Ein Investmentmarkt der zwei Geschwindigkeiten

Während auf den europäischen Staatsanleihe-Märkten Rückzugstendenzen zu beobachten sind, registriert der Immobilien-Dienstleister Jones Lang LaSalle im 1. Halbjahr auf dem Gewerbeimmobilienmarkt einen Zufluss an globalem Kapital. Der konjunkturelle Gegenwind aus Europa schrecke die Investoren weltweit nicht ab, meint Arthur de Haast, Leiter der International Capital Group von Jones Lang LaSalle, das Interesse an Immobilien bleibe groß. Gründe sind für ihn die verbesserte Transparenz der Immobilienmärkte und die sinkenden Renditen von Staatsanleihen.

Im 1. Halbjahr 2012 wurden nach Ermittlung von CBRE europaweit 11,88 Mrd. Euro in Handelsimmobilien investiert. Allein im 2. Quartal waren es 6,13 Mrd. Euro. Das bedeutet gegenüber dem 1. Quartal mit 5,75 Mrd. Euro eine ganz leichte Steigerung. Gemessen am Durchschnitt der vergangenen 5 Quartale, der immerhin bei 8,7 Mrd. Euro liegt, bleibt das Transaktionsvolumen mit Retail Assets aber auch europaweit hinter der Entwicklung der vergangenen Jahre zurück.

In Deutschland, einem der wichtigsten Märkte für Handelsimmobilien, war das Investitionsvolumen in Ermangelung der gefragten Core-Immobilien im 1. Halbjahr mit 3,2 Mrd. Euro um 47% unter dem Niveau des Vorjahres (6,2 Mrd. Euro) geblieben. Aber auch in Europa sind Core-Objekte Mangelware, wie der Blick auf den Investmentmarkt zeigt. Besonders in Mittel- und Osteuropa sowie in Skandinavien, die sich in den vergangenen Quartalen noch als „Hotspots“ hervorgetan haben, registrierte CBRE – gemessen am 2. Halbjahr 2011- den tiefsten Einbruch. Russland sei der einzige Markt aus der Region, der noch ein stabiles Transaktionsvolumen verzeichnete.

Dass sich der russische Markt wieder belebt, zeigt auch das Beispiel ECE. Zuletzt konnten die Hamburger verkünden, dass ihr Shopping-Center-Projekt „Golden Ring Gallery“ in Jaroslawl, 280 km nordöstlich von Moskau, das mit Ausbruch der Finanzkrise 2008/09 auf Eis gelegt werden musste, nun gemeinsam mit dem US-Entwickler Renaissance Development unter dem neuen Namen „Aurora“ realisiert werden kann.

Renaissance Development plant und baut das 60 000 qm große Center mit 220 Geschäften, die ECE wird Vermietung und Management übernehmen. Zudem konnte die ECE den Auftrag für das Management des 56 000 qm große Shopping-Centers „GoodZone“ in Moskau gewinnen, das im Herbst 2012 eröffnet wird. Dass der russische Einzelhandelsmarkt wieder mehr Dynamik entwickelt, können auch der Handels-Konzern Rewe und die Metro-Tochter Real bestätigen, die hier zuletzt zweistellige Wachstumsraten erzielten.

Obwohl Deutschland im 1. Halbjahr 2012 nach einem hervorragenden Jahr 2011 eine Atempause einlegen musste, stand der hiesige Markt für Retail Assets laut CBRE im 2. Quartal mit einem Volumen von 1,8 Mrd. Euro noch vor Großbritannien (1,5 Mrd. Euro), dem in der Regel stärksten Markt für Handelsimmobilien.

Besonders gefragt waren auch in Europa „Core“ Shopping-Center. Und der Trend hält zweifellos auch in der 2. Jahreshälfte an. So berichtete Jones Lang LaSalle (JLL) über den jüngsten Deal von Union Investment Real Estate, Hamburg, die einen Vorvertrag über den Erwerb des derzeit größten Shoppings Centers Manufaktura im polnischen Lodz unterzeichnet hat. Verkäufer ist eine Objektgesellschaft bestehend aus den französischen Unternehmen Fonciere Euris und Rallye sowie dem Projektentwickler Apsys. Nach Abschluss der Transaktion, der bis Ende 2012 geplant ist, wird das 91 240 qm große voll vermietete Center Teil des UniImmo:Deutschland, und damit die erste Investition dieses Offenen Immobilienfonds in Polen, sein.

Darüber hinaus erstreckt sich das Interesse der Investoren aber auch auf andere Segmente, vor allem auf Geschäftshäuser in Top-Innenstadt-Lagen. Namhaftes Beispiel ist laut CBRE der Kauf des Geschäftshauses Champs Elysées Nr. 52 – 60 in Paris für 500 Mio. Euro durch die Qatar Investment Authority. Hauptmieter ist Virgin Megatores. Ein weiterer namhafter Deal ist der Kauf des Geschäftshauses Luminar House in der Londoner Oxford Street mit Zara als Hauptmieter für 185 Mio. Euro durch Ponte Gadea Immobiliaria.

Für CBRE sind das erstklassige Beispiele für Deals, wie sie von langfristig orientierten Anlegern derzeit präferiert werden. Der Verkäufer des Luminar House, ein offener Deka Fonds, habe seit dem Erwerb 2001 eine beachtliche Rendite erzielt. Für Qualitäts-Handelsimmobilien erwartet der Immobilien-Dienstleister in allen Retail-Segmenten eine überdurchschnittliche Marktentwicklung. Insgesamt sieht er in der EMEA-Region stabile Renditen, außer in Italien und in Teilen von Großbritannien, wo im 2. Quartal steigende Renditen zu beobachten waren.

In Deutschland gehörte die Beteiligung von Unibail Rodamco am Ruhr Park (50%) sowie an der Essener mfi AG mit einer Gesamtsumme von 383 Mio. Euro zu den großen Deals. Dagegen läuft die Entwicklung im Non-Core-Segment weniger stabil. Unter dem Strich läuft es darauf hinaus, dass der europäische Investmentmarkt für Retail Assets ein Markt der zwei Geschwindigkeiten wird, wie Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland berichtet. Hierzulande weichen insbesondere internationale Investoren vermehrt auch auf attraktive B-Standorte aus, um Gelder zu platzieren, da gerade in den Topstandorten kaum adäquate Produkte für sicherheitsorientierte Anlagestrategien verfügbar sind.

Der Mangel an gesuchten Core-Objekten wird aus Sicht des Experten die Marktteilnehmer dazu zwingen, sich auch in anderen Bereichen wie „Core plus“ oder „value add“ umzuschauen. „Sollten die Preise für Core-Investments weiter steigen, werden auch Sekundärmärkte verstärkt Aufmerksamkeit auf sich ziehen“, bestätigt auch Jones Lang LaSalle. „Dies könnte der normalerweise schon aktiveren zweiten Jahreshälfte einen zusätzlichen Schub verleihen.“