Das Thema Flüchtlinge ist nun auch in der Wohnungswirtschaft angekommen. Bislang ging es vor allem um die kurzfristige Unterbringung der ankommenden Flüchtlinge, hier waren insbesondere Notunterkünfte gefordert. Nun ist die Suche nach längerfristigen Lösungen in den Fokus geraten. Jedoch sind sehr viele Unsicherheiten und Fragen gegeben, die eindeutige Aussagen über die Höhe des zukünftigen quantitativen und qualitativen Wohnungsbedarfs für Flüchtlinge nur schwerlich möglich machen.
Wie viele Wohnungen werden benötigt?
Schon im vergangenen Frühjahr 2015 wurde – noch vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen – die Anzahl der benötigten Wohnungen aufgrund der Wohnungsknappheit vor allem in den größeren Städten deutlich heraufgesetzt. Schätzungen des Bundesamtes BBSR gingen davon aus, dass jährlich ungefähr 270.000 Wohnungen in den nächsten Jahren fertiggestellt werden müssen. Die zunehmende Zahl der Flüchtlinge hat aber alle wohnungswirtschaftlichen Prognosen über den Haufen geworfen. Angesichts der sich im Jahresverlauf ändernden Schätzungen mit steigenden Flüchtlingszahlen wurde auch der Bedarf an neuen Wohnungen ständig angepasst.
Es ist jedoch nicht eindeutig, wie viele Wohnungen für Flüchtlinge zusätzlich benötigt werden. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass zunächst einmal die Anzahl der nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge nicht genau bekannt ist. Weiterhin kann niemand vorhersagen, wie viele Flüchtlinge in der nächsten Zeit noch hinzukommen werden, wie viele Flüchtlinge weiter in andere Länder ziehen oder – freiwillig oder zwangsweise – in ihre Heimatländer zurückkehren. Sobald die Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, dürfen auch Familienmitglieder nachziehen. Hier gibt es ebenfalls hohe Unsicherheiten. Die Zahl der Nachzüge ist nicht vorhersehbar, da insbesondere staatliche Entscheidungen Einfluss nehmen.
Bei Berücksichtigung aller dieser Faktoren könnte dann die Anzahl der Flüchtlinge geschätzt werden, die als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt aktiv werden. Letztlich ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Wohnungen von Familien und nicht von einzelnen Flüchtlingen bezogen und sich so die Zahl der Nachfrager deutlicher reduzieren dürfte. Das führt letztlich zum zukünftigen Bedarf an Fertigstellungen. Das Ifo-Institut kommt in seiner jüngsten Prognose zu dem Ergebnis, dass in den nächsten Jahren jeweils über 300.000 Wohnungen fertiggestellt werden, das Doppelte der Fertigstellungen zum Tiefpunkt Ende des letzten Jahrzehnts. Ob diese Menge ausreicht, kann noch nicht abgeschätzt werden.
Welche Arten von Wohnungen sind zu bauen?
Über die Größe und die Art der Wohnmöglichkeiten können derzeit auch nur wenige Aussagen getroffen werden. Die Größe der benötigten Wohnungen ist abhängig von der Anzahl der Familiennachzügler. Je mehr Familienmitglieder zusammengeführt werden, je mehr größere Wohnungen und je weniger Singlewohnungen werden benötigt. Politische Entscheidungen geben auch hier den Rahmen vor.
Bei den Standards der Wohnungen wird häufig gefordert, dass diese vor allem preiswert sein sollen. Um dies zu erreichen, sollen angesichts der Wohnungsknappheiten die ökologischen und sozialen Mindeststandards aufgegeben bzw. nicht mehr weiter vorangetrieben werden (u. a. Energieeinsparverordnung (EnEV)). Wohnungen haben aber eine lange Lebensdauer, so dass heute getroffene Entscheidungen zu langfristigen Folgeschäden führen können. Dies gilt auch für die in diesem Zuge stattfindende Quartiersentwicklung. Hierbei sollten die Fehlentwicklungen früherer Jahre, vor allem die Bildung neuer Ghettos, vermieden werden.
Wo sollen die Wohnungen gebaut werden?
Auch bei dem regionalen Bedarf gibt es viele Unsicherheiten; so sind die konkreten Präferenzen der Flüchtlinge unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass die bevorzugten Wohnorte von Flüchtlingen vor allem die größeren Städte (so genannte „Schwarmstädte“ wie Groß- oder Universitätsstädte) sind und vielfach die Orte, an denen schon Landsleute wohnen. Da hier aufgrund der allgemeinen demografischen Entwicklung der jüngsten Zeit vielfach schon Wohnungsknappheiten bestehen, wird es also zu weiteren Knappheiten in diesen Städten kommen.
Als Alternative wird diskutiert, dass den Flüchtlingen staatlicherseits zwangsweise leerstehende Wohnungen zugewiesen werden. Dies soll vor allem dort geschehen, wo heute regional die Leerstände relativ hoch sind. Durch eine derartige Zuteilung soll der Neubaubedarf verringert werden. Jedoch ist zu bedenken, dass in diesen Gebieten häufig wenige Arbeitsplätze vorhanden sind und damit Erwerbsmöglichkeiten fehlen.
Es bleibt festzuhalten, dass mehr Wohnungen benötigt werden, deren Anzahl sich derzeit nicht vorhersagen lässt. Auch bei diesen Neubauten sollten sowohl bei der Wohnungsqualität als auch bei der Quartiersentwicklung die Kriterien der Nachhaltigkeit eingehalten werden.