Hertie-Immobilien – Städte fordern Zugriffsrecht auf leer stehende Häuser

 

Christine Scharrenbroch, Korrespondentin „Handelsimmobilien Report“, Köln

Mehr als 3 Jahre nach dem Aus für Hertie stehen in vielen deutschen Städten noch immer Filialen der traditionsreichen Warenhauskette leer. Die Kommunen klagen heftig über den Verfall der Immobilien und die negativen Folgen für den Einzelhandel in den Innenstädten. Rund 30 Bürgermeister wollen den Stillstand nicht mehr länger hinnehmen. Sie haben sich zusammengetan, um die Vermarktung der leeren Kaufhäuser voranzutreiben. Gefordert wird eine Änderung des Baugesetzbuchs, um die Städte handlungsfähiger zu machen.

Es gehe immerhin um eine Verkaufsfläche von insgesamt rund 200 000 qm mit einem Immobilienwert von geschätzten 100 Mio. Euro, sagte Thomas Feser, Oberbürgermeister von Bingen, bei einem Treffen in seiner Stadt. Jahrelang sei es für Interessenten von Hertie-Immobilien unmöglich gewesen, auf der Eigentümerseite überhaupt einen Ansprechpartner zu finden, kritisierte er. Als zu undurchsichtig habe sich das Geflecht rund um die insolvente britische Beteiligungsgesellschaft Dawnay, Day erwiesen, die vor 8 Jahren 64 Hertie-Häuser vom damaligen Karstadt-Quelle-Konzern übernommen hatte.

Nach Gesprächen, an denen unter anderem die Deutsche Bank als Grundpfandrechtgläubigerin und der niederländische Insolvenzverwalter teilgenommen hätten, sei inzwischen Bewegung in den Verkaufsprozess gekommen, berichteten die Bürgermeister in Bingen. Seit Herbst konnten für mehrere der verbliebenen 32 Hertie-Häuser Käufer gefunden werden, wie Sebastian Mogos-Lindemann, Projektverantwortlicher beim Immobilienmakler CR Investment Management, der seit  2012 mit der Vermarktung beauftragt ist, mitteilt. Offiziell bekannt gegeben wurden bisher Abschlüsse für die Warenhäuser in Stade, Peine und Meschede.

Über 20 Hertie-Immobilien laufen Verhandlungen

In Stade wurde das Haus an die Matrix Immobilien GmbH aus Hamburg verkauft. In Meschede kam der Investor Hubert Bövingloh aus Münster zum Zuge. Und in Peine wurde die Immobilie von der Stadt erworben, die nun einen Investorenwettbewerb ausschreiben will. Zudem wurde nach Angaben von Mogos-Lindemann kürzlich mit einem Projektentwickler ein Kaufvertrag für eine weitere Filiale geschlossen, deren Standort aber noch nicht bekanntgegeben wird. Darüber hinaus gebe es für 2 weitere Immobilien sogenannte Ausbietungsgarantien, die spätestens im März zu Kaufverträgen führen sollen.

Damit stehen laut CR Investment derzeit noch 26 Hertie-Häuser zum Verkauf. Bei 20 Filialen würden momentan Verhandlungen geführt, berichtet Mogos-Lindemann weiter. Es gebe aber auch ein paar schwierige Standorte mit schwacher Investorennachfrage. Die große Herausforderung besteht nach seinen Worten  darin, ein nachhaltiges Nutzungskonzept, eine Projektfinanzierung und Mieter zu finden. Mogos-Lindemann bekräftigt dennoch das Versprechen, das er den Städten gegeben hat: Bis Ende 2014 sollen alle Hertie-Filialen veräußert sein.

Bei den Bürgermeistern stößt die Zusage auf Skepsis. „Der Terminplan ist sehr ambitioniert“, sagte Andreas Koeppen, Bürgermeister aus Itzehoe, in Bingen. In Itzehoe etwa gebe es Interessenten, aber der Kaufpreis sei zu hoch. Übereinstimmend bezeichnen die Bürgermeister die unterschiedlichen Preisvorstellungen von Verkäufern und Interessenten als nach wie vor größte Schwierigkeit.

Um in Fällen wie bei Hertie künftig handlungsfähiger zu sein, machten sich die Bürgermeister in Bingen für eine Änderung des Baugesetzbuchs stark. Der sechsköpfige Sprecherrat forderte für die Kommunen ein Zugriffsrecht auf die Immobilien. Nach 5 Jahren Leerstand sollen Städte nach diesen Vorstellungen die Möglichkeit erhalten, die Immobilie bewerten zu lassen und nach einem Käufer zu suchen. Der Vorschlag sieht außerdem vor, dass der Eigentümer die Kosten trägt. Im Anschluss soll er den Kaufpreis erhalten.

Es handele sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Beschleunigung des Verfahrens, argumentieren die Bürgermeister. Die Gesetzesinitiative wollen sie über die Bundesländer mit betroffenen Städten in den Bundesrat einbringen. Rund 100 Bundestagsabgeordnete aus den betroffenen Wahlkreisen sollen in den kommenden Wochen angeschrieben werden.

Das vorhandene städtebauliche Instrumentarium der Gemeinden im Baugesetzbuch kritisieren die Bürgermeister als unzureichend. Vorausgesetzt würden hier „verständige Eigentümer vor Ort“, die „heimatverbunden“ und an der Entwicklung der Innenstadt interessiert seien. In den vergangenen 10 bis 20 Jahren hätten jedoch
zunehmend global tätige Finanzunternehmen aus rein spekulativen Motiven
heraus Gebäude und Immobilien erworben, heißt es in der Erklärung der Bürger-meister: „Das Interesse dieser Unternehmen beschränkt sich nur auf die Realisierung von Renditen und Gewinnen.“

Zum Problem wird die Situation aus Sicht der Bürgermeister dann, wenn die Weiterveräußerung zu den oft überhöhten Kaufpreisvorstellungen nicht gelingt. Folge sei ein oft jahrelanger Leerstand. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, um die Städte zu revitalisieren, so die Forderung. Das nächste Treffen der Bürgermeister ist für den 18. April in Kamen geplant.