„Flucht in die Sachwerte“ – negative Realzinsen erfordern Alternativen

Die Volkswirte sprechen aktuell von einer andauernden „Flucht in die Sachwerte“. Kaum eine klassische risikoarme Kapitalanlage erfüllt heutzutage noch die Grundbedingung des realen Kapitalerhalts. Banken und Versicherungen bieten Anlagerenditen unter Inflationsniveau. Aktieninvestments unterliegen einer hohen Volatilität. Gleichzeitig macht sich in der Öffentlichkeit der Eindruck bemerkbar, die Märkte seien außer Kontrolle. Spekulanten wetten gegen den Euro. Banken gehen unkalkulierbare Risiken ein. Die Börsen fahren Achterbahn. Die Sympathie für die „Occupy“-Bewegung macht deutlich, dass Dr. Otto Normalbürger die Finanzindustrie inzwischen als eine Bedrohung für die globale Gesellschaft und das ökonomische System ansieht.

Wir haben uns im Zusammenhang mit dem 10-jährigen Firmenjubiläum von fairvesta, das am Wochenende in Bregenz am Bodensee gefeiert wird, mit fairvesta-Generalbevollmächtigtem Otmar Knoll unterhalten. Der Autor hat hier einmal einige gemeinsame Ideen, die mit grundlegenden Überlegungen zu tun haben, zusammengefasst. Beginnen wir mit der Frage, deren Antwort die Welt in eine Jahrhundertkrise gestürzt hat: Wann wird volkswirtschaftlich sinnvolle Spekulation zu hemmungslosem Spielen? Vorab: Auch wissenschaftstheoretisch ist Spekulation ein notwendiges Element des marktwirtschaftlichen Systems. Die Absicherung von Risiken durch Produzenten und Exporteure in Rohstoffpreisen und Währung bedarf eines Gegenspielers. Immer mehr verfestigt sich aber der Eindruck, den auch die Medien spiegeln, dass die Krisen keine Fehler des Systems seien, sondern das inzwischen das System selber zum Fehler geworden sei („Spiegel“ Nr. 34/2011). Die Volumina, um die es bei der Spekulation geht, sind gigantisch. Angst vor Risiken und Übermacht des Finanzsystems ist real. Der Wert aller weltweit produzierten Güter und Dienstleistungen betrug im Jahr 2010 63 Bio. Dollar. Der Wert aller gehandelten Aktien und Bonds lag bereits 87 bei Bio. Dollar. Jetzt setzt aber der gesunde Menschenverstand aus. Mit 601 Bio. Dollar Volumen außerbörslich gehandelter Finanzderivate ging annähernd das Zehnfache des Welt-BIP an Finanztiteln über unregulierte Handelstheken. Das ist immerhin das rund siebenfache des regulierten Marktes. Gleichzeitig betrug das Volumen aller Devisengeschäfte insgesamt 955 Bio. Dollar. Das ist das 950-fache des deutschen Exportes (Quelle: „Spiegel“ Nr. 34/2011). Denk- und Programmierfehler sind nicht nur niemals auszuschließen, sondern treten immer wieder auf. Im Hochgeschwindigkeitshandel wird mit Sicherheit irgendwann ein Computerfehler auffällig werden. Das einfache Übersehen der kumulativen Zusammenhänge und der Elemente der self-fulfilling prophecy im US-Immobilienmarkt führten in den vergangenen Jahren bereits die ökonomische Welt an den Rand des Abgrunds und in die größte Finanzkrise.

Bereits vor über 200 Jahren sah Thomas Jefferson – wie Knoll ergänzt – voraus: „Banken sind gefährlicher als stehende Armeen!“ Wenn es nicht gelänge, die Macht, Geld in den Umlauf zu bringen, den Banken zu entreißen, würden am Ende die Menschen all ihres Reichtums beraubt werden. Aus „Der Immobilienbrief“-Sicht ist es sicherlich positiv, dass es annähernd 200 Jahre gedauert hat, bis diese Vision real wurde. Diesmal ging es noch zunächst noch gut, aber die Krise deckte Systemfehler des Euro auf. Das Griechenland-Drama führt uns alle Elemente einer klassischen griechischen Tragödie vor Augen. Welchen Weg auch der Held einschlägt, er führt automatisch ins Desaster. Das Griechenland-Problem ist ökonomisch nur durch nachhaltiges Sponsoring der übrigen Euroländer zu lösen. Wie Prof. Hans-Werner Sinn letztens ausführte, ist der Euro nichts anderes als eine neue Variante des Bretton-Woods-Systems fester Währungskurse. 1973 scheiterte das System. Für den Autor, der damals im Studium den Zusammenbruch des Systems wissenschaftlich verfolgte und gleichzeitig aufarbeitete, war der Erfolg des Euro nie evident. Er mahnte bei seiner Einführung, es sei der zweite Schritt vor dem ersten. Noch heute zahlen wir unverändert rund 100 Mrd. Euro jährlich von West nach Ost. Daraus hätte man für den Euro lernen können.

Am Ende profitiert aber die Immobilie

Das stellten auch die Wissenschaftler von ifo, Wirtschaftsweisen und Bundesbank fest. Finanzkrise, Bankenkrise, Inflationsangst, Schuldenberg, Wirtschaftskrise, Kapitalflucht, Staatsverschuldung, Rettungspaket I, Rettungspaket II, Rettungspaket III, Staatspleite, Schuldenkrise und Inflation sind die Pfeile, die Otto Normalbürger den Begriff „Bankrott“ an die Wand nageln. Im Ergebnis sind die Wohnimmobilienmärkte in den prosperierenden Regionen weitgehend leer gekauft.

Knoll hat einmal die Argumente für gute Immobilienperspektiven zusammengestellt. Eine Forsa-Studie vom Juli 2011, zeigte auf, dass 71% der Bevölkerung sehr große Furcht haben, dass die Staatsschulden ins Immense steigen. 61% sehen Politiker mit den Problemen überfordert. Fast 60% sehen die Renten als unsicher. Die Hälfte hat Inflationsangst. Gleichfalls die Hälfte sieht die Gefahr, dass ihren Kindern keine adäquate Ausbildung mehr finanziert werden kann. Andererseits haben nur 19% Angst davor. Opfer einer kriminellen Gewalttat zu werden. Auf die Frage, was am Besten vor Preisverfall und Wertverlust schütze, antworten immerhin 54% der Befragten, dass Immobilen der beste Inflationsschutz sei. Allerdings führt vor allem Inflationsangst zu höherer Sachwertnachfrage und damit steigenden Preisen und nicht die tatsächliche Geldentwertung auf moderatem Niveau. Ansonsten dürfte Inflation erst oberhalb ernst zu nehmender Schwellen von 5 oder 8% zu tatsächlichen Mietpreisanpassungen führen. Sofern es eine galoppierende Inflation geben sollte, ist aber mit annähernder Sicherheit davon auszugehen, dass die Inflationsgewinne der Immobilieninhaber wie die Vergangenheit zeigte, zu einem großen Teil wegbesteuert werden. □