschlossen werden, handelt es sich hier um ein Investment, das offenbar bei vielen Investoren derzeit den richtigen Nerv trifft.

Die derzeitige Marktsituation bietet für diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren zurückgehalten haben und nun über ausreichende Liquidität verfügen, die große Chance, ein gutes Produkt zu nachhaltig marktgerechten Konditionen zu erwerben und eventuelle Bestandsportfolios qualitativ zu optimieren. Entsprechende Gelegenheiten sind ausreichend am Markt vorhanden, schon allein aufgrund der starken Expansionsbemühungen der deutschen Einzelhändler, insbesondere des deutschen Lebensmitteleinzelhandels.

Allerdings ist große Sorgfalt bei der Standortauswahl geboten, denn auch im deutschen Einzelhandel ist mit einer Konsolidierung zu rechnen, und insbesondere ältere Standorte werden in nächster Zeit einer Überprüfung durch die Händler standhalten müssen.

 

Jens Friedemann, Head of Marketing and Research, IVG AG: Was wird dem Jahr der Krise folgen? Als sich die Finanzkrise vor einem Jahr in eine internationale Wirtschaftskrise ausweitete, waren die Vorhersagen für die Immobilienmärkte nahezu übereinstimmend negativ, auch wenn das Ausmaß des Abschwungs überraschte. Die Wertberichtigungen haben vielen der traditionell hoch beliehenen Investments ernste Refinanzierungsprobleme beschert. Und noch ist das Ausmaß der wirtschaftlichen Instabilität mit steigenden Leerständen und sinkenden Mietern nicht zu überschauen.

Eines aber spüren die Immobilienspezialisten: Der Markt wird nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen, auch wenn sich einzelne Segmente über Nacht kräftig erholen sollten. Tatsächlich sind zurzeit kapitalkräftige Institutionen und „Homes Offices“ wohlhabender Anleger auf der Suche nach Gelegenheiten. Die bankabhängigen Anleger aber fehlen, und die Immobilienfonds zählen auch nicht gerade zu den Stimmungsmachern, seit nun auch noch die Dubai-Fonds im Wüstensand stecken bleiben. 

Tatsächlich aber ist allen klar ist, dass gut vermietete Immobilien mit bonitätsstarken Mietern an bevorzugten Standorten angesichts fehlender Alternativen und schwebender Inflationsgefahren zu den Anlagefavoriten zählen. Was fehlt, ist Vertrauen in die Märkte. Das aber lässt sich nur zurückgewinnen, wenn dafür eine Grundlage geschaffen wird:

Wer Immobilieninvestments anbietet, muss mit ins Obligo; er muss sich am Risiko beteiligen. Noch besser, er bietet seine Einlage den beteiligten Partnern als Sicherheit für eine bestimmte Verzinsung in einer begrenzten Zeit an. Geht es schief, können sie sich bis zu dieser Höhe schadlos halten, geht es gut oder gar besser als erwartet, erhält der Anbieter über seine Gebühren hinaus eine erfolgsabhängige Prämie. Risikopartnerschaft in intelligenten Geschäftsmodellen ist gefragt. Wer sie schafft, hat zumindest eine Grundlage für wiederkehrendes Vertrauen, und er hat ein von der Konzeptionsart her konkurrenzloses Produkt.

 

Alexander Hoff, Palmira Capital Partners: Der Begriff »Krise« bedeutet nach seinem griechischen Ursprung unter anderem auch »trennen«. 2009 trennen wir uns von Finanzierungsstrukturen mit ungesund überhöhten Fremdmittelanteilen und von der Phantasie des Yield shifts.

Wir wenden uns wieder hin zu dem, was die Immobilie schon immer war: eine arbeitsintensive Anlageklasse, die spezifisches Know-how braucht und eben kein reines Finanzprodukt dessen Cashflows aus Mieteinnahmen stammen. Schlimm?

Vermutlich nicht für alle Marktteilnehmer, denn der momentane Markt eröffnet attraktive Chancen zum Wiedereinstieg. In der von uns fokussierten Nische Light-Industrial beobachten wir aufgrund des erlahmten Transaktionsmarktes Preiskorrekturen um bis zu 300 Basispunkte.

In unseren Gesprächen erleben wir reges Interesse ausländischen Kapitals, das teilweise seit fast 2 Jahren nicht investiert war und jetzt den geeigneten Zeitpunkt gekommen sieht, sich wieder stärker zu engagieren.

Sicher, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird auch 2010 ihre Auswirkungen auf den Mietmarkt haben, hier gilt es, mit marktkonformen Produkten preissensibel reagieren zu können. Die momentane »Krise« bietet aus unsere Sicht die seltene Chance, sich dieses Potenzial zu sichern.

