Hoffnung für die Hochstraße in Gelsenkirchen-Buer

Bei der kürzlich erfolgten Übernahme des ehemaligen Hertie-Kaufhauses durch eine örtliche Investorengruppe bewährt sich einmal mehr der „Gelsenkirchener Konsens“.

Eine ganze Reihe der in der Regel in guten Innenstadtlagen situierten ehemaligen Hertie-Kaufhäuser konnte in letzter Zeit erfolgreich an neue Eigentümer übergeben werden. So hatte die Meldung, dass dies auch an der Hochstraße in Gelsenkirchen-Buer gelungen sei, zunächst nichts Außergewöhnliches, ließ aber aufhorchen, denn auf Käuferseite steht die örtliche Gruppierung „GFK Investorengemeinschaft Hochstraße 40“ für ein Objekt mit stolzen 14.700 qm BGF auf fünf Etagen. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Den Verkauf betrieb CR Investment Management, gesteuert wurde die Transaktion vom Kredit-Servicer Hatfield Philips. Das Mandat zur direkten Verwertung des sog. Mercatoria-Portfolios hatte CR Investment Management vom holländischen Insolvenzverwalter Maarten van Ingen und dem zuständigem Kreditservicer erst im Februar 2013 erhalten. Sebastian Mogos-Lindemann, Projektleiter der CR Investment Management, begrüßt die Möglichkeit zur freihändigen Verwertung der noch nicht verkauften Objekte, denn das bisher sehr komplizierte und manchmal umständliche Verfahren werde zukünftig in jedem Fall erleichtert. „Damit können
wir auch einen Beitrag für die überfällige Revitalisierung der betroffenen Innenstadt-
bereiche leisten.“ Seine Zuverlässigkeit als Vertragspartner wird von den Käufern ausdrücklich lobend betont.

Die Hochstraße in Buer ist genau das, was immobilienwirtschaftlich als „High Street“ bezeichnet wird: die Haupteinkaufsstraße im Zentrum einer Stadt. Diese Stadt war bereits selbst eine Großstadt, als sie 1928 mit dem südlich gelegenen Gelsenkirchen und seiner Altstadt vereinigt wurde. Im aktuellen Marktbericht von Comfort über die Einzelhandelslagen allerdings wird berichtet, dass Buer gegenüber der 1A-Lage der Bahnhofstraße in der Altstadt, wo die bekannten Marken angesiedelt sind, an Bedeutung verloren habe. Die Wahrnehmung vor Ort sieht etwas anders aus, denn – mit Ausnahme des Leerstandes bei Hertie – hat die kleinteiligere, intimere Bebauung der Hochstraße und ihrer unmittelbaren Umgebung noch relativ viele inhabergeführte Fachgeschäfte zu bieten, deren Kunden auch schon mal aus Düsseldorf anreisen. Die lokale Kaufkraft liege hier, so sagen Insider, weit über Durchschnitt bei 140 bis 160 Punkten. Das mag sich nicht so sehr in Miethöhen niederschlagen, wirkt sich aber auf die Wertigkeit des Standortes aus. Eigentlich hat
Gelsenkirchen zwei Zentren mit sehr unterschied-
lichem Gepräge.

An dieser Hochstraße fing der aus dem westfälischen Dülmen stammende Theodor Althoff 1911 an, ein Kaufhaus nach neuester Art zu planen gleichzeitig mit dem Kaufhaus in Essen am Limbecker Platz, von dem Fassadenteile inzwischen in den Neubau des an selber Stelle errichteten ECE Shopping Centers integriert wurden. Die Niederlassung in Essen war 1912 fertig, der erste Bauabschnitt in Buer ein Jahr später. 1920 fusionierte die Fa. Althoff AG mit der 1881 gegründeten Karstadt-Gruppe. Die betrieb in Buer 1927 den Erweiterungsbau entlang der Luciagasse, sodass jetzt ein ganzer Straßenblock einheitlich überbaut war mit Natursteinfassaden in regelmäßiger vertikaler Rasterung. Auf Wunsch der städtischen Baubehörde wird die durchgängige Linie der Dachkante mit Staffelgeschoss an der Straßenecke mit einem markanten Turm unterbrochen, der ein Geschoss höher aufragt. Anders als man vermuten könnte, enthält er kein Treppenhaus, sondern hat allein städtebauliche Funktion in der Perspektive des gewundenen Straßenverlaufs. Diese Akzentuierung bewährt sich bis heute. Die komplette
Fassade mit drei Straßenfronten und den Hausnummern Hochstraße 40-44 steht unter
Denkmalschutz. 2007 ging das Kaufhaus an Hertie über, konnte aber im alten Konzept nicht mehr florieren und wurde 2009 geschlossen. Seither gibt es nur noch im Erdgeschoss temporäre Nutzungen.

Die lokale Investorengruppe, die sich nun eine Revitalisierung zutraut, rekrutiert sich im Wesentlichen aus Mitgliedern der „Buer Management GmbH“, einer Gruppierung von Geschäftsleuten, die sich vor etwa zehn Jahren zusammenfand, um mit Unterstützung der örtlichen Banken die Entwicklung ihrer Stadt selbst in die Hand zu nehmen, dies allerdings immer in enger Abstimmung mit den städtischen Stellen, eben im Sinne des hier sprichwörtlichen „Gelsenkirchener Konsens“. Am Anfang stand ein städtebaulicher Leitplan für Buer, der Prioritäten definierte und seither Schritt für Schritt abgearbeitet wird. So gelang in öffentlich-privater Partnerschaft die Neufassung des Marktplatzes mit dem Bau der neuen Markthalle. Die sog. Domplatte um die Kirche St. Urbanus wurde mit Neubauten eingefasst und der Platz neu gestaltet – was nach Entwurf von wbp, Bochum, einen Landespreis für Freiraumgestaltung einbrachte. Und aktuell wird die Horster Straße einer Runderneuerung unterzogen.

Die Investition in die Großimmobilie eines Kaufhauses im Umfang eines kleineren Einkaufszentrums ist eine neue Herausforderung. Das Konzept sieht hier die Erweiterung der bestehenden Tiefgarage im Untergeschoss vor, Einzelhandel in Erd- und Obergeschoss, dann zwei Büroetagen und schließlich ganz oben Wohnungen. Zur besseren Belichtung soll einer der beiden ehemaligen Lichthöfe wieder geöffnet werden. Was der Baubestand noch an Überraschungen bietet, wird sich aber erst herausstellen, wenn ausgeräumt wird. Mit der Vorplanung für den Bauantrag ist das örtliche Architekturbüro Schramm und Fronemann beauftragt. Wenn  dann im Herbst die Anträge eingereicht werden, könnte die Neueröffnung zwei Jahre später 2015 gelingen.