 

Klaus Kortebein, CEO Valad Property Goup Deutschland: Für die meisten war 2009 ein Jahr herber Verluste. Doch die Durststrecke scheint nahezu überstanden. Im zweiten und dritten Quartal ist die deutsche Wirtschaft gegenüber den Vorquartalen wieder gewachsen und für das vierte Quartal ist die Fortsetzung dieses Trends abzusehen. Die Immobilienwirtschaft kann sich diesen konjunkturellen Trends nicht entziehen. Doch inzwischen sind selektiv Investitionen in Immobilien wieder lukrativ. Das niedrige Zinsniveau lockt und auch die Finanzierungsmargen sinken wieder. Eine Belebung der Vermietungsmärkte ist jedoch erst später in 2010 zu erwarten. Wir sind mit Valad im Jahr 2009 gut damit gefahren, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Mit Kreativität und einem aktiven Asset-Management konnten wir sowohl unsere Mieter als auch unsere Investoren zufriedenstellen. Dies zahlt sich inzwischen durch neue Mandate aus. Zudem werden wir im kommenden Jahr auch wieder mutige Schritte in die Zukunft gehen. Die wirklich guten Player am Markt nutzen die rauen Zeiten nun mal auch um die Schwächen anderer für sich zu nutzen. Wir blicken positiv in eine bessere Zukunft!

 

Walter Rasch, Senator a. D., Präsident des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V.: „Zwischen Finanzkrise und Klimaschutz“ – unter diesem Motto stand das Superwahljahr 2009. Als zentrale Themen haben neue Formen der Finanzierung in Zeiten der Finanzmarktkrise, der Klimaschutz, die Neubauentwicklung in Wachstums- und Zuzugsregionen, aber auch die Schaffung von altersgerechtem Wohnraum das Jahr geprägt. Auch 2010 werden diese Themen weiter im Fokus stehen.

2009 war die Immobilienwirtschaft erstmals vermehrt mit Finanzierungsproblemen konfrontiert. Die Union muss künftig ihrem Anspruch, Mittelständler nicht in die Kreditklemme laufen zu lassen, in der neuen Regierungskonstellation besser nachkommen. Dazu gehört insbesondere die Öffnung des KfW-Sonderprogramms für Wohnimmobilien.

Der Wohnungsbau ist 2009 auf ein neues Rekordtief gesunken. Dies wird in Wachstums- und Zuzugsregionen zu einer Verknappung von bezahlbarem Wohnraum insbesondere für Familien und ältere Menschen führen. Entsprechend enttäuschend sind die Aussagen der neuen Bundesregierung zur Neubauentwicklung. Hier ist eine Chance verpasst worden. Die Fachleute sind sich einig, dass mit der Wiedereinführung einer degressiven AfA die Konjunktur schnell hätte stimuliert werden und der Bedarf an zusätzlichen 400.000 neuen Wohnungen hätte gedeckt werden können. Auch 2010 wird die Politik nicht daran vorbeikommen, sich mit dem Thema auseinderzusetzen und auch das Wohneigentum verstärkt zu fördern.

Grundsätzlich enthält der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP aber einige gute Nachrichten. Insbesondere im Bereich Klimaschutz wurden wesentliche Forderungen der Immobilienwirtschaft berücksichtigt. So soll es eine weitere Verschärfung der EnEV vorerst nicht geben. Zunächst wird die EnEV 2009 evaluiert. Wir begrüßen zudem, dass die mietrechtlichen Hürden bei energetischen Maßnahmen beseitigt werden sollen. Auch bei der EU-Gebäuderichtlinie ist den Bedenken der Wohnungswirtschaft in wichtigen Punkten Rechnung getragen worden. Wir werten es als Erfolg, dass die ursprüngliche Forderung, den gesamten Wohnungsneubau ab 2019 als Null-Netto-Energiehaus auszuführen, vom Tisch ist. Die Frage ist nun, wie der ‚Nahezu-Null’-Standard länderspezifisch definiert wird.

Neben dem Klimaschutz bildet das Wohnen im Alter das zentrale Zukunftsthema für die Immobilienwirtschaft. Die Einführung des KfW-Programms „Altersgerecht umbauen“ im April 2009 war ein wichtiges Signal, wenn auch budgetär noch deutlich aufstockungsbedürftig. Denn bislang ist in Deutschland nur knapp ein Prozent aller Wohnungen altersgerecht. Dabei läge das jährliche Einsparpotenzial für die Pflegekassen, wenn das Altern in den eignen vier Wänden gestärkt würde, bei bis zu 3,3 Milliarden Euro.

Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die neue Bundesregierung auch der Immobilienwirtschaft Entlastungen beschert. Die Entschärfung der Zinsschranke durch die dauerhafte Anhebung der Freigrenze auf drei Millionen Euro bringt gerade bei Projektentwicklern Entlastung.

Auch bei der Erbschaftsteuer hoffen wir auf Verbesserungen mit Blick auf die bislang diskriminierte Gewerbeimmobilie. Ein vom BFW vorgelegtes Gutachten stärkt die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der jetzigen Form des Gesetzes.

Für 2010 bleibt somit einiges zu tun – beim Klimaschutz, dem Wohnen im Alter, der Neubauentwicklung, dem selbstgenutzten Wohneigentum und der Erbschaftsteuer.